Moderates Wachstum und offene Wachstumspotenziale

Folgt nach dem Boom das Ende der digitalen Spaltung? Im Herbst 2005 sind rund 58% der Deutschen ab 14 Jahren online. Insbesondere die internetfernen Bevölkerungsgruppen holen auf. Weblogs finden entgegen der öffentlichen Wahrnehmung nur geringe Verbreitung. Zu diesen Ergebnissen kommt die ARD/ZDF Online-Studie 2005.

Verschiedene Studienreihen untersuchen die Entwicklung der Internetnutzung in Deutschland. Seit 1997 ermittelt auch die ARD/ZDF Online-Studie ihre quantitativen und qualitativen Trends. Gestaffelt nach soziodemografischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht und Bildungsstand durchleuchtet die Studie das Nutzungsverhalten der Deutschen im Netz. Auf Grundlage von Repräsentativbefragungen unter Onlinern und Offlinern zeichnet die ARD/ZDF Online-Studie Internetbiografien verschiedener Nutzergruppen nach und fasst zukünftige Entwicklungen prognostisch ins Auge. Ergänzt wird sie durch die ARD/ZDF-Offline-Studie, die nach den Motiven und Gründen der Internet-Abstinenz forscht.

Moderates Wachstum und offene Wachstumspotenziale

Nach dem Boom zur Jahrtausendwende findet das Internet in Deutschland noch immer eine stetige, aber deutlich verlangsamte Verbreitung. Die Zuwachsrate stagniert laut ARD/ZDF Online-Studie

im Jahr 2005 bei rund 5%. Damit ist die Zahl aller Internetnutzer in Deutschland, einschließlich derer, die sich nur sporadisch im World Wide Web bewegen, auf 37,5 Mio. Bundesbürger angestiegen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung beträgt 57,9%. Nahezu deckungsgleich bewegt sich der Anteil der Onliner, die mindestens einmal im Monat auf das Internet zugreifen, bei 56,7%. Damit nutzen 2005 rund 36,7 Mio. Bundesbürger das Internet regelmäßig. Die Annäherung beider Kennwerte kann laut Birgit van Eimeren, Leiterin der ARD/ZDF-Projektgruppe Multimedia, als ein Indiz für die höhere Nutzungsintensität des Internets gewertet werden. Die höchsten Zuwachsraten registrieren die Autoren der Studie dabei erstmals in bisher eher online-abstinenten Gruppen. Insbesondere die Altersgruppe der ab 50-jährigen holte im Jahr 2005 deutlich auf. Als homologen Befund weist die Studie ein ebenso relativ starkes Wachstum bei den Bevölkerungsgruppen mit formal niedrigen und mittleren Bildungsabschlüssen nach. Trotz dieser positiven Entwicklung bleibt ein niedriger formaler Bildungsgrad ein wesentliches Hemmnis in der weiteren Verbreitung des Internets. Diese Trends und Auffassungen der ARD/ZDF Online-Studie 2005 werden durch die Autoren des (N)Onliner Atlas 2005 (tns emnid, Initiative D21) und der Forschungsgruppe Wahlen bestätigt, die in ihren Untersuchungen zur Internetnutzung zu ähnlichen Ergebnissen kommen.

Schließung digitaler Spalten und offene Wachstumspotentiale

Als generellen Trend legt die ARD/ZDF Online-Studie 2005 den Schluss nahe, dass die digitalen Spalten der Wissensgesellschaft zunehmend geschlossen werden. Nach Auffassung von Birgit von Eimeren, , sind Alter und Bildung immer weniger bestimmend für die gesellschaftliche Teilhabe am Internet. Der Befund einer Schließung der digitalen Spalten korreliert mit der stetigen Angleichung der Internetverbreitung zwischen Ost und West. Demnach sind nunmehr rund 55% der Bevölkerung in den neuen Bundesländern online, gegenüber 58,7% in Westdeutschland. Die Vergleichszahlen für 2003 hatten noch ein Gefälle zwischen Ost und West von über 10% registriert. Auch zwischen den Geschlechtern ist ein Trend zur Egalisierung der Internetnutzung festzumachen. Laut Studie haben sich die Anteile der männlichen und weiblichen Onliner in den nutzungsstarken Altersgruppen der unter 40-jährigen bereits angeglichen. Betrachtet man die Internetverbreitung bei Frauen und Männern jedoch unabhängig von der Altersvariable, so bleiben die feinen Unterschiede zwischen den Geschlechtern markant. Während im Jahr 2005 67,5% der deutschen Männer online sind, sind noch immer über 50% der Frauen von der Teilhabe am Internet ausgeschlossen. Insbesondere bei Frauen über 50 Jahren ist das Internet folglich kaum verbreitet. Hier sehen die Autoren der Studie

das größte offene Wachstumspotential.

Trends des Nutzungsverhaltens

Als Gründe für die gestiegene Internetverbreitung gerade in den bisherigen Randgruppen der Internetgemeinschaft können laut ARD/ZDF Online-Studie die wachsende Bedeutung und Anerkennung des Internets als zentrales Informations- und Kommunikationsmedium, sowie die gesunkenen Kosten für Hardware und Onlinenutzung und das vereinfachte technische Handling geltend gemacht werden. Das Nutzungsverhalten der Onliner zeigt dabei an, dass das Internet weiterhin primär als Kommunikations- und Informationsplattform genutzt wird. Dabei hat sich nach Ansicht der Autoren das Anwendungsspektrum stärker differenziert. Insbesondere Onliner mit noch relativ junger Internetbiografie nutzen das Internet verstärkt zum eShopping, das sich als laut Studie als dritte Säule der Internetnutzung etabliert hat. Dabei werden die Möglichkeiten, die das Internet bietet, deutlich intensiver als noch in den Vorjahren genutzt. Täglich decken laut Studie rund 12% aller Internetnutzer ihren Informationsbedarf gezielt im World Wide Web, und sogar 40% aller Onliner rufen täglich ihre E-Mails ab. Der Trend zu einer höheren Nutzungsintensität des Internets gilt unabhängig von den verschiedenen Nutzungsformen für alle Routinen im Netz.


Die Offliner: Grenzen des Wachstums

Entgegen der stetigen Wachstumsraten kann aber eine flächendeckende Integration des Internets in den Alltag der Bundesbürger, wie es bei den klassischen Informations- und Unterhaltungsmedien Fernsehen und Radio der Fall ist, nicht konstatiert werden. Die ARD/ZDF Offline-Studie zeigt, dass noch immer 27,2 Millionen Bundesbürger das Internet nicht nutzen. Die größte Gruppe der Offliner stellen demnach jene, die dem Internet desinteressiert oder ablehnend gegenüberstehen. Diese Gruppe der Internetverweigerer setzt sich zu 77% aus Rentnern zusammen und weist einen ebenso hohen Frauenanteil aus. Diese Gruppe der Internetverweigerer wird nach Ansicht der Autoren relativ konstant bleiben, so dass davon auszugehen ist, dass auch in Zukunft rund 25% der Gesamtbevölkerung nicht an der Informations- und Kommunikationsplattform Internet partizipieren werden. Hier liegen laut Studie die vorläufig definitiven Grenzen der Internetverbreitung in Deutschland. Für das nächste Jahr prognostizieren die Autoren erst einmal eine gleich bleibende Wachstumsrate von 4-5%.

Weblogs: Nutzung verbleibt im Dunkeln

Noch keine Berücksichtigung in den diesjährigen Studien zur Internetnutzung in Deutschland fand das öffentlich virulente Thema privater und politischer Weblogs. Dennoch liegen erste Informationen über ihre Nutzung bereits vor. Nach Birgit van Eimeren ergaben die Pre-Tests der ARD/ZDF Online-Studie, dass Weblogs entgegen der öffentlichen Wahrnehmung nur geringe Verbreitung finden. Erhellendes ist für 2006 zu erwarten. Dann soll die Nutzung der Weblogs über das Stadium der Pre-Tests hinaus in die ARD/ZDF Online-Studie aufgenommen werden.


Links:

(N)Onliner Atlas 2005 (pdf-Pressemitteilung)

ARD/ZDF Online-Studie: Nach dem Bomm: Größter

Zuwachs bei internetfernen Gruppen (pdf)

ARD/ZDF Offline-Studie: Offliner: Zwischen interessierter

Annäherung und bewusster Distanz zum Internet (pdf)

Forschungsgruppe Wahlen (pdf)