tacheles.02 Chat am 9. Oktober 2002
Moderator: Herzlich Willkommen zum tacheles.02-Chat! Unser heutiger Gast hier im ARD-Hauptstadtstudio ist die PDS-Politikerin Petra Pau. Wenige Tage vor dem PDS-Parteitag in Gera wirkt die Parteiführung zerstritten: Nach dem Wahldebakel bei der Bundestagswahl ist ein Richtungsstreit entbrannt. Wir werden die nächsten 60 Minuten Zeit haben, Petra Pau zur aktuellen Situation in der PDS zu befragen. tacheles.02 ist ein Format von tagesschau.de und politik-digital.de und wird unterstützt von tagesspiegel.de. Wir begrüßen Sie im Namen unserer Chatgäste, Frau Pau! Können wir anfangen?
Petra Pau: Natürlich.
Moderator: Eine erste Frage von unserer Seite. Heute ging es im Lauf des Tages bei der PDS ja turbulent zu. Die Nachrichtenagenturen meldeten stündlich Neuigkeiten über einen internen Machtkampf innerhalb des Parteivorstands der PDS, in dem Sie ja auch Mitglied sind. Anlass: Auf dem PDS-Parteitag am Wochenende in Gera soll über den Parteivorsitz entscheiden werden, den bisher Gabi Zimmer inne hält. Was ist heute passiert?
Petra Pau: Im Vorstand der PDS sollte heute ein Leitantrag für den bevorstehenden Parteitag beraten werden. Dazu haben die Vorsitzende Gabi Zimmer und Wolfgang Gercke einen Entwurf vorgelegt, der sich nach Meinung der Mehrheit des Vorstands zu sehr nach innen richtete anstatt sich den Fragen der gesellschaftlichen Debatte zu stellen. Da die Berliner PDS schon am gestrigen Abend einen Antrag mit den Bestandteilen Wahlanalyse, innere Ursachen der Wahlniederlage und einem Vorschlag für die zukünftigen politischen Schwerpunkte in die Debatte gedrängt hatte, wurden beide Anträge heute alternativ abgestimmt. Im Ergebnis fiel der Antrag der Vorsitzenden durch und mit Dietmar Bartsch gibt es nun eine personelle Alternative zu diesem inhaltlichen Angebot.
Moderator: Eine Nachfrage von uns, bevor wir den Usern das Wort erteilen: Zwei Vorstandsmitglieder sollen Gabi Zimmer heute direkt aufgefordert haben, am Samstag nicht zu kandidieren. Waren Sie eine davon?
Petra Pau: Diese Aufforderung gab es auch schon am Samstag und Sonntag während einer Klausurtagung von mehreren Parteivorstandsmitgliedern. Ich habe am vergangenen Sonntag erklärt, dass ich für einen Vorstand unter Leitung von Gabi Zimmer nicht zur Verfügung stehe.
Pantau: Ist Frau Zimmer damit nicht vom Fenster? Immerhin sagt der Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch der "Berliner Zeitung": "Ich bin sicher, dass es in Gera eine Alternative zu Gabi Zimmer geben wird." Der nötige "radikale Neuanfang" seiner Partei sei mit Zimmer nicht möglich.
Petra Pau: Der Parteitag wird souverän über die alternativen Anträge und dann hoffentlich folgerichtig über die personellen Alternativen entscheiden.
Mister X: Hallo Frau Pau, Dietmar Bartsch gab heute seine Kandidatur gegen Gabi Zimmer bekannt, wenn es keine andere Alternative zu Zimmer gibt. Unterstützen Sie Bartsch oder sind Sie diese Alternative?
Petra Pau: Ich unterstütze die Kandidatur von Dietmar Bartsch.
Liberté toujours: Was meinen Sie damit, dass sich der Entwurf von Frau Zimmer und Herrn Gercke zu sehr nach innen richtete?
Petra Pau: Es ist richtig, die Ursachen für unsere Niederlage zur Bundestagswahl vor allem bei der PDS selbst zu suchen und nicht nur äußere Faktoren heranzuziehen. Falsch wäre es aber Scheinalternativen wie zum Beispiel die Frage, sollten wir mehr auf das Parlamentarische oder das Außerparlamentarische setzen, zum Gegenstand von Abstimmungen zu machen. Ich finde, die PDS hat nur eine Chance wenn sie die innerparteilichen Ideologiekämpfe überwindet und einen Kompetenzwettstreit eröffnet.
Moderator: Hier zu eine Nachfrage: Auch Ihnen wurden ja Ambitionen nachgesagt, für das Amt der Parteivorsitzenden zu kandidieren. Als eine von zwei direkt gewählten PDS-Bundestagskandidatinnen (Hellersdorf-Marzahn) hätten Sie ja auch mit einem Erfolgsbonus zu rechnen. Unter welchen Bedingungen würden Sie am Samstag antreten?
Petra Pau: Ich habe das gelesen und in einigen Kommentaren wurde mir heute sogar Feigheit vorgeworfen, weil ich nicht gegen Gabi Zimmer putsche. Ich will aber nicht putschen, allerdings auch nicht vor inhaltlicher Auseinandersetzung kneifen. Deshalb werde ich am Samstag in Gera für den Berliner Antrag streiten und stehe für einen Parteivorstand auf dieser inhaltlichen Plattform zur Verfügung.
Moderator: Ein Kommentar von alinka:
alinka: Na ja, dass sie nicht putschen stimmt ja nicht ganz
Petra Pau: Ich kann keinen Putsch erkennen, inhaltlicher Streit und erkennbares persönliches Profil sollten auch in der PDS etwas Normales werden. Wenn wir in den vergangenen Jahren Fehler gemacht haben, dann immer dann, wenn wir vorhandene inhaltliche Gegensätze in Formelkompromisse gekleidet haben und dazu passend möglichst nur integrierendes Personal wählten.
Moderator: Eine weitere Frage zum Personalkaroussel:
hogrue: Wieso unterstützen Sie Herrn Bartsch, er war der Wahlkampfleiter und trägt für die Wahlniederlage die Verantwortung.
Petra Pau: Für die Wahlniederlage tragen neben der gesamten Partei die vier Spitzenkandidaten Gabi Zimmer, Roland Claus, Petra Pau und Dietmar Bartsch gleichermaßen Verantwortung.
scardanelli: Petra Pau, sie sind doch gestärkt aus der Bundestagswahl hervorgegangen, warum übernehmen sie nicht das Ruder der PDS?
Petra Pau: Die Zwei-Frauen-AG der PDS im Bundestag wird es sehr schwer haben, bundespolitisch auch außerhalb des Plenarsaales gehört und gesehen zu werden. Dazu brauchen wir eine im Profil geschärfte und personell gestärkte Partei im Rücken. In den nächsten Jahren wird der neu zu wählende Parteivorstand endlich eine seit Jahren debattierte Parteireform in Angriff nehmen müssen. Allemal nachdem die PDS-Fraktion im Bundestag als Kompetenzzentrum abgewählt wurde. Deshalb wünsche ich mir einen starken Parteivorstand, der den Auftrag erhält, zu leiten und dies auch tut. Dafür werde ich dann auch zur Verfügung stehen.
Mister X: Hat die Personalisierung, angefangen von Peter Porsch, fortgesetzt durch Sie und andere, der PDS und dem Parteitag nicht schon im Vorfeld geschadet? Treten jetzt die Inhalte völlig in den Hintergrund? Wann vermittelt die PDS auch personell mal wieder kollektiven Charakter? Das Wahlkampfteam hatte den Namen wohl von Beginn an nicht verdient?
Petra Pau: Aus persönlichem Erleben kann ich Ihren Eindruck zum Wahlkampfteam nicht bestätigen. Ansonsten heißt meine Reihenfolge nach wie vor Analyse, inhaltliche Neubestimmung und damit verbunden natürlich auch Personalisierung, weil wir können die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass Bürgerinnen und Bürger Parteien nicht nach dem Layout ihres Parteiprogramms, sondern auch nach dem Eindruck, den ihre Repräsentanten vermitteln, beurteilen.
MauMau: Von wem erwarten Sie sich die Rückstärkung? Wer sind die Köpfe, auf die Sie in Zukunft bauen können?
Petra Pau: Ich gehe davon aus, dass Landespolitikerinnen und Landespolitiker auch im zukünftigen Bundesvorstand ihre Verantwortung wahrnehmen werden. So kann ich mir zum Beispiel nur schwer vorstellen, dass die Partei auf die sachsen-anhaltinische Fraktionsvorsitzende Petra Sitte oder auch unsere Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann verzichten wird.
Christian23: Frau Zimmer lehnt eine Sozialdemokratisierung der Partei ab, auch soll sie keine neue KPD werden. Setzt die PDS eher auf ein "Mitte-Unten-Bündnis", das auch den "Protest auf der Straße" einschließt, oder auf ein klassisches Mitte-Links-Parteienbündnis? Wie stehen sie dazu Frau Pau?
Petra Pau: Ich kann mit Formeln wie "Mitte-Unten-Bündnis" oder "Mitte-Links-Parteienbündnis" nicht viel anfangen. Die Frage ist doch, was ist drin, in Bündnissen? Klar ist natürlich, dass die PDS ihre Position sowohl in den Parlamenten, als auch im außerparlamentarischen Bereich in die Debatte drängen muss. Zu den Aktionsformen gehört also genau so die Demonstration auf der Straße wie der Streit um sozial gerechtere Politik in der Berliner Regierungskoalition.
hogrue: Sehen Sie die Gefahr, dass wenn jetzt mit dieser Schärfe die Auseinandersetzung geführt wird, daß die PDS auseinander bricht.
Petra Pau: Ich sehe diese Gefahr nicht.
poeckel: Als die Wahlniederlage der PDS am Wahlabend nicht mehr zu übersehen waren, äußerten Sie, dass die PDS sich künftig als parlamentarischer Arm der Attac- und Antiglobalisierungsbewegung verstehen will. Ist das wirklich Ihr ernst?
Petra Pau: Ich habe so etwas nicht geäußert. Richtig ist aber, dass die PDS ein Verhältnis zu außerparlamentarischen Bewegungen entwickeln muss, welches diese nicht instrumentalisiert. Und dass sie gleichzeitig sich nicht instrumentalisieren lässt.
Jens: Was glauben Sie als einzelne, fraktionslose Abgeordnete in Berlin bewirken zu können?
Petra Pau: Das ist weniger eine Frage des Glaubens als des Versuches. Frau Lötzsch und ich werden uns auf die Schwerpunkte der nächsten Legislatur konzentrieren müssen und auch neue Formen der Öffentlichkeitsarbeit finden.
Karl Heinrich: Welche Möglichkeiten und Arbeitsbedingungen haben sie im Bundestag überhaupt noch?
Petra Pau: Als fraktionslose Abgeordnete haben wir Rederecht zu jedem Tagesordnungspunkt. Wir könnten also theoretisch am Donnerstag, dem Hauptsitzungstag des Bundestages, jeweils zu 50 bis 60 Themen die Positionen der PDS oder auch unsere Positionen vertreten. Das werden wir natürlich nicht im Ernst durchhalten, sondern wir werden uns nicht nur auf Schwerpunkte konzentrieren, sondern auch unser Recht wahrnehmen, Änderungsanträge zu Gesetzesentwürfen ins Plenum einzubringen. Dazu kommt unser Recht, jeden Mittwoch die Bundesregierung zu befragen. Ich habe mich schon in der vergangenen Legislatur oft geärgert, dass diese Möglichkeit der direkten Auseinandersetzung mit den Mitgliedern der Bundesregierung von so wenigen Abgeordneten wahrgenommen wurde. Frau Lötzsch und ich sind einig, wir werden den Mittwoch Nachmittag zu einem gut vorbereiteten und effektiven parlamentarischen Arbeitstag machen.
MauMau: Was hat man alles nicht, wenn man keinen Fraktionsstatus hat?
Petra Pau: Ohne Fraktionsstatus können wir keine eigenen Gesetzentwürfe, große und kleine Anfragen ins Parlament einbringen. Außerdem haben wir im Ausschuss kein Stimmrecht. Erschwerend ist auch die Tatsache, dass wir nicht auf die dienstleistende Infrastruktur einer Fraktionsgeschäftsstelle zurückgreifen können und nicht zuletzt keine zusätzliche finanzielle Ausstattung zur Öffentlichkeitsarbeit erhalten.
Mister X: Hat die PDS mit der Schröder-Tolerierung-Frage einen Fehler gemacht. Im nachhinein ist mein Eindruck, dass da das Fell des nicht erlegten Bären avisiert wurde. Die Basis war verwirrt, Wählerinnen und Wähler der PDS haben da eher nicht oder direkt SPD gewählt. Hat die PDS sich über die SPD definiert satt eigenständig Profil zu zeigen?
Petra Pau: Richtig ist, dass die PDS in den vergangenen Jahren zu wenig Profil entwickelt hat. Andererseits konnten wir nicht ernsthaft der Konstellationsfalle entrinnen.
danmna5523: Konzentrieren Sie sich jetzt als Partei im auf den Osten ? Schließlich war im Westen für Ihre Partei so gut wie gar nichts zu holen.
Jens: Wie will die PDS ihre Position in Westdeutschland stärken?
Petra Pau: Für mich gibt es nur eine Chance, wenn sich die PDS weiter müht, eine moderne sozialistische Bürgerrechtspartei zu werden. Und dies bundesweit. Dazu muss sie sich in die Gesellschaft hinein öffnen und insbesondere der Jugend. Soweit ich die Statistiken schon auswerten konnte, ist es uns in Ost und West dieses Mal nicht gelungen, die jungen Wählerinnen und Wähler anzusprechen und ihre Themen effektiv zu besetzen.
maurice le fitz: Dietmar Bartsch sagt, er setze v.a. auf die jüngeren PDS Mitglieder. Welche meint er und werden diese als Zeichen eines wirklichen Generationswechsels in Gera auch höhere Funktionen in der PDS wahrnehmen (wenn ja, welche?)?
Petra Pau: Nachdem sich in der vergangenen Woche junge PDS-Mitglieder aus allen Landesverbänden vernehmbar und meines Erachtens auch sehr klug in die innerparteilichen Debatten eingemischt haben, sollten sie nun auch die Konsequenz zeigen und in Gera kandidieren.
gerd20: Hallo Petra, was hat denn nun längerfristig Priorität in der Partei, die "Köpfe"-Diskussion oder die harte, inhaltliche Neubestimmung der Partei? Und wo bleibt eigentlich Sarah Wagenknecht?
Petra Pau: Die inhaltliche Neubestimmung ist Voraussetzung für eine Zukunft. Dazu müssen wir innerparteiliche Tabus und Denkblockaden überwinden. Sahra Wagenknecht hat sich in die Debatten der vergangenen 14 Tage eingebracht und wie ich sie kenne, wird sie das auch in Gera und darüber hinaus tun.
Peters: Wäre es für die PDS nicht auch einmal an der Zeit die Mauer in den eigenen Köpfen einzureißen und eben gerade Gesamtdeutsche Themen mehr anzupacken ?
Petra Pau: Ich finde, soziale Gerechtigkeit, Frieden und eine tatsächliche Vereinigung von Ost und West schreien regelrecht nach bundesweiten Antworten. Offensichtlich ist es uns in der Vergangenheit nicht immer gelungen, zu verdeutlichen, dass auch Konzepte für ostdeutsche Probleme einen Gebrauchswert für die gesamte Bundesrepublik haben. Ein Beispiel: Wenn ich gegen die Aufweichung sämtlicher Tarife und die flächendeckende Schaffung eines Niedriglohngebietes Ost kämpfe, dann nehme ich Probleme der strukturschwachen Gebiete im Westen gleichzeitig in Angriff.
F. Orwell: Sehen Sie die PDS als gesellschaftliches Projekt, das zur Not auch Koalitionen kündigt und lieber außerparlamentarisch arbeitet, oder liegt die Zukunft in den gängigen Parteiwegen?
Petra Pau: Regieren an sich ist genau so wenig ein Wert wie Opponieren. Die Frage ist immer: Was ist drin? Die PDS sollte in Zukunft schon beim Aushandeln von Vereinbarungen abrechenbare Projekte mitdenken.
Nick_Leeson: Guten Abend Frau Pau! Mit welchem Argument würden sie einen Jungunternehmer wie mich für eine extrem linksgerichtete Partei wie ihre begeistern wollen. Ihre Antwort interessiert alle Mitarbeiter (7) hier im Büro! Danke. Welche konkreten Vorstellungen besitzt die PDS, um Jungunternehmer mit politischen Mitteln unter die Arme zu greifen – sowohl im Osten als auch im Westen ?
Petra Pau: Eine gerechte Steuerreform würde auch Jungunternehmer stärken. Dazu kommt das Aufbrechen verkrusteter Strukturen. So finde ich, dass es höchste Zeit wird, dass die Berliner rot-rote Koalition ihre One-Stop-Agency für Investoren und Unternehmer einrichtet und damit Bürokratie abbaut und Geld spart.
carl: Wer soll überhaupt die Lücke von Gregor Gysi schließen? Ihm haben viele Menschen zugehört, weil was er sagte, war nicht das übliche Politiker-blabla
Petra Pau: Gregor Gysi ist weder aus der PDS noch aus dem Leben geschieden. Er wird sich seinen Platz in der PDS sicherlich auch in Abhängigkeit der Ergebnisse des Parteitags suchen. Die Außenvertretung der PDS werden der neue Vorstand und die beiden Bundestagsabgeordneten übernehmen. Ich für mein Teil mühe mich, nicht mit den Kandidaten für alle Fälle (Westerwelle, Schily, Schlauch) verwechselbar zu werden.
Pantau: Liebe Frau Pau: es wurde recht viel über den Abgang von Gysi gezetert. Ist es nicht ein bißchen peinlich, wenn der Abgang einer Person eine Partei in die Bedeutungslosigkeit schiebt?
danmna5523: Frau Pau, braucht die PDS jetzt wieder einen Gysi – einen Medienmann, um in Deutschland wieder Boden gut zu machen?
Petra Pau: Der Rücktritt von Gregor Gysi mag Anteil an der Wahlniederlage der PDS gehabt haben. Ich gehöre aber nicht zu denjenigen, die ihn allein dafür verantwortlich machen. Ansonsten bin ich der Auffassung, dass die PDS gute Konzepte und fitte Frauen und Männer braucht, die im Alltag stehen und natürlich auch in den Medien bestehen können.
coolerni: Welche Rolle wird Gregor Gysi, nach Ihrer Einschätzung, in Zukunft in der PDS einnehmen?
Petra Pau: Dazu habe ich schon etwas gesagt.
danmna5523: Sie sprechen von den jungen Wählern – wie wollen Sie aber die wachsende und sehr wesentliche Wählergruppe der Älteren für sich gewinnen ?
Petra Pau: Die Themen, welche ich meinte, sind auch für die älteren Semester von Interesse. In der nächsten Legislatur wird es um Bildungsinhalte, um andere Strukturen im Gesundheitswesen, um Fragen der sozialen Gerechtigkeit überhaupt gehen.
Mister X: Was passiert mit Ihnen, wenn Frau Zimmer wieder gewählt wird? Werden Sie dann auf keinen Fall für den Vorstand kandidieren oder unter welchen Umständen? Und wie verhalten Sie sich dann als Bundestagsabgeordnete? Wäre eine Nicht-Zusammenarbeit mit Frau Zimmer da nicht der PDS abträglich?
Petra Pau: Ich akzeptiere Entscheidungen der Parteitagsdelegierten. Allerdings stehe ich für diesen Vorstand dann nicht zur Verfügung. Eine Vorstandsmitgliedschaft ist aber nicht zwingend erforderlich, um mein Bundestagsmandat wahrzunehmen und die knapp zwei Millionen Wählerinnen und Wähler der PDS zu vertreten. Natürlich gehe ich davon aus, dass auch der zukünftige Parteivorstand Bundestags- und Europaabgeordnete vor grundlegenden Entscheidungen hören wird.
MauMau: Was ist ihre Hauptkritik an Frau Zimmer?
Petra Pau: Meine Hauptkritik bezieht sich auf ihr inhaltliches Angebot an den Geraer Parteitag. Dazu habe ich mich oben schon geäußert. Da Frau Zimmer ihre Kandidatur mit diesem Antrag ultimativ verknüpfte, kann ich dies nicht nachträglich trennen.
Liberté toujours: Was hat sie damals mit 18 bewogen in die PDS einzutreten?
Petra Pau: Ich bin mit 18 Jahren in die SED eingetreten. Und 1990 sehr bewußt neu in die PDS. In beiden Fällen wollte ich mich nicht nur in einer Partei, sondern vor allen Dingen in gesellschaftliche Prozesse einmischen. In Bezug auf die SED musste ich schmerzhaft lernen, dass programmatischer Anspruch und gesellschaftliche Wirklichkeit weit auseinander gingen, ja sich manchmal sogar gegenüber standen. Für die PDS und zunächst auch kommunalpolitisches Engagement entschied ich mich, um im beginnenden Vereinigungsprozess von Bundesrepublik und DDR auch einen eigenständigen Platz zu finden.
pionier: Sie haben nach der Wende die Auflösung der Pioniere quasi betreut. Jetzt löst sich die PDS gewissermaßen in Bedeutungslosigkeit auf. Wie ist das, wenn man den eigenen Organisationen immer beim Abstieg zusehen muss?
Petra Pau: Ich habe vor, mich für das "Unmögliche" zu engagieren. Das heißt, meinen Beitrag dazu zu leisten, dass die PDS wieder gefragt und auch wählbar wird.
Mann: Stimmt es, dass Sie noch immer in der Hellersdorfer Platte wohnen?
Petra Pau: Ja. Ich verstehe gar nicht den Unterton Ihrer Frage. Noch immer klingt so wie: "Es wird Zeit, eine Veränderung herbeizuführen". Mein Mann und ich leben gerne im grünen Wuhletal und ich finde es auch gut, wenn ich bei Tageslicht nach Hause komme und von den Nachbarinnen und Nachbarn gleich eine unmittelbare Bewertung meiner Arbeit erhalte.
Mann: Ihre "Entschuldigungen" zu Geschichtsthemen hätten der PDS Stimmen gekostet, heißt es. Müssten Sie dann nicht bei der PDS entschuldigen?
Petra Pau: Ich finde, die PDS hat auch in Zukunft nur eine Chance, wenn sie es mit der Geschichtsbearbeitung ernst meint. Wenn uns auf diesem Gebiet Stimmen abhanden gekommen sind, dann sollten wir in Zukunft nicht die Themen meiden, aber unsere Standpunkte noch direkter mit den Betroffenen (Zeitzeugen) debattieren.
Moderator: Jetzt kommen wir zur letzten Frage:
chatski: Ciao Frau Pau! womit heitern sie ihr für die Öffentlichkeit von der Politik dominierend erscheinendes Leben auf?
Petra Pau: Krimis lesen, Kakteen vermehren und – wenn’s geht – auch mal Ausschlafen.
Moderator: Liebe Gäste! Unsere Zeit ist leider schon wieder vorbei. Sehr geehrte Frau Pau, vielen Dank für die Bereitschaft, sich den Fragen unserer Chatter und Chatterinnen zu stellen. Ich hoffe, es hat Ihnen ebensoviel Spaß gemacht wie uns! Das tacheles.02 Team wünscht allen Beteiligten noch einen schönen Abend. tacheles.02 ist ein Format von tagesschau.de und politik-digital.de und wird unterstützt von tagesspiegel.de