Während der Unruhen in Frankreich war das Internet in Form von Weblogs Plattform für die Organisation der Unruhestifter. Doch auch der französische Staat hat sich das Netz zu Nutze gemacht. Andreas Wagner beschreibt für politik-digital.de, welche Mittel dafür genutzt wurden.
Mit bezahlten Google-Suchergebnisanzeigen (“AdWords”) zugunsten einer harten Linie bei den Unruhen in Frankreich sorgte die „Union pour un Mouvement Populaire“ (UMP) des französischen Innenministers Nicolas Sarkozy in der ersten Novemberhälfte für Kritik. Häme und Verachtung angesichts der Schwachstellen seiner AdWord-Kampagne und die generelle Unzufriedenheit mit der Haltung des Rechtskonservativen, ergaben eine Mischung, die man oberflächlich als generelle Absage an kostenpflichtige Suchmaschineneinträge mit politischer Botschaft lesen könnte. Doch gilt zu bedenken: Das Problem liegt bei Sarkozy, nicht den AdWords!
Die UMP hat eine Online-Kommunikationsmöglichkeit sehr ungeschickt genutzt, die sich in Deutschland, England und den USA politisch bewährt hat. Der Mitarbeiterstab ist über das Ziel hinaus geschossen. Nicht mit der Verwendung der AdWords an sich, sondern u.a. dadurch, dass die hochumstrittene „Gesindel“-Beschimpfung („Racaille“) aktiv als Suchbegriff gebucht wurde. Die These von Suchmaschinen als „kommunikativem Wirkungsverstärker“ bestätigt sich zwar auch hier, nur wird eben mehrheitlich die Entrüstung über die Äußerungen des Innenministers verstärkt.
Mit Blick auf die derzeitige Suchmaschinen-Nutzerschaft hätte eingeplant werden müssen, dass sarkozy-kritische Stimmen heftiger reagieren würden als Befürworter und zahlreiche Gegenansichten online publizieren würden. Diese Beiträge stellen wiederum ein gefundenes Fressen für herkömmliche Medien dar.
„La Liberation“ schreibt, mit den Google-Anzeigen wurden Klickraten von zehn Prozent erreicht. Vorbehaltlich einer Prüfung auf „sinnvolle“ Besucher zunächst ein Erfolg. Nur fragt sich, ob das von der Kampagne ausgelöste negative Medienecho diesen Effekt wieder kassiert.
Chancen von AdWord-Campaigning – Einzelne Aspekte
Wer fragt “Wie widerlich opportunistisch geht’s eige
ntlich?” oder meint „Google Ads Facilitate Propaganda“ übersieht, dass es gar nicht so schwer und teuer ist, mit einer Gegenmeinung auch auf AdWord-Augenhöhe zu erscheinen. Auch die vermeintlich ´kostenfreie´ Positionierung in den herkömmlichen Suchergebnissen bedeutet Aufwand, wenn zeitnahes Erscheinen und suchwortgenaue Positionierung wichtig sind. Nicht jede politische Gegenrede eignet sich als ebenso schnell auftauchende wie fragwürdige ´Google-Bomb´, die sich gewissermassen von selbst positioniert.
Zu Begriffen wie „Banlieue“ oder „Sarko“ und einem Anzeigentext á la UMP verlangt Google Mindestgebote in Höhe von lediglich 1-3 cent pro Klick. Der ´Konkurrenzdruck´ der Einblendungen durch andere Inserenten ist vergleichsweise gering. Auktionseffekte, die den Klickpreis bei kommerzielleren Begriffen bis auf zweistellige Eurohöhen pro einzelnem Suchbegriffs-Klick treiben, bleiben vorerst aus. Berichte über „Sarkozy arm klicken“ als eine Art Protestsport, der „die vielen jugendlichen Migranten freuen“ dürfte, relativieren sich.
Fokus der Kritik erweitern?
Gibt es womöglich wichtigere Adressaten der Kritik an politschen AdWords, als die Vertreter ungeliebter politischer Meinungen?
Im Zusammenhang mit dem CD-Projekt „Gemeinsam gegen Rechts“ weigerte sich Google im Sommer, AdWords mit der Textzeile „CD gegen Nazis“ zu veröffentlichen. Etwa zur gleichen Zeit stieß dem Konkurrenten Miva sauer auf, dass Greenpeace augenzwinkernd texten wollte „Atomkraft rettet das Klima. AKWs sind sicher. Schweine können fliegen.” – dies wiederum war bei Google kein Problem.
Auch die Opportunismus Vorwürfe gegen die UMP relativieren sich, wenn man beachtet dass es bei der Google.fr-Suche nach „banlieue“ nunmehr ganz unpolitisch heisst: „Wie gut ist eigentlich Ihr Auto versichert? Vergleichen Sie doch mal die Angebote!“
„AdWords“ und „Sponsored Links“ geben durch ihre Textbasiertheit unterschiedlichen Akteuren die Gelegenheit, in Suchmaschinen in gleicher Form und bei Bedarf direkt nebeneinander zu entscheiden. Dazu ist es im letzten Bundestagswahlkampf auch bereits gekommen.
Es wäre bedauerlich, wenn der Gebrauch von kommerziellen Suchmaschineneinträgen in der politischen Kommunikation durch ein einzelnes, besonders präsentes Negativbeispiel längerfristigen Schaden nähme!
Der Text erschien ursprünglich am 30. November 2005 im
face2blog der Agentur face2net. Der Autor des Textes, Andreas Wagner ist ist Online Marketing Berater bei face2net.