Deutsche Kommunen haben Nachholbedarf in Sachen Bürgerbeteiligung im Internet – Berlin ist Spitzenreiter. Das sind zentrale Ergebnisse einer Studie der neuen Initiative „eParticipation“.
Viele deutsche Städte haben ein Leitbild: Sie sehen die Bürger als Kunden und sich selbst als Dienstleister. Diese Sichtweise ist exemplarisch für die Einseitigkeit in der Auseinandersetzung um E-Government hierzulande. Bislang wurde der Fokus auf die elektronische Verwaltung gelegt. Bürgerbeteiligung erhielt nur eine B-Priorität. Eine Schieflage mit Folgen, die sich auch am Mangel an Untersuchungen zum Thema zeigt.
Bürgerbeteiligung im Internet– ein Randthema
Die Initiative
„eParticipation“ hat heute ihre Studie „Elektronische Bürgerbeteiligung in deutschen Großstädten 2004“ veröffentlicht.
Keine Stadt konnte in die Nähe der zu erreichenden vollen Punktzahl gelangen. Auch der Sieger Berlin, der 71 Prozent der möglichen Punktzahl erreichte, kann sich nicht auf dem Erreichten ausruhen. Auf den Plätzen 2 und 3 landeten Essen und Düsseldorf, gefolgt von Bochum, Kiel und Braunschweig. Große Städte bieten demnach nicht unbedingt die besseren Angebote. Mit einem Website-Ranking wurden die Internet-Angebote der Städte mittels eines umfangreichen Kriterienkatalogs untersucht.
Keine Pseudopartizipation
Die Initiatoren der Studie verstehen unter Partizipation die aktive Teilnahme von Bürgern an politischen Entscheidungen. Ein Diskussionsforum zur Politik oder ein Ratsinformationssystem im Web sind noch lange keine Bürgerbeteiligung. Wichtig ist, dass Anregungen der Bürger/innen in den Entscheidungsprozess einfließen. Alles andere wäre folgenlose Kommunikation, die schlimmstenfalls Desinteresse und Abneigung gegenüber Politik vergrößert.
Dieses Verständnis von Partizipation war die Basis für die Untersuchung. Untersucht wurden einerseits die Angebote, mit denen sich Bürger/innen an der politischen Willensbildung und Entscheidungen beteiligen konnten. Punkten konnten diese dabei, wenn den Bürger/innen ausführlich das Beteiligungsverfahren erklärt und deutlich gemacht wurde, wie die Anregungen in den Entscheidungsprozess einfließen. Ebenso wichtig war, ob ein ausreichendes politisches Informationsangebot, die Grundlage für eine qualitative Partizipation, vorlag. Zumindest mussten die Entscheidungsträger in den Kommunen über E-Mail oder Webformular erreichbar sein.
Potenziale bleiben ungenutzt
Per E-Mail oder Webformular sind nahezu alle Entscheidungsträger in den untersuchten Städten erreichbar. Allerdings werden kaum interaktive Kommunikationskanäle wie Chats oder Foren verwendet. Fast alle untersuchten Städte informierten über die politische Struktur und die Zusammensetzung der Stadtverwaltung und des Stadtrats. Defizite gab es aber in der Vorstellung der aktuellen politischen Agenda – diese sucht man häufig vergebens.
Zum Standardrepertoire gehört mittlerweile das Ratsinformationssystem. Eine bürgernahe Erklärung wird leider nur selten gegeben. Die am häufigsten im Internet angebotene Form der Bürgerbeteiligung ist die im Rahmen der Flächennutzungs- und Bauleitplanung. Hier gibt es einige ermutigende Beispiele. Die notwendigen Pläne und Unterlagen können Online eingesehen werden. Anmerkungen zu den verschiedenen Plänen können dann per Webformular oder E-Mail vorgebracht werden. Allerdings konnten sich nur in sieben der 37 untersuchten Kommunen Bürger/innen so online beteiligen.
Anstoß geben
Ermutigend ist, dass die Grundlagen für Online Bürgerbeteiligung in den meisten Städten vorhanden sind. Allerdings kann von einer umfassenden Beteiligungskultur im Internet noch lange nicht gesprochen werden. Welche Faktoren hier eine Rolle spielen und wie fit die Städte in Sachen Bürgerbeteiligung „offline“ sind, wurde mit der Studie nicht geklärt. Aufgrund des kurzen Untersuchungszeitraums handelt es sich eher um eine Momentaufnahme, die aber eine intensivere Diskussion der Potenziale und des Handlungsbedarfs in Deutschland initiieren soll.
Politik und Verwaltung ermutigen
Die “Initiative eParticipation” ist ein Zusammenschluss der folgenden Dienstleister, Think-Tanks und wissenschaftlichen Institutionen: binary objects, Fraunhofer E-Government-Zentrum, Fraunhofer Institut AIS, OpenSpace-Online, politik-digital.de, TUHH Technologie, wegewerk und Zebralog.
Der Autor ist Diplom-Medienwissenschaftler und hat im Auftrag der
Initiative „eParticipation“ die Studie erstellt. politik-digital.de ist Mitglied der Initiative.
Website und Dowlaod der Studie:
www.Initiative-eParticipation.de
Erschienen am 20.08.2004
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