Beim Online-Wahlkampf setzt die CDU auf "Rapid Response", die schnelle Antwort aus den USA.
Pünktlich zum Bundesparteitag der SPD am 19. November 2001 in Nürnberg hatte die CDU die Internet-Domain
www.wahlfakten.de eingerichtet und erstmals das Wahlkampfinstrument des
"Rapid Response" angewendet. "Rapid Response" ("Schnelle Antwort") wird in den Wahlkämpfen angelsächsischer Länder, v.a. in den USA, schon seit einigen Jahren eingesetzt und bezeichnet die sofortige Reaktion auf wahlkampfrelevante Äußerungen des politischen Gegners. Unmittelbar nach dem Auftritt des Kanzlers auf dem Nürnberger Parteitag wurden damals auf der neuen Internetplattform die wichtigsten Fakten, gegliedert nach den Orginalzitaten seiner Rede, nach Ansicht der Macher widerlegt.
Am vergangenen Sonntag fand in Berlin der diesjährige Wahlkampfparteitag der SPD statt. Wieder konnten interessierte User die Widerlegung der Schröderschen Rede aus christdemokratischer Sicht fast zeitgleich im Internet verfolgen.
Nach halbjähriger Laufzeit interessiert sich politik-digital.de, was aus dem Wahlkampf-Tool geworden ist. Entsprechend dem Modell der "Schnellen Antwort" werden die Erwartungen, die damals von offizieller Seite an wahlfakten.de gestellt wurden, dem Erreichten gegenübergestellt.
"Wahlfakten.de ist ein Angebot der CDU Deutschlands, sich gezielt über die Aussagen von Politikern zu informieren". (
www.wahlfakten.de)
Fakt:
Neben der Rede des Vorsitzenden Schröder auf dem Wahlkampfparteitag der SPD vom 6. Juni 2002 befinden sich derzeit im Archiv von wahlfakten.de zwölf weitere Dokumente, die nach dem "Rapid-Response"-System von der CDU aufgearbeitet wurden. Dabei konzentriert sich die CDU ausschließlich auf die SPD als politischen Gegner. Mit über fünfzig Prozent nehmen die Reden des Bundeskanzlers einen besonders großen Raum ein. Abgesehen von Schröder befinden sich auch Otto Schily, Walter Riester, Hans Eichel und Franz Müntefering im Kreuzfeuer der Kritik. Darüber hinaus werden mit dem SPD-Wahlprogramm 2002 und der SPD-Anzeigenserie zwei Wahlkampfinstrumente kommentiert.
"
Auf dieser Seite werden, bei wichtigen politischen Ereignissen, den Argumenten des politischen Gegners zeitnah und detailliert Fakten gegenübergestellt". (
www.wahlfakten.de)
Fakt:
Ohne Zweifel ist wahlfakten.de sehr aktuell. Denn unmittelbar nach dem Auftritt Schröders auf dem Parteitag konnten sich User die von der CDU ausgewählten Zitate seiner Rede mit den entsprechenden Kommentaren auf wahlfakten.de anschauen.
Auch inhaltlich, d.h. bei den sogenannten Widerlegungsfakten, wird wahlfakten.de seinem Anspruch gerecht. Gerhard Schröder ging gleich zu Beginn seiner Rede auf dem Wahlkampfparteitag auf die Familien- und Frauenpolitik ein und unterstrich die von der rot-grünen Regierung erbrachten Leistungen in diesen Bereichen. Diese Errungenschaften werden von der Opposition in Frage gestellt. "Die Familienpolitik läuft in unionsregierten Ländern in wesentlichen Bereichen besser", so das Fazit der CDU. "Bei den Kindergartenplätzen liegen bei den neuen Bundesländern die CDU-regierten Länder Thüringen und Sachsen vorne. In den alten Bundesländern gibt es in Baden-Würrtemberg die meisten Kindergartenplätze. In Bayern gibt es eine fast 100-prozentige Versorgung." Als Quelle führt die Union das Statistische Bundesamt an.
Auf die Äußerung Schröders "Mit ihrem Familiengeld wollen CDU und CSU gleichsam eine Küchenprämie für Frauen aussetzen" kontert die CDU wie folgt: "Familien verfügen im Durchschnitt nur über ein Pro-Kopf-Einkommen von 50 Prozent des Einkommens kinderloser Ehepaare. Familien werden durch die Steuerreformen bis zum Jahr 2005 trotz der Erhöhungen des Kindergeldes gegenüber kinderlosen Ehepaaren und Singles benachteiligt."
Bei diesen Angaben bezieht sich die Union auf das "Heidelberger Büro für Familienfragen und soziale Sicherheit".
"Mit ‘wahlfakten. de’ stellen wir Journalisten Fakten von neutralen Verbänden und Organisationen zur Verfügung, indem wir unsere Kommentare auf deren Seiten verlinken", beschreibt Matthias Barner, stellvertretender Sprecher der CDU, die deutsche Version von ‘Rapid Response’.
Fakt:
Entsprechend den oben angeführten Beispielen aus der Familien- und Frauenpolitik, mangelt es der CDU auch auf anderen Gebieten nicht an seriösen Quellen. So werden beispielsweise im Bereich der Wirtschaftspolitik die Bundesanstalt für Arbeit, das Institut für Wirtschaftsforschung Halle oder das International Institute for Management Development (IMD) herangezogen, um den politischen Gegner zu enttarnen.
Neben Institutionen aus Wissenschaft und Verwaltung bedient sich wahlfakten.de aber auch der Medien. Das Kanzlerzitat "Frauenpolitik und so Gedöns", mit dem die CDU den Usern einen Einblick in das Schrödersche Frauenbild geben möchte, entstammt der Boulevardpresse. An anderer Stelle wird Schröders Schwester, Ilse Brück, mit den Worten "Die Politik meines Bruders kostet mich 2400 Mark im Jahr", zitiert. Zusätzlich wird angeführt, dass Ilse Brück alleinerziehende Mutter zweier Kinder ist, die vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Abschaffung des Haushaltsfreibetrages für Alleinerziehende klagt. Die Angaben über die verwandtschaftlichen Verhältnisse lieferte die Bild-Zeitung.
"Wir präsentieren die Fakten zu den Reden, die gehalten werden und zeigen damit inhaltliche Unterschiede auf", sagt der CDU-Sprecher Franz-Josef Gemein. Das System solle aber keine parteipolitische Einfärbung haben, betont Gemein gegenüber
Heise-Online.
Fakt:
Wahlfakten.de ist ein Produkt der CDU, eine Tatsache, die auch optisch hervorgehoben wird. So erfährt der Nutzer sofort, dass der CDU-Presseservice für die "Schnellen Antworten" verantwortlich ist. Egal welche Rubrik aufgerufen wird, der Hyperlink zum gemeinsamen Regierungsprogramm von CDU und CSU, "Zeit für Taten", weicht nicht vom linken Seitenrand. Neben dieser visuellen besteht auch eine inhaltliche Bezugnahme zur CDU. Im Archiv besteht die Möglichkeit, zwischen einzelnen inhaltlichen Bereichen wie Arbeitsmarktpolitik, Bildungspolitik oder Sicherheitspolitik auszuwählen, bei denen es sich um zentrale Wahlkampfthemen handelt. Nach Ansicht des politischen Gegners, Kajo Wasserhövel, Leiter des Arbeitsbereiches Online-Campaigning der SPD-Wahlkampfzentrale Kampa 02, soll der Domainnamen wahlfakten.de Neutralität suggerieren. Dahinter verberge sich jedoch Konservatismus und das Adenauerhaus, wie er im
Interview mit politik-digital.de äusserte.
Als Zielgruppen von wahlfakten.de bezeichnet Stefan Scholz, Teamleiter Online-Service bei der CDU, v.a. Journalisten, "aber auch interessierte Bürger und die interne Klientel, die Argumantationshilfe braucht".
Fakt:
Über die User von wahlfakten.de lassen sich derzeit keine konkreten Angaben machen. Christoph Bieber, Vorsitzender von pol-di.net,
beschreibt das "Rapid Response Tool" für den Bürger als zu detailliert-analytisch und für den Journalisten als zu deutlich politisch gefärbt.
Ob sich das moderne Wahlkampfinstrument druchsetzt und bei anderen politischen Parteien Nachahmer findet, bleibt abzuwarten. Interessant ist auch die Frage, welchen Stellenwert "Rapid Reponse" in der heißen Wahlkampfphase einnimmt. Wir sind gespannt, ob die Strategie beibehalten oder der Einsatz intensiviert wird.
Erschienen am 06.06.2002
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