(Studie, 2. November 2006) Nach den nationalen eGovernment-Programmen steht jetzt auch der europaweite Vergleich der eGovernment-Angebote im Fokus einer Studie. Die Ergebnisse sind überraschend, denn gerade die neuen EU-Staaten haben beim eGovernment stark zugelegt.
Je kleiner das Land, desto besser. Zumindest für die Fortschritte in Sachen eGovernment. Das zeigt die aktuelle
Studie “Die Online-Verfügbarkeit von Dienstleistungen der Öffentlichen Hand” der Unternehmensberatung CapGemini Deutschland, die im Auftrag der europäischen Kommission den Zustand und Fortschritt von eGovernment in 28 europäischen Ländern analysiert hat. Die erste Untersuchung dieser Art gab es bereits 2001, dieses Mal haben die Macher nicht nur die EU-Staaten im Blick sondern auch Norwegen, Island und die Schweiz.
eGovernment in Europa insgesamt auf dem Vormarsch
Ein positives Ergebnis der Studie ist, dass die grundsätzliche Verfügbarkeit öffentlicher Dienste abermals gestiegen ist. Von 12.590 untersuchten Anbietern haben mittlerweile 92 Prozent eine eigene Website. Dass der Anstieg „nur acht Prozent“ (EU-Zehn: sechs Prozent) im Vergleich zur vorangegangenen Untersuchung ausmacht und damit geringer ausfällt als in den Jahren zuvor, überrascht mit Blick auf das erreichte Niveau. Die Studie stellt aber auch fest, dass es Fortschritte im Bereich der Online-Erreichbarkeit gibt. Im Schnitt sind 75 Prozent online erreichbar – also zehn Prozent mehr als bei der letzten Untersuchung. Bei den zehn neuen EU-Mitgliedstaaten Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien, Ungarn sowie Malta und Zypern (EU-Zehn) sind es aktuell allerdings nur 69 Prozent. Aber sie holen auf, so scheint es, denn hinsichtlich der Dynamik liegen die EU-Zehn mit weit vor den 15 Mitgliedstaaten, die bis zum 30. April 2004 die EU bildeten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien und das Vereinigte Königreich (U 15). Im Gesamtranking zeigt sich, dass Österreich, Malta und Estland die größten Fortschritte gemacht haben. Diese drei Länder verfügen auch über den höchsten Prozentsatz an Diensten, die komplett online zur Verfügung stehen.
Das Augenmerk der Studie lag auf vier Kernbereichen: Steuer und Beitragszahlungen von Bürgern und Unternehmen an die Verwaltung, entsprechende (Rück-)Zahlungen der Verwaltungen, Registrierung von Personen und Objekten, etwa wenn sich jemand in einer Gemeinde an- oder abmeldet, sowie das Ausstellen von Genehmigungen und Lizenzen, wie beispielsweise im Falle eines Bauvorhabens nötig.
Die Macher haben die untersuchten Staaten unter zwei Gesichtspunkten unter die Lupe genommen: Es ging ihnen einerseits um die Onlineverfügbarkeit des Öffentlichen Dienstes in den jeweiligen Ländern und andererseits darum, in wievielen Ländern der Öffentliche Dienst vollständig online verfügbar ist. Die Unternehmensberatung hat vier Stufen definiert, die den Grad der Online-Verfügbarkeit beschreiben. Der entsprechende Entwicklungsgrad der eGovernment-Angebote wird so sichtbar. Die niedrigste Stufe stellt die reine Information via Internet dar, gefolgt von der „One-Way-Interaction“, durch die die Nutzer zwar zum Beispiel die Möglichkeit haben, Formulare im Netz einzusehen und auszudrucken, diese jedoch der öffentlichen Stelle auf herkömmlichem Wege zurückschicken müssen. Dieser Schritt entfällt auf der dritten Ebene, der „Two-Way Interaction“: Empfangen und zurücksenden sind gleichermaßen auf elektronischem Wege möglich. Die höchste Ebene des eGovernment ist für CapGemini schließlich die „Transaktion“, das heißt: Der gesamte Geschäftsvorgang zwischen Verwaltung und Bürgern oder Unternehmen kann über das Internet oder sogar über das Internet in Verbindung mit anderen multimedialen Technologien abgewickelt werden. Keine Berücksichtigung findet in dieser Studie die Ebene der Kommunikation, die gelegentlich in anderen Untersuchungen über eGovernment hinzugezogen wird, wie etwa die Möglichkeit, via Email Kontakt mit der Behörde aufzunehmen und Informationen auszutauschen. Zur Kategorie „Öffentliche Diensten mit vollständiger Onlineverfügbarkeit“ gehören für CapGemini nur solche Transaktionsebene erreicht haben. Alle übrigen Onlinedienste fallen in die Kategorie „keine volle Erreichbarkeit“. Diese Unterscheidung ist aus zwei Gründen sinnvoll: Zum einen misst die Untersuchung, wie viele öffentliche Dienste aus den festgelegten 20 Bereichen überhaupt online zur Verfügung stehen. Zum anderen wird aber auch gefragt, bis zu welchem Grad tatsächliche Transaktionen Realität sind. Als weiterer Maßstab wird schließlich die Entwicklung der Vernetzung verschiedener öffentlicher Dienste dokumentiert.
Ziel: Herstellung von Öffentlichkeit
Die EU-Kommission hat in der Vergangenheit auf unterschiedliche Arten versucht, die Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in Europa zu unterstützen und zu forcieren. Jüngstes Beispiel: die
Initiative i2010. Ein wesentliches Ziel dieser Strategien war von Anfang an, die Bürgerbeteiligung via Internet zu fördern und IKT für alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen zugänglich zu machen. Die Crux ist in diesem Zusammenhang – wie in anderen Politikfeldern auch –, dass die Vorschläge und Strategien der Kommission von den einzelnen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden müssen. Um die Verbindlichkeit ist es diesbezüglich nicht gut bestellt. Es scheint daher ratsam, die Fortschritte in den einzelnen Staaten zu dokumentieren. So kann sich die Öffentlichkeit ein Bild machen und gegebenenfalls Druck auf die politischen Entscheidungsträger ausüben. Vor diesem Hintergrund erscheinen folgende Untersuchungsgegenstände der Studie besonders bedeutend: Wie schnell und umfassend schreiten die einzelnen Mitgliedstaaten bei der Implementierung von eGovernment-Projekten voran? Wie steht es um die Partizipationsmöglichkeiten der Bürger, etwa im Vergleich zu denen von Unternehmen? Die Bürgerbeteiligung über das Netz endet schließlich nicht im Bereich der eAdministration. ePartizipation schließt neben der elektronischen Abfertigung von Geschäftsvorgängen etliche weitere Bereiche zwischen Bürgern und Behörden ein.
Neue Mitgliedsstaaten auf der Überholspur
Dass sich die neuen EU-Mitgliedsländer auf der Überholspur befinden, zeigt sich genauso deutlich im eGovernment-Ranking der Studie. Ganz vorne dabei: Malta und Estland, egal ob in der Kategorie „Verfügbarkeit“ oder „Volle Verfügbarkeit“ – der zweite oder dritte Platz ist ihnen sicher. Auch Ungarn mischt ganz vorne mit. Laut Studie zeigt das Beispiel Malta, dass gerade kleinere geografische Einheiten im Bereich des eGovernment rasante Fortschritte machen können, wenn die Regierung die Initiative ergreift. Für die Bundesrepublik Deutschland stellt die föderalistische Struktur hingegen einen Nachteil dar. So verzeichnet die Untersuchung zwar ein Anwachsen der Indikatoren für eGov, das Gesamtpotenzial wird jedoch durch die besondere staatliche Struktur Deutschlands nicht voll ausgeschöpft.
Unternehmen gegenüber Bürgern im Vorteil
Die Studie offenbart einen weiteren Unterschied: die Qualität von eGovernment-Angeboten für Unternehmen ist besser als das für Bürger. Für Unternehmen ist längst „Two-Way-Interaction“ die Regel, von diesem Service-Niveau können die Bürger nur träumen. Beim Stichwort „Volle Verfügbarkeit“ von öffentlichen Diensten sieht es nicht anders aus: Lediglich ein Drittel dieser Dienste stehen für Privatpersonen zur Verfügung. Für die Unternehmen machen die Behörden drei Mal so viel.