Im Dezember 2004 werden die Internationalen Weblog Awards der Deutschen Welle verliehen – abgesehen vom Hype und der Aufmerksamkeit, die die Weblogs momentan in der Blogosphäre und den etablierten Printmedien erhalten, besitzen sie aber auch eine bedeutsame politische Funktion: publizistische Meinungsfreiheit auch in den Ländern zu etablieren, wo sie längst nicht selbstverständlich ist.

Weblogs haben sich langsam aber sicher als Teil des publizistischen und gesellschaftlichen Diskurses etabliert: neue Formen der Berichterstattung in Weblogs eröffnen Alternativen zu den traditionellen journalistischen Formaten. Zudem bedienen sie andere Themenbereiche außerhalb des Mainstreams oder betrachten etablierte Themen aus neuen, ungewohnten, und – so lautet die These-, unvoreingenommen Perspektiven. Zumeist wird denen in Weblogs geposteten Meinungen ein gewisses Grundvertrauen von den Usern entgegengebracht. Auch wenn Professionalität, Seriosität und die Glaubwürdigkeit von Informationen auf Weblogs oft von den etablierten Medien angezweifelt werden: Eine immer weiter steigende Anzahl von Weblogs stehen für deren steigende Akzeptanz und Bedeutung. Die Glaubwürdigkeit resultiert daraus, dass die Veröffentlichenden keine parteilichen, oder finanziellen Interessen vertreten, keinen unmittelbaren Nutzen aus ihren Weblogs ziehen und nur der Veröffentlichung und Mitteilung von Informationen verpflichtet sind.

Auf dieser Grundidee basieren auch die Hoffnungen, die an Weblogs in Hinsicht auf Pluralismus und Förderung von Meinungsvielfalt gestellt werden. Zwar dreht sich viel auch um formales wie Design, Layout und technische Gimmicks, was die verschiedenen Kategorien der Blog-Awards der Deutschen Welle auch widerspiegeln. Hier gibt es die Kategorien „Bestes Design“ und „Beste Innovation“ – in denen besondere grafische Gestaltung, Ästhetik und fortschrittliche Technik ausgezeichnet werden. Darüber hinaus gibt es die Auszeichnungen “Bestes Journalistischen Weblog”. Mit nominiert ist auch das Weblog von politik-digital
Metablocker in der Kategorie “Bestes Journalistisches Weblog in deutscher Sprache” – hier geht es vor allem um das Inhaltliche. Das Hauptaugenmerk der Deutschen Welle liegt letzlich darauf „freien Informationsfluss im Internet“ und „journalistisch ausgerichtete Weblog-Angebote zu fördern“.

Die Brisanz der Idee von „freiem Informationsfluss“ mag in der westlichen Blogosphäre nicht klar erkennbar sein: während Weblogs hier als interessante Alternative zu den etablierten Medien und als Bereicherung des öffentlichen Diskurses diskutiert und gehandelt werden, haben sie in Ländern wie Iran oder Saudi Arabien, eine weitaus politischere Bedeutung: Dort wo sämtliche Printmedien der Kontrolle des Regimes unterliegen, bieten Weblogs oft die einzige Alternative für eine unabhängige journalistische Berichterstattung und freie Meinungsäußerung.

Ein Beispiel: das saudische Weblog
The Religous Policeman ist dem Gedenken der 15 Schulmädchen in Makkah, die bei einem Feuer in einer Schule am 11. März 2002 ums Leben kamen gewidmet. Die hohe Opferzahl beruhte darauf, dass die Mädchen unter strenger Aufsicht der Sittenwächter nicht aus der brennenden Schule befreit wurden, da sie nicht den Vorschriften entsprechend verhüllt waren. Dieser Vorfall, der im Westen zu fassungslosen Reaktionen führte, wurde in der staatlichen saudischen Presse weitgehend totgeschwiegen, die unangenehmen moralischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Fragen die hieraus resultieren nicht debattiert. Dieser Weblog hält die Erinnerung an das Ereignis und dessen Bedeutung wach.

Auch im Iran gibt es eine täglich wachsende Zahl von Nutzern, die die Weblogs nutzen um am gesellschaftlichen und politischen Diskurs teilzuhaben. Das wurde schließlich den iranischen Meinungswächtern zuviel. Erst im Oktober 2004 wurden fünf iranische Onlinejournalisten und Onlinejournalistinnen und Blogger/innen festgenommen, die Internetüberwachung allgemein verschärft und der Zugang zu duzenden Internetzeitungen und politischen Weblogs blockiert. (Weitere Informationen hierzu bei der Website
Reporter ohne Grenzen und im
Metablocker)

Die Weblog Awards sollten also nicht nur als technische oder amüsante journalistische Spielerei abgetan werden; die Awards heben auch einen wichtigen Fakt im öffentlichen Bewusstsein hervor, der gerne vergessen wird: In einem Land, in dem Fernsehen, Rundfunk und Zeitungen unter strikter Kontrolle der Regierung stehen, stellen unzensierte Internetseiten und Weblogs die einzigen weitgehend unabhängigen politischen Meinungs- und Informationsquellen dar. Die international und solidarisch ausgerichtete Blogosphäre sollte sich diesem kostbaren Wert der Weblogs bewusst bleiben.

Weiterführende Artikel:

Bericht des Fotojournalisten aus Falludscha

Lets talk about Blogs

Weblogs – Die neue fünfte Gewalt im Staate

Awards im Internet

Blogger Community im Iran