(31. August 2006) Singapur gilt schon seit einigen Jahren als einer der Vorreiter im Bereich eGovernment. Mit dem neuen Aktionsplan „iGov2010“ sollen die bisherigen Errungenschaften weiter-entwickelt werden. Ein Masterplan soll zudem die wirtschaftliche Entwicklung durch Informationstechnologien bis 2015 fördern.
Wer in Deutschland eine Existenzgründung plant, muss dafür meist lange Bearbeitungszeiten für die nötigen Eintragungen und Genehmigungen in den zuständigen Behörden einkalkulieren. In Singapur dagegen gehören lange Wartezeiten der Vergangenheit an.
Die Vereinfachung von Behördengängen mit Hilfe der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ist wesentlicher Bestandteil von Singapurs eGovernment-Initiative, die 2000 mit dem „E-Government Action Plan I“ („eGAP I“) begonnen wurde. Nachdem im Jahre 2003 „eGAP II“ folgte, stellte Raymond Lim, stellvertretender Finanz- und Außenminister, am 30. Mai 2006
„Integrated Government 2010“ („iGov2010“) als dritten Aktionsplan vor.
Seit eGAP sind bereits die meisten Informationen und Dienste (ca. 1600 sogenannte eServices) für Singapurs Bürger online zugänglich. So können beispielsweise Arbeitsgeber neue Mitarbeiter bei der Sozialversicherung online anmelden, Bürger können Gebühren im Internet bezahlen, Unternehmensgründer können ihr Gewerbe elektronisch anmelden und denjenigen, die am Kauf einer Immobilie interessiert sind, steht ein Finanzplan im Netz zur Verfügung.
Von Electronic zu Integrated Government
Zwar sind alle diese Dienstleistungen über ein einziges
„eCitizen“-Portal erreichbar, doch die Integration dieser Sevices erfolgte bislang nur vordergründig: Um den betreffenden Dienst in Anspruch nehmen zu können, muss der Nutzer derzeit noch einem Link folgen, der ihn auf eine externe Seite weiterleitet. Im Rahmen von iGov2010 soll nun die Liste verfügbarer Transaktionen vervollständigt werden. Zudem wird angestrebt, die verschiedenen Dienstleistungen derart miteinander zu vernetzen, dass dem Nutzer alle Behördengänge aus einer Hand angeboten werden. Vorbildlich hierfür ist der bereits seit 2001 bestehende
„Online Licensing Service“, der es Unternehmen ermöglicht, alle benötigten Lizenzen über ein einziges Portal zu erwerben.
Die Verwaltungsdienstleistungen sind sowohl online als auch in fünf „CitizenConnect“-Centern verfügbar, in denen ein kostenloser Internetzugang bereit steht sowie Mitarbeiter, die Menschen mit geringer Medienkompetenz Hilfestellungen bei ihren Online-Transaktionen leisten. Bis 2010 soll die Anzahl dieser Service-Center auf 25 erhöht werden. Bereits zwei der fünf Millionen Bürger interagieren mittlerweile online mit den Regierungsbehörden. Genanntes Ziel der Initiative ist es, den Anteil der Bürger, welche die Online-Transaktionen nutzen, auf 90% zu erhöhen.
Authentifikation durch einen staatlichen Pass
Die persönliche Authentifikation erfolgt für viele eServices über einen einheitlichen Zugangsaccount namens
„SingPass“. Im Rahmen der Integration aller eServices soll dieses System für alle Anwendungen der singapurischen Behörden etabliert werden. Während in anderen Ländern (darunter auch Deutschland) die Nutzung
digitaler Signaturen als zwingende Voraussetzung bei der Einführung von eGovernment angesehen wird, wird die Identität des Nutzers in Singapurs Online-Behörden nur durch Überprüfung von Benutzername und Passwort sichergestellt. Als Benutzername wird dabei die persönliche Sozialversicherungsnummer verwendet. Das Passwort, das somit den eigentlichen SingPass verkörpert, wird bei Ausstellung eines neuen Ausweises oder auf Antrag ausgehändigt. Sicherlich ist die geringe Verbreitung der digitalen Signatur in anderen Ländern ein Hindernis bei der Einführung von eGovernment. Es ist jedoch anzuzweifeln, dass ein einfaches Passwort als sichere Grundlage für Transaktionen mit der öffentlichen Verwaltung dienen kann.
Während die ersten beiden Aktionspläne also allein die Elektronisierung von Arbeitsabläufen der öffentlichen Verwaltung in den Vordergrund stellten, hat soll iGov2010 darüber hinaus die verschiedenen Verwaltungsdienstleistungen integrieren. So soll die Interaktivität der öffentlichen Dienste im Internet erhöht, ihre Nutzung intelligenter gestaltet werden. Lim betont, dass der neue Aktionsplan, für den S$2 Milliarden (rund 991 Millionen Euro) bereitgestellt werden, den
Bürger ins Zentrum des Serviceangebots stellen und ihn als Kunden betrachten müsse, um dessen Anforderungen gerecht zu werden.
Ein besonderer eCitizen-Service besteht darin, dass registrierte Bürger automatisch per SMS daran erinnert werden, wenn ihre KfZ-Zulassung, Bibliotheksausleihfrist oder die Gültigkeit ihres Personalausweises abläuft. Die Nutzung mobiler Technologien soll in Zukunft sogar so weit intensiviert werden, dass alle Behörden über eine einheitliche Nummer per SMS für den mobilen Bürger erreichbar sind.
Singapur auf dem Weg zur „Intelligent Nation 2015“
Singapur erhofft sich durch den Einsatz der neuen Medien im öffentlichen Dienst nicht nur direkte Kostenersparnisse bei Verwaltungsvorgängen, zusätzlich soll die Entwicklung derartiger eServices eine Chance für den Inselstaat sein, den Export seiner Informations- und Kommunikationstechnologien zu fördern. Dies soll mit Hilfe des
„IN2015“-Masterplans realisiert werden, dem aktuellen Zehnjahresplan des „Civil Service Computerization Program“, das seit 1981 existiert.
Vordergründiges Ziel des Masterplans sei es jedoch, eine neue Generation der Informations- und Kommunikationsinfrastruktur zu schaffen, welche die Grundlage für die Entwicklung eines Netzes von innovativen, personalisierten elektronischen Diensten für Singapurs Bevölkerung schaffen soll. Singapur soll so zur einer „Intelligent Nation 2015“ avancieren, indem jedem Bürger der Zugang zu den Informations- und Interaktionsangeboten im Netz erleichtert wird. Zu den neuen Diensten, die den Bürgern zukünftig zur Verfügung stehen sollen, gehören unter Anderem ein medizinischer Online-Dienst für ältere Menschen sowie eine Empfangsseite für Touristen, auf der sie nicht nur Tickets und Hotelzimmer buchen können, sondern sich außerdem spezielle Angebote über Aktionen und Veranstaltungen auf ihr mobiles Endgerät schicken lassen können. Die neuen Technologien sollen außerdem genutzt werden, um Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung ihren Anforderungen entsprechend umzugestalten.
Breitbandanschluss von der Regierung
Um die nötige Infrastruktur für dieses Vorhaben zu schaffen, sieht der Plan die Errichtung eines dualen Breitbandnetzwerkes vor. Auf diesem Wege soll bis zum Jahr 2012 jeder Haushalt, jede Schule und jeder Betrieb mit einem Hochgeschwindigkeits-Internetanschluss („Wired Network“) versorgt werden. Zudem sollen zunächst einige zentrale Gebiete und auf lange Sicht die komplette Fläche des Inselstaates von einem Funknetzwerk („Wireless Network“) abdeckt werden. Um jedem Bürger unabhängig von dessen finanzieller Situation einen Internetzugang zu ermöglichen, haben einige Anbieter bereits vorgeschlagen, einen kostenfreien Zugang mit bis zu 512 kbps anbieten – immerhin fast DSL-Geschwindigkeit. Singapurs Regierung hofft, dass bis 2015 90% aller Haushalte und jeder Haushalt mit schulpflichtigen Kindern über einen Breitbandzugang verfügen werden. An der Entwicklung des Netzwerkes sind 33 Wirtschaftsunternehmen beteiligt, neben Singapore Telecommunications auch ausländische Firmen wie Motorola und Siemens.
In Zukunft soll sich das Angebot des eCitizen-Portals zudem nicht mehr ausschließlich auf öffentliche Dienstleistungen beschränken, sondern dem Bürger in Zusammenarbeit mit privaten Dienstleistern umfassende Dienstleistungen anbieten: So werden diejenigen Bürger, die gerade einen Online-Antrag für einen Hausbau gestellt haben, im selben Portal mit Bauunternehmen in Kontakt treten können, die ihnen ihre Angebote unterbreiten. Auf diese Weise wird dem eCitizen künftig ein nutzerzentrierter und allumfassender Service geboten, der in den meisten
anderen Ländern noch Zukunftsmusik ist.