Im Vorfeld der Landtagswahlen in Nordrhein-Westphalen sorgte die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia für Aufsehen in der Politik- und Medienwelt. Jens Steiner hat Kurt Jansson von Wikimedia zur Möglichkeit des Einsatzes der Enzyklopädie als Wahlkampfinstru-ment befragt.

Die Lexikon-Einträge zum CDU-Politiker
Jürgen Rüttgers und zum sozialdemokratischen Ministerpräsidenten von NRW,
Peer Steinbrück wurden im NRW-Wahlkampf von einem anonymen User verändert. Dabei sollen unvorteilhafte Informationen über den Spitzenkandidaten der CDU für die nordrhein-westfälische Landtagswahl vom 22. Mai 2005 gelöscht worden sein. Die Ehrenämter Steinbrücks wurden als Nebentätigkeiten betitelt.

Im Mittelpunkt der Schlagzeilen stand ein christlich-fundamentalisti-sches Rüttgers-
Zitat aus der N24-Sendung „Studio Friedman“, welches im Wikipedia-Eintrag ursprünglich erwähnt, dann aber entfernt wurde: “Ich bin Katholik und glaube, dass unser christliches Menschenbild das richtige ist und nicht vergleichbar mit den anderen Menschenbildern, die es anderswo auf der Welt gibt.” Auf Nachfrage des Moderatoren ergänzte er: “Ich glaube, dass es das richtige ist – wenn sie wollen, auch überlegen.”

Bei Wikipedia kann man als anonymer Autor Artikel verfassen. Die IP-Adressen und die vorgenommenen Änderungen werden jedoch archiviert. Die Veränderungen der Artikel führten zu langen Diskussionen auf diversen
Weblogs und innerhalb der
Wikipedia-Community. Nicht das Sperren der Editierfunktion bestimmter Einträge, sondern ein verstärktes Monitoring der Seiten in der Wahlkampfzeit erschien den meisten Usern als vernünftigste Lösung.

Bei
Wikimedia, dem Betreiberverein des freien Online-Nachschlage-werks, steht man solchen Vorfällen entspannt gegenüber. Änderungen an Artikeln führen in jedem Fall zu ihrer Überprüfung und Weiterentwicklung durch Teile der Community. Dadurch ist Wikipedia als PR- und Wahlkampf-Tool unbrauchbar.

„Das kommt immer wieder vor. Wir können niemanden zur Neutralität zwingen“, sagt Kurt Jannson von Wikimedia Deutschland gegenüber politik-digital.de. „Die verschiedenen Standpunkte, die dort aufeinander prallen, sollen zu einem neutraleren Artikel führen. In dem Fall wird sich die Person mit dieser IP-Adresse ärgern, dass sie mit den Änderungen gemau das Gegenteil erreicht hat. Das Projekt Wikipedia hat sich bewährt.“, ergänzt Jannson.

Firmen hätten schon oft versucht, Artikel über sich selbst oder ihre Produkten zu verfassen. „Die Wikipedia-Gemeinde steuert in solchen Fällen gegen. “Das Korrektiv der Communiy funktioniert sehr gut.“

Probleme im Vorfeld der Bundestagswahl schliesst Kurt Jannson aus. Politiker und deren PR-Berater hätten sicher daraus gelernt. Sie würden sich in Zukunft davor hüten, unabhängige Projekte wie Wikipedia zur eigenen PR und zur Diskreditierung politischer Gegner zu nutzen.

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