Wer wird Nachfolger von Johannes Rau? Gesine Schwan und Horst Köhler werben auch im Internet für sich. Dabei gibt es große Unterschiede im Konzept und in der Darstellung. Aber scharfe Töne vermeiden beide. (Von Ulrich Stern und Clemens Lerche)

Der aktuelle „Wahlkampf“ um das Amt des Bundespräsidenten wird das Ergebnis am 23. Mai in der Bundesversammlung kaum beeinflussen. Denn die Wahl Horst Köhlers, dem Kandidat von CDU/CSU und FDP, steht bei der aktuellen Zusammensetzung der Bundesversammlung aller Voraussicht nach fest. Oder wusste die „Bild“-Zeitung es wieder als erste, als sie berichtete, dass Köhler in der Bundesversammlung wegen des Verhaltens einiger CSU-Wahlmänner möglicherweise eine Zitterpartie bevorstehe?

Werbung tut Not

Andererseits eignet sich das Medieninteresse an der Präsidentenkür im Superwahljahr 2004 zur Selbstdarstellung und Profilierung der Parteien. Niemand hätte dies nötiger als die SPD-Führung, die angesichts schmerzhafter Reformen bei eigener Basis und Wahlvolk nicht gerade beliebt ist. Aber auch das Hickhack um die Nomierung Horst Köhlers seitens Union und FDP hat negative Schlagzeilen produziert.

Und so sind denn auch Politologie-Professorin Gesine Schwan, die für Rot-Grün ins Rennen geht, und Finanzexperte Horst Köhler seit ihrer Nominierung auf Werbetour, geben Interviews zu Gott und der Welt, Privatem wie Politischem. Wie nutzen nun die beiden Kandidaten das Internet?

Homepage Gesine Schwan





Ein großes Bild und ein großer Schriftzug ihres Namens bilden auf allen Seiten den Rahmen der
Site. Dazu kommt am linken oberen Rand eine schmale, langgezogene Deutschlandfahne. Dieses grafische Element ist ein Zitat der SPD-Designer. Zitiert wird das bekannte „Adler“-Logo der Regierung sowie des virtuellen Amtssitzes von Johannes Rau. Soll dadurch die Site und die Kandidatin präsidiabel erscheinen? „Das Design macht deutlich, um welches Amt es geht und welche Parteien die Kandidatur unterstützen“, sagt Franz-Josef Lersch-Mense, Beauftragter des SPD-Parteivorstands für die Betreuung der Kandidatur von Prof. Dr. Gesine Schwan. Zweifelhaft ist, ob durch die oliv-grüne Farbwahl der Besucher erkennt, dass die Internetsite ein Mix aus Rot und Grün sein soll. Das Rot der SPD dominiert.

Konzept des Internetauftritts

Schnell wird klar, dass die bis dato unbekannte Person im Mittelpunkt des Internetauftritts steht. Klickt man auf „Vita“, gemeint ist Lebenslauf, erhält man in erster Linie Informationen zur wissenschaftlichen Karriere der amtierenden Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, z.B. dass sie in jungen Jahren über Marx geforscht hat und zur Zeit zur politischen Psychologie und politischen Kultur arbeitet. Das zeigt die politische Kompetenz der Kandidatin. Zahlreiche downloadbare Fotos im einheitlichen Look der Kandidatin – rotes Jacket – garniert mit kurzen Zitaten wie „Ich bin gerne eine Frau“ dienen der Imagebildung. Stehts lächelt sie die Besucher freundlich an, das Bild prägt sich ein. Der umfangreiche Pressebereich zeigt, dass eine Haupt-Zielgruppe Journalisten sind. Den „Call-Back-Service“ gibt es nur für diese. Daher ist es auch kein Wunder, dass ein Kontaktformular das einzige „interaktive“ Angebot der Site ist. Eigene Inhalte sind kompakt gehalten. Aktuell wird gemeldet, laut einer Umfrage würde Schwan bei einer Direktwahl vor Köhler in der Gunst der Bürger liegen. Ironie am Rande, dass Frau Schwan aus guten Gründen gegen eine solche Direktwahl ist (siehe
Chat-Interview). Die Auseinandersetzung um politische Positionen wird in die Medien ausgelagert. Die Website vertraut mehr auf Presseinterviews, die im Pressebereich eingestellt sind. „Scharfe Töne sind bei der Bewerbung um das höchste Amt im Staat unangebracht. Das gilt nicht nur für den Internetauftritt“, sagt Lersch-Mense.

Sonderseite Horst Köhler





In Verantwortung der CDU Deutschland präsentiert sich Horst Köhler auf einer „
Sonderseite“ im Internet. Im Vergleich zur Schwan-Site ist Köhlers Netzpräsens farblich schlicht gehalten, ganz im Stil eines Finanzexperten im seriösen Grau – nur die Nadelstreifen fehlen. Die neue CDU-Farbe Orange fehlt: „Das Design ist nicht im CI (Corporate Identity, Anm. d.Red.) der CDU, da Herr Köhler gemeinsamer Kandidat von CDU, CSU und FDP ist“, sagt Stefan Hennewig, stellvertretender Leiter Bereich Marketing und Interne Kommunikation der CDU.

Mehr Text – weniger Bilder

Auch wenn Köhler wie Schwan bisher nur Eingeweihten bekannt war, ein Foto muss ausreichen. Der Internetauftritt ist stärker textbasiert und im Vergleich zur Schwan-Site deutlich weniger visuell ausgerichtet: „Es soll keine bunte Werbe- oder Wahlkampf-Seite sein“, erklärt Hennewig.

Die Menüpunkte suggerieren „Positionen“ und „Meinungen“. Die CDU arbeitet auch stark mit Presseinterviews etablierter Medien zur Darstellung der Positionen Köhlers. Unter „Meinungen“ werden dann geeignete Zitate präsentiert, die die Kompetenz und Zustimmung zur Person unterstreichen sollen. Außerdem erklärt sie den Ablauf der Wahl des Bundespräsidenten, und warum die Zusammensetzung der 12. Bundesversammlung die Wahl Horst Köhlers so sicher macht. Aber strittige Aussagen wie das Bekenntnis zu Angela Merkel als Kanzlerkandidatin oder die Kritik an den USA fehlen. Kein Pressebereich und kein interaktives Element zeigen, dass die Zielgruppe nicht Journalisten und kommunikationssüchtige Bürger sind. Das Internet via E-Mail ermögliche eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Büro von Herrn Köhler, sagt die CDU.

Wahlkampf oder nicht

Während Schwan durch Bildsprache und direkte Anrede die Besucher persönlich anspricht, verzichtet die CDU auf eine direkte Ansprache. Die Köhler-Site ist von der CDU mehr für und über Köhler gemacht, er als Person wirkt abwesend. „Respektabel, präsentabel, präsidiabel!“, heißt der Slogan.

Trotz Slogan: „Es handelt sich hier um keinen Wahlkampf. Entsprechend gibt es auch keine Wahlkampfseite“, sagt Hennewig für die CDU. Dem schließt sich ausnahmsweise die SPD an.

Erschienen am 18.05.2004

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