Nicht nur Referenden in der Schweiz, Kommunalwahlen in Estland oder Wahlen zum Europaparlament in den Niederlanden werden mittlerweile über das Internet abgebildet, auch in Deutschland schreitet die eVoting Bewegung voran – nur nicht alle schreiten mit.
eVoting meint gemeinhin nicht etwa nur elektronische Auszählverfahren oder den Einsatz elektronischer Wahlgeräte, sondern vielmehr auch die elektronische Stimmabgabe über das Intranet oder Internet. Vielfach diskutiert, dennoch selten ausprobiert, ist Deutschland im Vergleich zu den anderen EU-Staaten in diesem Verfahren augenscheinlich ein wenig hinterher. Nachdem die Schweiz mit zahlreichen Wahltests und
Pilotwahlen den Weg für eVoting pflasterte, zogen auch andere Länder mit ersten Gehversuchen auf diesem Gebiet jenseits nicht vernetzter elektronischer Wahlmaschinen nach.
In den Niederlanden fand im Juni 2004 eine Remotewahl zu den Wahlen des Europäischen Parlamentes statt. Über 5.000 im Ausland lebende holländische Wähler konnten via Internet ihre Stimme auf elektronischem Wege abgeben. Auch in Spanien konnten erste kleine, aber rechtsverbindliche Wahlen durchgeführt werden, so zum Beispiel die katalanischen Gewerkschaftswahlen im Jahr 2003. Jüngstes Ereignis sind die
Kommunalwahlen in Estland, die am 16.Oktober 2005 stattfanden und zum ersten Mal die Möglichkeiten einer Stimmbeteilung per Internet boten. Als Wahlbeobachter vor Ort wurde einem sehr schnell klar gemacht, dass diese technische Innovation größtenteils nur durch die nahezu flächendeckende Ausbreitung der ID-Card mit enthaltender elektronischer Signatur, die als sicheres Authentifizierungsmittel den elektronischen Wahlprozess vereinfachte, möglich geworden ist.
Was passiert nun in Deutschland? Entgegen der landläufigen Meinung, Deutschland sei diesbezüglich gar nicht sichtbar, gibt es auch hier ernstzunehmende Bewegungen in Richtung eVoting. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit fördert seit einigen Jahren das
Forschungsprojekt W.I.E.N. (Wählen in elektronischen Netzwerken), das seit Beginn dieses Jahres in den alleinigen Händen der T-Systems liegt und sich mit der Machbarkeit und Durchführung von elektronischen Wahlen im nicht-parlamentarischen Raum beschäftigt. Dabei wird neben der Option, von vernetzten Wahllokalen zu wählen, auch das Intranet- bzw. Internetvoting außerhalb von Wahllokalen untersucht.
In diesem Zusammenhang hat es bereits erste rechtskräftige Testwahlen gegeben: Wahlen in Vereinen und Verbänden, Personalratswahlen oder die jüngst durchgeführte außerordentliche
Betriebsratswahl bei T-Systems in der Region Nordbayern. Premiere war hier die Stimmabgabe vom Arbeitsplatz PC über das firmeneigene Intranet. Dabei gab es weder technische noch ergonomische Probleme. Im Gegenteil: Wähler, Wahlvorstand, Gewerkschaften, Betriebsrat und die Geschäftsführung lobten das unkomplizierte und Kosten sparende Wahlverfahren. Die Wahl wurde nicht innerhalb der Anfechtungsfrist angefochten, womit die gewählten Betriebsräte fest bestimmt sind. Zuvor hatte T-Systems bereits 2002 ihre Betriebsräte online aus vernetzten Wahllokalen bestimmen lassen. Weitere Wahlprojekte sind im Frühjahr zu den turnusmäßig alle vier Jahre stattfindenden Personal- und Betriebsratswahlen in Planung.
Auch andere Firmen haben das eVoting in Deutschland vorangetrieben: So gab es zahlreiche Wahlen in Vereinen und Verbänden, die sich elektronischer Wahlsysteme bedienten: die
Vorstandswahl der Gesellschaft für Informatik im Jahr 2004, Wahlen beim Verein „Digitale Brücke“ oder die Wahlen zum Vorstand bei der
Initiative D21 e.V. im Dezember 2003.
Die technische Umsetzung sicherer und vertrauenswürdiger Wahlsysteme ist also schon lange kein Mysterium mehr und soll in naher Zukunft mit ersten Zertifizierungen nach den Common Criteria belegt werden. Die Einbindung sicherer kryptologischer Verfahren sichert die Umsetzung der gesetzlich manifestierten Wahlrechtsgrundsätze unter besonderer Berücksichtigung der Trennung von Votum und Identität.
Der Grund, warum eine derart effiziente und wirtschaftliche eGovernment Anwendung dennoch in den Regalen zu verstauben droht, liegt ganz woanders: Bislang sind aus rechtlicher Sicht lediglich Vereine und Verbände aufgrund ihrer flexiblen Verfassung und fehlender gesetzlicher Wahlordnungen in der Lage, Onlinewahlen von Anfang an rechtswirksam durchzuführen. Alle anderen in Wahlordnungen gesetzlich geregelten Wahlen, selbst Wahlen, die sich fernab von Kommunal-, Landtags- oder Bundestagswahlen bewegen, wie beispielsweise Betriebs- und Personalratswahlen, sehen bis dato den Einsatz elektronischer Wahlverfahren noch nicht vor. Eine inkrementelle Vorgehensweise durch den Einsatz von eVoting bei nicht-parlamentarischen Wahlen erscheint als ideale erste Bewährungsprobe für Onlinewahlen, die später im parlamentarischen Raum ausgebaut werden könnte. Bestehen trotz nachweisbarer Sicherheit selbst an dieser Stelle keine gesetzlichen Grundlagen, ist Stagnation das Ergebnis. Hier befindet sich Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern tatsächlich auf den letzten Rängen. Ohne ein Verständnis für das Potential von eVoting und die Schaffung einer dementsprechenden gesetzlichen Basis geht diesem Land ein wichtiger Innovations- und vor allem Reputationsfaktor verloren.
Die Autoren Sonja Weddeling und Klaus Diehl sind Mitarbeiter des Projektes Onlinewahlen bei der T-Systems International GmbH.
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