Seit sieben Jahren wird der russische Telefonverkehr und das russische Internet (RUNET) vom Inlandsgeheimdienst FSB überwacht. Als Pendant zu den europäischen und amerikanischen Projekten Enfopol und Echelon wurden die Monitoring-Systeme SORM 1 und SORM 2 geschaffen. Dabei bewegte sich der FSB bisher in einer rechtlichen Grauzone. Nun sollen die juristischen Grundlagen dafür geschaffen werden. Dann könnten gespeicherte Daten auch als Beweismittel vor Gericht verwendet werden.
Bei einer Sitzung des Runden Tisches zur Telekommunikations- und Internet- Gesetzgebung kam es kürzlich zum Streit zwischen dem Vertreter des Inlandsgeheimdienstes FSB, Dmitri Frolow und Alexander Parschukow, dem Pressesekretär des Ministeriums für Informationstechnologie und Fernmeldewesen. Parschukow lehnte eine Ausweitung der Kontrolle des Internets ab. Die Verantwortung der Provider für den Inhalt der bei ihnen gehosteten Seiten sei ausreichend.
Dmitri Frolow vom FSB betonte, dass das Internet eine Gefahr für den russischen Staat darstellen würde. Dabei bezog er sich auf die politischen Umschwünge in der Ukraine und in Georgien (14). Um solche Ereignisse in der Russischen Föderation zu vermeiden, müsse man Internet- und Mobilfunk-Provider gesetzlich dazu verpflichten, die Internetaktivität der Nutzer zu erfassen. Er forderte eine Registrierung der Internet-User und die Bereitstellung aller Daten für behördliche Nutzung. Gruppen diverser politischer Orientierungen könnten über das Internet Kräfte gegen die russische Staatsmacht moblisieren, sagte der FSB-Vertreter. Das Internet sei ein Medium zur Verbreitung tendenziöser Informationen und geheimer Dokumente und verletze das Urheberrecht.
Seit sieben Jahren überwacht der russische Inlandsgeheimdienst FSB mit SORM-2 den gesamtem e-mail- und Internet-Verkehr, der über russische Provider läuft. Bisher bewegte sich der Geheimdienst damit in einer juristischen Grauzone.
Damals stellte der FSB die Internetprovider Russlands vor eine bedeutende Entscheidung. Entweder Freiheit des eigenen Geschäfts oder Freiheit des Internets. Im Juli 1998 wurde nach
SORM 1, dem Überwachungssystem für Festnetz- und Mobiltelefone,
SORM 2 eingeführt (10). SORM ist die russische Abkürzung für „System technischer Versorgungsmittel für operative Ermittlungen“ (1). Die Provider wurden schon damals verpflichtet, die über ihre Server übermittelten Informationen jederzeit für den FSB zugänglich zu machen (9). Dies betrifft auch den e-mail-Verkehr. Dafür mussten sie sogenannte Hotlines einrichten, deren Kosten die Anbieter selbst zu tragen hatten.
Ein förmlicher Gerichtsbeschluss zur Telekommunikationsüber-wachung einzelner Personen wurde bald hinfällig. Die Umsetzung wurde vom Ministerium für Telekommunikation und vom Ministerium für staatliche Sicherheit mitgetragen. Das Justizministerium gab am 29. Mai 1999 ebenfalls seine Zustimmung. Jedoch liegt der Hauptschwerpunkt (5) von SORM-2 nicht in der Lieferung von Beweismaterial (4) für kriminelle Handlungen, sondern in der Erweiterung der Kontrollmöglichkeiten (6). Der Beweiswert der SORM-Informationen und die staatsanwaltliche Kontrolle von SORM (12) blieb bisher undefiniert.
1999 reagierten die Provider sehr ungehalten auf diese Maßnahme, denn auch der Einsatz von Kryptographie-Tools ohne FAPSI-Lizenz (15) ist in Russland seit April 1995 verboten. (2) Diese Reaktion regulierte der FSB, indem er unfügsamen Providern mit Schliessung drohte (7)(8). Lediglich die Wolgograder Firma Bayard-Slavia-Communication (11) wagte den Schritt vors Gericht und verklagte den FSB (3).
(1) Sistema techniceskich sredstv obespeceniju operativno-rozysknych meroprijatiej.
http://www.fe.msk.ru/libertarium/eng/sorm/index.html
http://www.privacyinternational.org/survey/phr2003/countries/russianfederation.htm
(2) Ukaz No. 334, April 1995
(3) J. Tracy: Internetprovider Plans To Sue FSB, in:
St. Petersburg Times Nr. 466, 18. Mai 1999.
(4)
Moskovskij Libertarium, K voprosu o SORM (juridiceskye kommentary), 25. Juli 1998, Autor unbekannt,
(5) A. Koreckij: Segodnya, 22. Juli 1999.
(6) Prikazy Minsvjazy Nr. 226 (vom 24. Juni 1992 (13. September 1995, 30. Juni 1998), Nr. 112 vom 13. September 1195 (30. Juni 1996), Nr. 145 vom 30. Dezember 1996 (30. Juni 1998), Pis’mo Minsvjazi Nr. 252-u vom 11. November 1994 (30. Juni 1998), “O Porjadke vnedrenija SORM na VCC RF”, Sovmestnoe res’enie Minsvjazy i Minbezopasnosti RF Nr. 513, Januar 1993 (22. Oktober 1999) “Po ekspluatacionno-tekhnic’eskim trebovaniajam k sredstvam i setjam elektrosvjazy dlja obespec’enija operativno-rozysknych meroprijatik”. Ukaz Prezidenta Nr. 891 vom 1. September 1995, SZRF 14. Juni 1999, N 24, st. 2954.
(7) J. Tracy: FSB Sets Sights On Internet Control, in:
St. Petersburg Times, Nr. 441, 16. Februar 1999. S.1.
(8) O. Judincev: Elektronnij Feliks, ili Budet li cenzura v Internete?, in: Novaja Gazeta, Nr. 15 (583), 1999, Seite 1, Zeile 24
(9) A. Levencuk, in einer Sendung auf Radio Liberty Radio Free Europe, 04. April 2000.
(10) Jens Deppe: Über Pressefreiheit und Zensurverbot in der Russländischen Föderation: Eine Untersuchung über die gesetzliche und tatsächliche Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Freiheitsgarantie.
(11)
http://www.sptimes.ru/archive/times/466/internet.htm ;
http://www.chiark.greenend.org.uk/pipermail/ukcrypto/1999-May/004471.html
http://jedi.kosnet.ru/sorm/
(12)
http://www.hro.org/docs/reps/privacy/2002/eng/sss.htm
(13)
http://www.fas.org/irp/news/1998/07/
(14) „Sicherheitsdienst FSB für stärkere Kontrolle des Internet“, Wostok Newsletter 03.2005
(15)
FAPSI ist die Föderale Behörde für Regierungskommunikation und Information der Russischen Föderation
Dieser Text kann unter Nennung der Quelle weiter verwertet werden.