Mitarbeiterweblogs etablieren sich immer mehr. Doch die Chefs von Unternehmen sehen dieser Entwicklung nicht immer mit Begeisterung entgegen. In einigen Fällen haben die Angestelltenblogs bereits zur Kündigung geführt.

 

Zu lasziv hatte Stewardess Ellen Simonetti in Uniform nach dem Geschmack ihrer US-Fluggesellschaft Delta für Fotos in ihrem Weblog
„Queen of Sky“ posiert . Sie wurde kurzerhand gefeuert und betitelte daraufhin ihr amüsant geschriebenes Online-Tagebuch „Diary of a fired flight attendant“. Ihr Rausschmiss ist zwar kurios, aber beileibe kein Einzelfall: Nach einer Studie des Pew Internet und American Life Project gibt es über acht Millionen Blogs in der USA. Nachdem so mancher darin seinem Unmut über den Brötchengeber Luft gemacht hat, kam es bereits zu mehreren Dutzend
Kündigungen.

Schlagzeilen machte vor einigen Wochen der Google-Produktmanager Mark Jen, der in seinem Blog
99zeros.blogspot.com recht unverblümt über sein Angestelltenleben berichtet hatte und deswegen von dem Suchmaschinenbetreiber entlassen wurde. Ähnliche Fälle sind vom Online-Netzwerk Friendster und der Tageszeitung Herald-Sun bekannt.

Amerikanische Juristen wollen nun Klarheit schaffen und rufen nach Unternehmensrichtlinien für Mitarbeiter-Weblogs. Bislang haben nur wenige US-Firmen eine solche Regelung aufgestellt, zum Beispiel
Sun Microsystems. Der IT-Riese hat sogar eine eigene
Site für die Blogs seiner Angestellten eingerichtet.

Prominentestes Beispiel des digitalen Arbeitnehmerprotests in Deutschland ist der Weblog
verdi-blog.de/lidl. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di startete ihn Ende 2004, nachdem ihr „Schwarzbuch Lidl“ bei den Beschäftigten der Handelskette für Furore gesorgt hat. „Der Blog wird wie ein Forum genutzt. Ich bin über die große Resonanz überrascht“, sagt ver.di-Online-Redakteur Bernd Steinmann. Einziger Nachteil der fortschrittlichen Vernetzung: Die nötige Betreuung ist arbeitsaufwändig. „Für jedermann offene Blogs laden Verrückte geradezu ein. Wir müssen ständig kontrollieren, dass keine Beleidigungen und Beschimpfungen drinnen stehen“, seufzt DGB-Pressesprecher Hilmar Höhn.

Wer als Arbeitnehmer öffentlich solche Äußerungen über seine Firma macht, riskiert nicht nur in den USA, kündigungsrechtlich ohnehin ein Arbeitgeberparadies, sondern auch in Deutschland die fristlose Kündigung.

Juristen raten Weblog-Schreibern grundsätzlich zu großer Vorsicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht das Recht auf Meinungsfreiheit am Arbeitsplatz bejaht, aber die Abwägung mit den Treuepflichten gegenüber dem Arbeitgeber hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und kann daher für Blogger negativ ausfallen. „Die entscheidenden Fragen lauten: War die Kritik sachlich? In welcher Form und in welchem Rahmen wurde sie geäußert? War es angemessen, sie an die Öffentlichkeit zu bringen und wurde sie zuvor intern vorgebracht?“ sagt Steffen Krieger, Arbeitsrechtsanwalt der Kanzlei Gleiss Lutz. Ist die Äußerung geeignet, das Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen und Mitarbeiter zu zerstören, so darf fristlos gekündigt werden.

„Sobald die Kritik öffentlich gemacht wird, gelten strengere Regeln als wenn sie intern im Unternehmen vorgebracht wird“, sagt Christian Donle, Experte für Arbeitsrecht und Internet-Recht in der Kanzlei Preu Bohlig & Partner. Er rät zu einem nüchternen und objektiv-neutralen Stil der Berichterstattung über Missstände im Betrieb. Doch selbst dann droht im Falle eines Prozesses das zweischneidige Schwert der Beweiserhebung. „Die Tatsachen, die im Weblog geschrieben werden, müssen nachweislich wahr sein“, betont Arbeitsrechtsprofessor Stephan Pfaff von der Fachhochschule Westküste in Heide. Außerdem enden 90 Prozent aller Kündigungsschutzklagen mit einem Vergleich. „Selbst wenn der Arbeitnehmer eine hohe Abfindung erhält, was hat er letztlich davon im schwierigen Arbeitsmarkt heute?“, fragt Pfaff.

Für juristische Laien in der Weblog-Gemeinde hat Arbeitsrechtsanwalt Alexander von Maydell folgende Faustregel parat: „Wäre ich bereit, das mittellaut in der Betriebskantine zu sagen?“ Er rät dazu, keine Namen zu nennen. Technisch gibt es abgesehen von der naheliegenden Wahl eines Pseudonyms unterschiedliche Dienste zum Anonymisieren wie
invisiblog.com,
tor.eff.org und
anonymizer.com. Wer verhindern möchte, dass der Chef per Google & Co. den Blog ausfindig macht, kann die Datei
Robots.txt verwenden. Wem das Anonymisieren zu umständlich ist, muss nach Aussage von Professor Pfaff immerhin damit rechnen, dass der Arbeitgeber bei strafrechtlich relevanten Inhalten möglicherweise den Provider zur Offenlegung der Identität des Bloggers zwingt.