Die Informationsinfrastruktur hat eine schlechte Ökobilanz: Energieverluste durch leerlaufende Geräte und ein hohes Aufkommen von Elektroschrott tragen dazu bei. Doch sie eröffnet auch Nachhaltigkeitschancen: Neue Technologien stärken die Konsumenten und fördern Transparenz und Koordinationsmöglichkeiten.
Der rasante Bedeutungszuwachs von Information und Kommunikation einschließlich der Techniken zu ihrer Verbreitung, Verarbeitung und Speicherung ist unübersehbar und wird unter dem Begriff „Informationsgesellschaft“ zusammengefasst. Bereits heute ist die Informationswirtschaft von den Beschäftigtenzahlen her der drittstärkste Sektor in Deutschland. Weltweit werden mittlerweile mehr PCs als TV-Geräte verkauft. Über die Kernprodukte PC und Telefon hinaus dringen die Informations- und Kommunikationstechniken nicht nur in immer mehr industrielle Anwendungsfelder vor, auch viele Konsumgüter werden durch Prozessoren immer „intelligenter“. Dieses illustrieren die Rechenleistung, die in PKWs steckt ebenso wie der Kühlschrank, der selbständig Bestellungen für Milch auslöst oder die auf der internationalen Funkausstellung 2001 gezeigte Mikrowelle mit Internet-Zugang.
Zwar scheinen sich die Erwartungen an die weitere Entwicklung erst einmal nach der Goldgräberstimmung der letzten Jahre zu dämpfen und sich auf ein realistisches Niveau eingependelt zu haben. Unabhängig davon, wie schnell und in welchem Maße sich multimediale Produkte und Dienstleistungen durchsetzen werden, ist eines deutlich: die Basistrends zur Tertiarisierung (Verlagerung vom Produktions- zum Dienstleistungssektor) und Quartarisierung (Verlagerung von traditionellen Dienstleistungsbereichen zur Informations- und Wissensproduktion) sind ungebrochen.
Wenig wurde bisher über das Spannungsverhältnis von „Information Society“ und „Sustainable Society“ nachgedacht, obwohl der Einsatz von IKT bestehende Raum-, Zeit-, Informations- und Entscheidungsstrukturen, das gesellschaftliche Zusammenleben und damit letztlich auch den Ressourcenverbrauch tiefgreifend verändert. Das Zukunftsbild der „Nachhaltigen Gesellschaft“ steht der Vorstellung einer Informationsgesellschaft weitgehend unvermittelt und unverbunden gegenüber. Die Idee der nachhaltigen Entwicklung beruht in erster Linie auf der Erkenntnis, dass ein permanentes Wirtschaftswachstum, das mit einem ebenso ständigen Wachsen der Stoff- und Energieströme verbunden ist, nicht zukunftsfähig ist. Insbesondere wenn dieses Muster auf die Entwicklung der Schwellen- und Entwicklungsländer übertragen werden soll, wird die Tragekapazität der Erde schnell überschritten.
Die Herausforderung besteht darin, das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung mit den Innovationen zur Informationsgesellschaft miteinander zu verknüpfen. Hierzu gibt es grundsätzlich zwei, sich gegenseitige ergänzende Zugänge: Einerseits die Verbesserung der Ökobilanz der Hardware, andererseits die intelligente Anwendung der Informations- und Kommunikationstechniken.
Ökobilanz der Informationsinfrastruktur
Der Nutzer nimmt neben den materiellen Eigenschaften der Hardware allenfalls den Stromverbrauch war. Allein auf das Internet entfällt gegenwärtig ein Stromverbrauch von 0,8 Prozent. Dieser Anteil am Gesamtstromverbrauch könnte sich unter der Annahme heutiger Technologien und Energieeffizienz verachtfachen auf über 6 Prozent im Jahr 2010, was rund 35 TWh entspräche. Eine besondere Problematik stellen die Leerlaufverluste der technischen Geräte dar, da beachtliche Energiemengen vergeudet werden. Die Leerlaufverluste der Informations- und Kommunikationsgeräte in Deutschland betragen nach einer Schätzung des Umweltbundesamtes rund 8 TWh pro Jahr. Nimmt man noch die Unterhaltungsgeräte (TV-, Video- und Audio-Geräte) hinzu, so erhält man Leerlaufverluste von jährlich 16,1 TWh. Dies ist fast soviel Strom wie die Bundeshauptstadt Berlin pro Jahr benötigt bzw. mehr als zwei 1 Gigawatt-Kraftwerke jährlich einspeisen. Rund 1,5 Prozent des Kohlendioxidausstoßes in Deutschland geht allein darauf zurück, dass Geräte nicht ganz ausgeschaltet werden.
Ein großer Teil der Umweltinanspruchnahme ist nicht unmittelbar erkennbar, weil er auf die vorgelagerten Produktionsstufen entfällt. Es wird geschätzt, dass 98 Prozent der Stoffströme bei der Herstellung einschließlich vorgelagerter Produktionsstufen in Form von Abfällen auftreten und nur 2 Prozent in das Produkt fließen. Allein im Kupfer-Fernkabelnetz der Telekom ist bei einem Gewicht von 5000 kg/km und einem Kupfergehalt von rund 1800 kg/km eine Menge von rund 300.000 t Kupfer enthalten (rund 1/3 eines Gesamtjahresverbrauchs an Kupfer in Deutschland). Dies entspricht einem “ökologischen Rucksack” von 150 Mio. t Abfälle und Abraum bei der Erzgewinnung- und -verarbeitung.
Noch immer kritisch ist das Aufkommen an Elektro- und Elektronikschrott. Es lag 2000 in Deutschland bei rund 2 Millionen Tonnen, davon sind rund 350.000 t Büromaschinen, Informations- und Kommunikationstechnik. Ein Großteil der Altgeräte wird noch in Müllverbrennungsanlagen bzw. auf Deponien (Schätzungen gehen von ca. 90 Prozent innerhalb der Europäischen Union aus) entsorgt und nicht verwertet. Bei den wenigen rückgeführten Geräten ist die stoffliche Verwertung vorherrschend, eine Wiederverwendung findet kaum statt.
Trotz der ermutigenden Fortschritte bei der Erhöhung der Ressourcenproduktivität bei Herstellung, Nutzung und Entsorgung von informations- und kommunikationstechnischen Produkten, ist mit einem weiteren Anstieg der Umweltbelastung zu rechnen ist. Ursache ist die Marktdynamik, die darauf schließen lässt, dass die Erhöhung der spezifischen Ressourcenproduktivität durch Zunahme der Produktionsmengen insgesamt überkompensiert wird. Neue Techniken verdrängen herkömmliche Produkte nur selten, stattdessen werden sie additiv eingesetzt und vergrößern somit das Konsumvolumen. Die kurzen Innovationszyklen mit der Folge weiter zurückgehender Produktnutzungszeiten verschärfen diese Problematik des sogenannten “Rebound”-Effektes.
Chancen und Risiken der Anwendungen von IKT
Unter Nachhaltigkeitsaspekten wird es in Zukunft vor allem auf die Art und Weise ankommen, wie die Informations- und Kommunikationstechniken eingesetzt werden. Kennzeichen der derzeitigen Transformationsprozesse von der Industriegesellschaft hin zur Informationsgesellschaft sind die Internationalisierung und Globalisierung der Märkte, informations- und wissensgestützte Formen der Erwerbsarbeit, eine Zunahme der IKT-gestützten Dienstleistungen, aber auch die steigende Flexibilisierung der Unternehmensstrukturen und daraus resultierende Veränderungen der Arbeitsorganisation. Telearbeit, Teleshopping, Telelearning oder Online-Dienstleistungen – auch in der öffentlichen Verwaltung – stehen nur beispielhaft für die Vielzahl der potentiellen bzw. bereits realisierten Einsatzfelder. Die sich dabei abzeichnenden Wirkungen des IKT-Einsatzes ergeben ein vielfältiges Bild positiver, neutraler und negativer Effekte.
Nachhaltigkeits-Chancen und -Risiken der Informationsgesellschaft
Ebenen | Risiken | Chancen |
… in Märkten | ||
Leichtere Koordination in Wertschöpfungketten | Beschleunigung global und schnell wechselnder Produktionsstrukturen | Leichtere Koordination ökologisch optimierter Wertschöpfungsketten |
Höhere Transparenz für den Verbraucher | Verringerung räumlicher Einkaufsbarrieren: weitere Zentralisierung im Handel | Höhere Transparenz ökologischer und sozialer Produkteigenschaften |
Veränderung von Markteintrittbarrieren | Weitere Verkürzung von Produktlebens- und Nutzungszyklen | Höhere Innovationsraten durch erhöhte Wettbewerbsintensität |
…in der Politik | ||
Leichte und verbesserte Organisationsmöglichkeiten von NGO’s | Verbesserung der Machtbalance von ökonomischen, ökologischen und sozialen Interessen | |
Erleichterte Möglichkeiten partizipativer Politikformen | Weiterer Legitimitätsverlust und Verdrängung repräsentativ-demokratischer Politikformen | Stärkung zivilgesellschaftlicher Institutionen |
… im Rechtssystem | ||
Handel mit Waren und Informationen | Einschränkung des Verbraucherschutzes; nicht verfolgbare grenzüberschreitende Rechtsverstöße | Informationszugang für alle; verbesserter Preis- und Leistungsvergleich |
Neue Möglichkeiten des One-One Marketing | Verletzung von Persönlichkeits- und Datenschutzrechten | Individualisierung von Produkten als Chance zu verantwortlicher Nutzung |
… in der Organisation des Arbeitslebens | ||
Erleichterter Zugang zu neuen Arbeitszeitmodellen | Zuwachs von über die Sozialsysteme nur ungenügend abgefederten Arbeitsverhältnissen | Chance für neue Formen der Nichterwerbsarbeit |
Zunahme grenzüberschreitender Arbeitsverhältnisse | Unterlaufung von Sozialstandards | Internationale Verständigung und kultureller Austausch |
Quelle: nach Schneidewind 2000
So verbessert beispielsweise das Internet den Zugang zu Verbraucherinformationen, erhöht die Transparenz ökologischer und sozialer Produkteigenschaften und stärkt auf diese Weise die Marktmacht der Konsumenten, gleichzeitig wird der Nutzer durch die Informationsvielfalt überfordert, was zur Informationsüberflutung führen kann. Die Potenziale des World Wide Web im Internet haben in den letzten Jahren auch Chancen für repräsentative bzw. kooperative Beteiligungsverfahren mittels elektronischer Medien aufgezeigt, andererseits grenzt die zunehmende Verlagerung von Informations- und Entscheidungsprozessen auf das Internet bestimmte Bevölkerungsschichten von der Partizipation aus (digital divide). Im Verkehrsbereich, wo derzeitig vielfältige IKT-Anwendungen erprobt werden, können telematische Leit- und Zielführungssysteme für den motorisierten Individualverkehr kurzfristig zur Harmonisierung des Verkehrsflusses und damit zur Reduktion des Energieeinsatzes beitragen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass mittel- und langfristig neuer Verkehr induziert wird.
Ausblick
Die Chancen und Risiken der Informationsgesellschaft liegen oft dicht nebeneinander, so dass die Richtung der Entwicklung derzeit kaum angegeben werden kann. Ob die Chancen oder aber die Risiken überwiegen, hängt entscheidend davon ab, wie neue Informations- und Kommunikationstechniken künftig genutzt werden. Das Konzept der Informationsgesellschaft gibt hierauf noch keine hinreichende Antwort, weil in erster Linie die technisch-ökonomische und soziale Dynamik, nicht jedoch ökologische, soziale und kulturelle Langfristfolgen im Mittelpunkt der Umsetzung stehen.
Mit Blick auf diese Aufgabe hat der Deutsche Bundestag am 11. Mai 2000 dem Antrag der Koalitionsfraktionen “Strategie für eine nachhaltige Informationstechnik” (BT-Drs. 14/2390) zugestimmt. Eine Roadmap soll mittel- und langfristige Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnik aufzeigen und neben ökologischen Herausforderungen und Innovationspfaden konkrete Ziele und Maßnahmen benennen, auch die Vorbereitung von für alle Beteiligten verbindlichen Selbstverpflichtungen mit Fristen zur Umsetzung konkreter Ziele soll angestrebt werden. Diese Initiative ergänzt laufende Aktivitäten der Bundesregierung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, etwa im Rahmen des Bündnisses für Arbeit, im Kontext des Aktionsprogramms der Bundesregierung „Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ und im Rahmen der Initiative D21. Für die EU könnte die nationale Nachhaltigkeitsstrategie Modellcharakter für europäische Lösungen gewinnen.
Siegfied Behrendt
IZT Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung gGmbH
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Fax.: 030/80 30 88-88
Literatur
Behrendt, S.; Pfitzner, R.; Kreibich, R.; Hornschild, K.: Innovationen zur Nachhaltigkeit – Ökologische Aspekte der Informations- und Kommunikationstechniken, Berlin, Heidelberg, 1998, S. 65
Langrock, Th.; Ott, H.E.; Takeuchi, T. (Hrsg.) Japan & Germany: International Climate Policy & the IT-Sector, Wuppertal Spezial 19, Wuppertal 2001
Umweltbundesamt: Klimaschutz durch Minderung von Leerlaufverlusten bei Elektrogeräten – Sachstand/Projektionen/CO2-Minderungspotenziale, UBA-Text Nr. 45/97, Berlin 1997
Schneidewind, U.; Truscheit, A.; Steingräber, G.: Nachhaltige Informationsgesellschaft – Analyse und Gestaltungsempfehlungen aus Management und institutioneller Sicht, Marburg 2000