Fehlende Gesetze? Unmündige Konsumenten? Das Zukunftsgespräch des “Projekt Zukunft” zum Verbraucherschutz bei Telekommunikationsdienstleistungen zeigt, wie schwierig die Balance zwischen Schutz und Behinderung ist.

Seit der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes 1997 hat sich vieles verändert. So sanken die Telefonkosten, dafür wuchert der Tarifdschungel. Gleichzeitig entstand mit “Mehrwertdiensten” eine Dienstevielfalt für Telefon, Handys und Internet – im Internet werden bspw. Bilder und Klingeltöne, Grußbotschaften und Datingdienste fürs Mobiltelefon feilgeboten. Für Informationshungrige gibt es DPA- oder Sport-News als Ticker per SMS. Meist ganz harmlos und zu vernünftigen Preisen. Doch auch andere, teils dubiose Dienstleistungen werden über “frei tarifierbare Rufnummern”, besser bekannt als 0190- oder 0900-Nummern, abgerechnet. Oft genug gibt das am Monatsende eine böse Überraschung für den Konsumenten und einen weiteren Fall für den Konsumentenschutz.

0190-Nummern als Bezahlverfahren

Eigentlich sind 0190-Nummern besser als ihr Ruf. Sie sind nichts anderes als ein einfaches und praktisches Bezahlverfahren. Abgerechnet wird ohne Bargeld, Überweisung oder Angabe einer Kreditkartennummer über die Telefonrechnung. Für eine Dienstleistung, bspw. eine Auskunft oder die Zusendung eines Klingeltones wird von sogenannten “Mehrwertanbietern” zusätzlich zu den Kosten der Telefonverbindung ein weiterer Betrag abgerechnet, der dem Wert der Dienstleistung entspricht. Alles schön und gut, gäbe es keine schwarzen Schafe, die die freie Tarifierbarkeit dieser Nummern ausnutzen, in dem sie Preise veranschlagen, die dem Tatbestand des Wuchers entsprechen und diese nur ungenügend bekannt geben. Laut Bernd Ruschinzik von der
Berliner Verbraucherzentrale stehen 0190-Nummern und Internet-Dailer ganz oben auf der Beschwerde-Hitliste in der Rechtsberatung der Verbraucherzentralen.


Die Rolle des Konsumenten

“Kriminelle Energie im Schatten moderner Technologie” nannte Alfred Eichhorn, Moderator des 22. Zukunftsgespräches von
“Projekt Zukunft” zum Thema “Verbraucherschutz und neue Dienstleistungen bei Telefon und Internet” das Phänomen, dass über frei tarifierbare Nummern teils horrende Beträge abkassiert würden.

Die Diskutanten, Vertreter von Wirtschaft, Verbänden und Verbraucherschutz waren sich denn auch einig, dass schwarzen Schafen das Handwerk gelegt werden müsse, weil sie, so die einen, den Konsumenten betrögen und sie, so die anderen, die gesamte Branche in ein schlechtes Licht rückten. Unterschiedlich waren die Schlüsse, die daraus gezogen wurden. So rief die Wirtschaft nach mehr Mündigkeit beim Konsumenten während der Konsumentenschutz schärfere gesetzliche Regelungen forderte. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Harald Geywitz vom Verband der Anbieter von Telekommunikation und Mehrwertdiensten (
VATM) räumte ein, dass Konsumenten im Internet oft gar kein Bewusstsein dafür hätten, dass sie eine Kaufhandlung tätigen. Mit Surfen sei noch viel Spielerisches verbunden und User hätten eher das Gefühl, “mal kurz zu gucken” als tatsächlich schon zu kaufen. Hier muss Bewusstsein also noch wachsen oder geschaffen werden. Andererseits kann es mit der Mündigkeit von Konsumenten bei undeutlichen bzw. versteckten Preisangaben oder bei Dailern, die sich ohne das Wissen von Usern auf dem Rechner installieren nicht sehr weit bestellt sein. Mündigkeit und bewusste Kaufentscheidung setzen ein Wissen über Preis und Leistung voraus.

Forderungen des Konsumentenschutzes

Um die Rolle des Konsumenten zu stärken, forderte Herr Ruschinzik klare gesetzliche Regelungen. Den aktuell von Bundesrat und Bundestag diskutierten Gesetzesentwurf gegen den Missbrauch bei Mehrwertdienstnummern begrüßte er. Dieser senkt die Obergrenzen für die Minutenentgelte auf 3 Euro und den Höchstsatz pro Verbindungsblock auf 30 Euro. Eine öffentliche Datenbank soll im Internet die bisher anonymen Anbieter von 0190-Nummern, bzw. 0900-Nummern auffindbar machen. Die 0900 Nummern sollen im Zuge einer
internationalen Anpassung die 0190-Nummern ersetzen. Außerdem soll nach einer einstündigen Verbindung mit einem Mehrwertdienstanbieter automatisch eine Unterbrechung der Verbindung erfolgen, wobei der Kunde diesen Dienst ausschalten können muss. Anbieter müssen künftig die Verbindungskosten sowohl in der Werbung wie auch vor der Nutzung von 0190-Nummern deutlich auspreisen. Dailern soll nach dem Gesetzesentwurf überhaupt eine eigene Rufnummerngasse zugewiesen werden, die der Konsument automatisch unterbinden können soll.

Das müsse reichen, so Alexander Samwer, von Jamba!, einem Anbieter für Klingeltöne, Spiele und anderen Mehrwertdiensten fürs Handy. Ihm gingen diese Regelungen tendenziell schon zu weit. Mit dem Höchstsatz für Verbindungsblöcken würden einige Transaktionen schon jetzt verhindert – beispielsweise könne man damit keine Konzerttickets mehr via Telefon verkaufen und per SMS aufs Handy zustellen, schlichtweg weil diese mehr als 30 Euro kosten und damit für eine Abrechnung über Mehrwertdienste zu teuer seien.

Dem Bundesverband Verbraucherschutz reicht das Gesetz jedoch noch nicht, da es lediglich die 0190er und die 0900er Nummerngassen regelt. Mehrwertdienste werden aber auch über 0137 und 0118 angeboten. Diese blieben auch mit dem neuen Gesetz ungeregelt.

Wirtschaftliche Bedeutung von Mehrwertdiensten

Der schlechte Ruf von 0190-Nummern macht auch der Wirtschaft zu schaffen und treibt Mehrwertanbieter teilweise dazu, auf anderen Wegen abzurechnen. So hat beispielsweise Jamba! direkt Verträge mit Mobilfunkanbietern geschlossen, um bezogene Spiele, Bilder und Klingeltöne ohne den Umweg einer 0190-Nummer abrechnen zu können, schlichtweg weil der Ruf von 0190-Nummern zu schlecht sei.

Insgesamt bescheinigt Alexander Samwer von der Jamba! AG der Branche der Mehrwertdienste gute Wachstumschancen. Der Vergleich mit dem japanischen Markt zeige, dass Konsumenten künftig rund ein Drittel der aktuellen Telefonrechnungen noch zusätzlich für Mehrwertdienste ausgeben könnten. Ein immenser Wachstumsmarkt also, doch die Wirtschaft dürfe nicht von neuen Regelungen und Gesetzen beeinträchtig werden, so Alexander Samwer und Friederike Behrends von Bild.T-online AG und Leiterin des Arbeitskreises Medienpolitik des Deutschen Multimediaverbandes.

Doch wie sonst den schwarzen Schafen beikommen? Einige Akteure machen vor, wie es gehen könnte – so warnt bspw. Berlikomm seine Kunden, wenn diese länger als eine Stunde mit einer 0190-Nummer verbunden sind. Vielleicht ist eine Kombination von gesetzlichen Rahmenbedingungen und einer Selbstverpflichtung der Wirtschaft tatsächlich der gangbarste Weg, damit Konsumenten nicht zu sehr bevormundet und die Wirtschaftstreibenden nicht allzu stark beschnitten werden. So kann vielleicht, wo es sinnvoll erscheint, auch mal ein größerer Betrag übers Telefon bezahlt werden.