Reinhard Bütikofer, Bundesvorsitzender
von Bündnis ’90/ Die Grünen, war am 5. September zu Gast
im tacheles.02 Live-Chat von tagesschau.de und politik-digital.de.
Die hohen Öl- und Benzinpreise, die Zukunft der Wind- und Solarenergie
sowie die Finanzierung der ökologischen Politik standen neben
Atomkraft, Iran und Ökosteuer im Zentrum der Diskussion.

Moderator: Reinhard Bütikofer,
Bundesvorsitzender von Bündnis ’90/ Die Grünen, war am
5. September zu Gast im tacheles.02 Live-Chat von tagesschau.de
und politik-digital.de. Die hohen Öl- und Benzinpreise, die
Zukunft der Wind- und Solarenergie sowie die Finanzierung der ökologischen
Politik standen neben Atomkraft, Iran und Ökosteuer im Zentrum
der Diskussion.

Moderatorin: Liebe Duell-Liebhaber,
liebe Politik-Interessierte, herzlich Willkommen im tacheles.02-Chat.
Unsere Chat-Reihe ist ein Format von tagesschau.de und politik-digital.de
und wird unterstützt von tagesspiegel.de. Heute ist der Grünen-Vorsitzende
Reinhard Bütikofer ins ARD-Hauptstadtstudio gekommen. Herzlich
willkommen. Können wir beginnen?

Reinhard Bütikofer: Gern.


Moderatorin:
Wenn man sich die Wahlkampfberichterstattung
ansieht: Die CDU hat Kirchhof, die SPD schlägt sich mit der
Linkspartei rum. Von den Grünen hört man fast gar nichts.
Haben Sie noch einen Joker in der Hand?

Reinhard Bütikofer: Von uns hören
sie eine ganze Menge. Und zwar zu drei Themen, die alle aktuell
den Leuten auf den Nägeln brennen. Hohe Energiekosten, Klimakatastrophen.
Von uns hören sie eine Strategie, wie man das alles auf einen
Nenner bringen kann. Wie man mit einer ökologischen Politik
gegen die Klimaveränderungen wirken, die Ölabhängigkeiten
reduzieren und dabei mit Innovationen neue Jobs schaffen kann. In
einem Satz: nur mit weg vom Öl geht es wirklich weiter.

Danny-Uni-S: Wieso fehlen offensive Bekenntnisse
zu Rot-Grün? Ist das ein Zeichen, dass die Grünen einen
neuen politischen Weg suchen?

Reinhard Bütikofer: Wir haben bereits
am ersten Tag nach der Neuwahlankündigung gesagt: Wir wollen
Rot-Grün fortsetzen, wenn wir eine Mehrheit bekommen. Und wenn
nicht, dann wollen wir als starke Oppositionspartei für den
eingeschlagenen Weg weiterwirken. Die Unklarheiten liegen bei der
SPD, die sich in wechselnde Koalitionsdebatten verwirrt.

Haller_tokyo: Kann es sein, dass es eine
Schwarz-Grüne Koalition geben wird?

Reinhard Bütikofer: Nein, das ist ausgeschlossen.
Wir können doch als Grüne nicht mit denen koalieren, die
die Laufzeit der Atomkraft-werke auf 60 Jahre verdoppeln wollen,
die die erneuerbaren Energien in die Nische verdrängen wollen
und die mit Kopfpauschale und Kirchhofs Kopfsteuer den Abschied
vom Sozialstaatsprinzip betreiben.

Erlanger: Falls die Grünen sich nach
dieser Wahl in der Opposition wieder finden, wird es dann eine ähnliche
Blockade-Politik geben, wie die schwarz-gelbe der letzten Jahre?

Reinhard Bütikofer: Das steht zu befürchten,
dass dann eine große Koalition sich gegenseitig blockiert
oder Schwarz-Gelb die richtigen Reformenentwicklungen blockiert,
die wir in den letzten sieben Jahren eingeschlagen haben. Deswegen
kämpfen wir ja dagegen an.

Gizmo771:
Welche Personen aus der Grünen Partei
werden in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle spielen?
Wo bleibt der grüne Nachwuchs?

Reinhard Bütikofer: Wie jung muss er
denn sein, der Nachwuchs? Bei uns dominieren in der Partei die 45
– 55-Jährigen, in jeder anderen Partei wäre das die Jugend.
Aber wenn man an Leute wie Katrin Göring-Eckardt und viele
andere in den Ländern denkt. In Landesver-bänden wie in
Hessen gibt es in der Führung schon niemanden mehr über
40. Und die letzte Umfrage von Allensbach hat gezeigt, dass bei
uns der Zustrom unter den Jüngeren nach wie vor überproportional
hoch ist. Ansonsten machen wir ja 14 Tage vor der Wahl keine Personaldebatten.
Dafür haben wir am 19. September immer noch Zeit.

Danny-Uni-S: Wie sieht die
Zukunft von Fischer aus, wenn Sie in der Opposition landen?

Reinhard Bütikofer: Das sollte man in
erster Linie Joschka Fischer selber fragen. Wenn es nach mir geht,
werden wir noch sehr lange mit Joschka Fischer gemeinsam die Republik
umtreiben.

Haller_tokyo: Wenn die grüne Partei
Konkurrenz zur FDP sein will, wie unterscheidet sie sich in Bezug
auf den Erhalt von Bürgerrechten in Zeiten der Terrorbekämpfung?

Reinhard Bütikofer: Die Frage finde
ich merkwürdig. Seit wann ist die FDP Maßstab bei den
Bürgerrechten. Das war mal vor 35 Jahren. Der große Lauschangriff,
mit dem wir uns jetzt herumzuschlagen haben, ist von der FDP mit
umgesetzt worden. Und wenn ich Guido Westerwelle zuhöre, dann
besteht der Kern seiner Bürgerrechtspolitik darin, dass jeder
Steuerhinterzieher auf jeden Fall durchs Bankgeheimnis geschützt
bleiben muss. Das sehen wir auf jeden Fall anders.

Moderatorin: Nachfragen zu Ihrer Antwort
zu Fischers Zukunft
Miarult: Was sind die Grünen ohne Joschka wert?

Reinhard Bütikofer: Die Frage ist schlicht
dämlich, weil es eine Beleidigung von 45.000 Mitgliedern und
4 Millionen Wählern ist, die gemeinsam grüne Erfolge durchgesetzt
haben. Oder bildet sich Miarult ein, die Erfolge bei den regenerativen
Energien hätte Joschka Fischer im Alleingang organisiert?

webnaex: Viele werden später erst die
Erfolge von Rot-Grün sehen. Doch, meinen Sie, dass eine Große
Koalition auf den Erfolgen aufbauen könnte?

Reinhard Bütikofer: Ich glaube, man
kann heute schon wesentliche Erfolge von Rot-Grün sehen, zum
einen im gesellschaftspolitischen Bereich. Da haben wir das Land
freier und weltoffener gemacht. Zum Zweiten in der Außenpolitik:
63% der Deutschen sagen, sie sind mit Joschka Fischers Außenpolitik
zufrieden. Und nicht zuletzt in der Energiepolitik: Mit dem Atomausstieg
und der Förderung der erneuerbaren Energien haben wir tatsächlich
ein weltweites Vorbild gesetzt. Unsere progressive Energiepolitik
wird in zahlreichen Ländern inzwischen kopiert – darauf bin
ich besonders stolz. Ich fürchte, in allen drei Bereichen wären
bei einer großen Koalition Rückschritte angesagt. Am
Leichtesten würden sich SPD und CDU darauf einigen, dass Ökologie
und Umwelt mal Sendepause haben. Die Garanten für die Priorität
dieses Themas, das uns die Klimakatastrophen mit gebieterischer
Kraft auf die Agenda schreiben, sind nun mal nur wir Grünen.

mad: Haben Sie nicht Sorge, dass Ihre Partei
in der gegenwärtigen Zuspitzung auf die beiden "großen"
Parteien untergeht bzw. wenig Beachtung findet? Auch das TV-Duell
ist so ein Beispiel.

Reinhard Bütikofer: Tatsache ist, dass
wir im August ein Drittel weniger Medienaufmerksamkeit hatten als
im Durchschnitt der letzten drei Monate. Nicht, weil wir uns nicht
angestrengt hätten, sondern weil es die von ihnen beschriebene
Zuspitzung tatsächlich gibt. Ich sehe zwei Möglichkeiten,
dem entgegen zu wirken: Die eine bedeutet, dass wir auf Joschka
Fischer als Wahlkampflokomotive setzen. Er ist schließlich
nach wie vor außerordentlich respektiert. Die zweite liegt
in der Konzentration auf das Thema: Klimaschutz schafft Jobs, ökologische
Innovation ist die Antwort auf unsere ökonomischen Probleme.

Moderatorin: Werden wir mal konkret: Töpfer
hat es angesprochen: Wir müssen unabhängig vom Erdöl
werden. Das heißt doch auch, dass Atomkraftwerke doch länger
laufen müssen?

Reinhard Bütikofer: Das wäre die
dümmste Antwort. Tatsächlich kommt es z.B. darauf an,
dass die deutsche Automobilindustrie Wagen herstellt, die wesentlich
weniger Sprit verbrauchen. Dann soll man dem Sprit mehr Biosprit
beimischen. Außerdem geht es darum, im Altbau durch Wärmeisolierung
die Heizaufwendung zu reduzieren. Im Neubau durch wesentlich effizientere
Energiestandards so immense Heizbedarfe gar nicht erst entstehen
zu lassen; bis 2020 25% unserer chemischen Grundstoffe aus nachwachsenden
Rohstoffen zu gewinnen; bis 2020 25% unseres Energiebedarfes aus
erneuerbaren Energien zu gewinnen; in allen unseren Branchen die
Energieeffizienz wesentlich größer zu schreiben. D.h.
es geht um eine Vielzahl von Innovationen, die nicht nur unsere
eigene Ölabhängigkeit verringern, sondern uns zugleich
die Produkte und Dienstleistungen für den Weltmarkt für
Morgen liefern werden – und das heißt Jobs. Die Atomenergie
liefert keine Jobs und sie hat Risiken, die nicht gesunken sind,
sondern gestiegen… Stichwort "Terrorismus".

Moderatorin: Warum haben wir denn noch keine
5-Liter-Autos? Sie waren doch 7 Jahre an der Macht?

Reinhard Bütikofer: Wir waren 7 Jahre
an der Regierung und nicht in den Vorständen von BMW oder VW
oder Daimler. Und da wir keine Staatswirtschaft haben, können
wir nicht per ordre de Mufti die Automobilvorstände zur Vernunft
zwingen. Aber ich bin für jede Hilfe dankbar. Also z.B. dafür,
dass sie ihre Selbstverpflichtung, die wir ihnen abgerungen haben,
einhalten, bis 2008 den Flottenverbrauch für Benziner auf 5,5
Liter und 5 Liter für Dieselautos zu begrenzen.

Hartmut: Atomausstieg: deutsche Atomkraftwerke
sind die sichersten der Welt. Wenn wir sie zu früh abschalten,
könnten wir in die Verlegenheit kommen, Strom im Ausland einkaufen
zu müssen. Wäre das nicht absolut gegen den Umweltschutz,
unsichere, bspw. französische, Atomindustrie mit Einkäufen
zu fördern?

Reinhard Bütikofer: Kein Atomkraftwerk
in Deutschland ist gegen den Absturz einer Passagiermaschine sicher.
Wovon reden wir?
Pharaoh-han: Wie denken sie, kann man die Autoindustrie dazu
bringen sich verstärkt benzinsparender Motorentechnik zuzuwenden
und diese auch auf den Markt zu bringen? Die Nachfrage besteht ja
offenbar, das Angebot nur nicht.

Reinhard Bütikofer: Mittelfristig wird
der Wettbewerb auch unsere Automobilhersteller dazu zwingen, denn
die Nachfrage wird sich durchsetzen. Die Frage ist nur, ob wir bei
der Entwicklung ökologisch effizienterer Produkte vorne weg
laufen, indem die politischen und technischen Vorteile, die Deutschland
hat, dabei nutzen. Oder ob solche Entwicklungen verschlafen werden,
wie beim Dieselrußfilter oder beim Hybridauto, wo jetzt die
Jobs und die Wertschöpfung in anderen Ländern zu finden
sind. Sicherlich spielen auch politische Rahmenbedingungen eine
Rolle. Wir Grünen wollen z.B. die Umrüstung auf Gasbetrieb
bei Pkw staatlich fördern. Wir haben Erdgas als Energie für
den Verkehrsbereich schon steuerlich gefördert.

Yan: Wie will Rot-Grün gewährleisten,
dass sich der Verbraucher die Energiekosten für Heizung, Strom,
Auto etc. noch leisten kann?

Reinhard Bütikofer: Wer behaupten würde,
er könne das gewährleisten, würde lügen. Der
Benzinpreis hat sich binnen eines Jahres verdoppelt. Die meisten
Experten gehen davon aus, dass er hoch bleiben oder steigen wird.
Die Alternative, die wir haben, ist nur die: Reagieren wir auf gestiegene
Energiepreise mit klugen Anpassungsstrategien und das erfordert
ökologische Innovationen oder tun wir so wie die Union, die
meint man könne diese Herausforderung durch populistische Steuersenkungsversprechen
meistern. Mal konkret gesagt. die ganze Ökosteuer kostet weniger,
nämlich 15 Cent, als der Benzinpreis letzte Woche innerhalb
von 7 Tagen gestiegen ist. Da sieht doch ein Blinder, wo man ansetzen
muss.

Moderatorin: Apropos ökologische Neuerung:

fgdm: Ein Problem der Nutzung der regenerativen
Energiequellen ist auch der niedrige Wirkungsgrad. Den zu verbessern
wäre doch sicherlich Aufgabe der Wissenschaft und Forschung.
Wie stehen die Grünen zu Investitionen im Bildungsbereich,
speziell in den Universitäten?

Reinhard Bütikofer:
Die rot-grüne Bundesregierung
hat die Forschungsaufwendungen in den letzten Jahren um 30 % gesteigert.
Und wir haben uns verpflichtet, den Anteil von Ausgaben für
Technologieentwicklungen wieder auf mehr als 3% vom Bruttoinlandsprodukt
zu steigern. Dafür müssen wir enorme Gelder freikämpfen.
Das wollen wir tun durch Subventionsabbau, etwa in dem wir die Eigenheimzulage
streichen. Leider wurde das gestern wieder einmal von der Opposition
im Bundesrat blockiert. Für die Universitäten und Hochschulen
hat die Bundesregierung gerade zusätzliche Mittel frei gemacht.
Aber die Hauptverantwortung liegt da im Bildungsbereich bei den
Ländern. Wofür wir Grünen kämpfen ist, dass
nicht neue soziale Hürden aufgebaut werden, die den Zugang
zu Bildung und Forschung erschweren. Deswegen lehnen wir Studiengebühren
im Erststudium ab.

Moderatorin: Bitte konkreter: Wie viel wurde
denn speziell in die Forschung zu erneuerbaren Energien investiert?

Reinhard Bütikofer:
Da bin ich überfragt,
ich weiß die Steigerungsrate. Die war 30% aber die Absolutbeträge
weiß ich nicht.
Ventus2: Wird das Konzept der "Ökosteuer "
– eine Materialbesteu-erung – zur Entlastung der Lohnnebenkosten
und gleichzeitiger Reduzierung des Verbrauchs von Rohstoffen/ Energien
auf andere Bereiche ausgeweitet?

Moderatorin: Wäre das eine Idee?
Reinhard Bütikofer: Gegenwärtig haben wir keine
solche Vorstellung. Was meinen sie denn konkret?

Giga_Gans: Warum weigern Sie sich, auf das
Dilemma "Atomstrom und Umweltschutz" in Bezug auf die
Förderung ausländischer Kernkraft einzugehen?

Reinhard Bütikofer: Das verzerrt doch
die realen Zusammenhänge. Von Förderung ausländischer
Kernkraft kann ja nicht ernsthaft die Rede sein. Wie sollen wir
es denn machen? Hätten wir denn warten sollen bis die Franzosen
vorausmarschieren. Wir tragen in erster Linie für Deutschland
Verantwortung. Wir haben den Anfang gemacht. Auch wenn wir wissen,
dass andere noch zögern. Aber in dieser Vorreiterrolle liegt
eine Chance: Wenn alle, die jetzt über einen Neueinstieg in
die Atomkraft nachdenken, erkennen, wir brauchen die Atomkraft nicht,
um unsere Energiekosten zu decken. Und wenn wir bei den nachwachsenden
Rohstoffen und erneuerbaren Energien ehrgeizig sind, dann werden
wir das jetzt beginnende Umdenken nutzen können für einen
technologischen Durchbruch, der Umwelt, Klima und Jobs gut tut.

TranceM: Wo sollen denn die 25% erneuerbarer
Energien herkommen? Noch mehr Windräder oder Solarfelder?

Reinhard Bütikofer: Bei der Windkraft
liegt die Zukunftsperspektive hauptsächlich im Offshore-Bereich
und beim so genannten Repowering. Letzteres heißt, dass man
im Schnitt drei alte Windräder durch ein effizienteres, neues
ersetzt. Windkraft-Spitzenreiter ist zur Zeit Schleswig-Holstein,
die haben einen Anteil von 28%. Mit Repowering und Offshore-Windräder
könnten die auf 50% kommen. Auch Solar hat Ausbauperspektiven.
Der Wirkungsgrad der Solarzellen erhöht sich mit enormer Geschwindigkeit.
In wenigen Jahren sind Wirkungsgrade von 25 und mehr Prozent zu
haben. Dann bleibt weiterhin die Wasserkraft. Aber das größte
Potential können wir aus der Biomasse gewinnen. Da sind mehrere
100.000 Arbeitsplätze möglich und eine enorme Wertschöpfung
in unseren ländlichen Räumen.

DerOli: Wie stehen Sie zur Frage der Iran-Politik,
dürfen die Iraner nach Ihrer Meinung (zivil) die Kernkraft
nutzen? Was wäre ein Mittel zu verhindern, dass dies nicht
bloß zivil geschieht?Reinhard Bütikofer: Nach dem
Atomwaffensperrvertrag, den der Iran unterzeichnet hat, steht ihnen
die zivile Nutzung zu. Ich stelle das nicht in Frage. Ich habe aber
Zweifel, dass das Atomprogramm, das der Iran verfolgt, ausschließlich
zivile Ziele hat, denn ökonomisch macht es keinen Sinn. Die
Frage nach Einflussmöglichkeiten ist sehr schwer zu beantworten.
Nur in einem bin ich mir ziemlich sicher: die militärische
Option, von der einige phantasiert haben, gibt es de facto nicht.
Mir haben US-Experten im Februar gesagt, dass ein militärisches
Vorgehen der USA ein iranisches Atomwaffenprogramm – wenn es das
gibt – ein paar Jahre aufschieben könnte, aber nicht unmöglich
machen. Also bleibt uns nur der schwierige und bis jetzt leider
nicht erfolgreiche Weg, den Iran unter Einsatz der Mittel, die wir
zu Verfügung haben, für eine Kooperation zu gewinnen.

Moderatorin: Ventus hatte gefragt, ob sie
die Ökosteuer ausweiten wollen. Sie hatten sie um Konkretisierung
gebeten. Hier ihre Nachfrage:

Ventus2: Konkret meine ich, z.B. auch Kohle,
Gas und Uran zu besteuern. Dann werden die Energiekonzerne auch
eher auf regenerative Energien umstellen, da diese nicht versteuert
werden. Schließlich sollte nicht der Strom, sondern die Energiequelle
und nicht das Endprodukt besteuert werden. Kann man auch gut auf
Dinge wie Stahl (oder Eisenerz), Holz usw. ausdehnen, da dann auch
Unternehmen anders kalkulieren und weniger Rohstoffe verschwenden.

Reinhard Bütikofer:
Es ist Teil des Atomkonsenses,
der eben ein Kompromiss war, dass wir auf die Einbeziehung von Uran
verzichtet haben. Solange sich die Wirtschaft an die geschlossenen
Verträge hält, werden wir es auch tun. Grundsätzlich
gebe ich Ihnen mit diesem Teil aber Recht. Es wäre sinnvoll,
Kohle und Stahl mit einzubeziehen. Bei der Kohle dürfen sie
dreimal raten, an wem das gescheitert ist. Die Ökosteuer auf
eine ganze breite Palette von Rohstoffen zu erheben macht meines
Erachtens weniger Sinn. Je mehr man das verbreitern würde,
desto geringer wäre der Lenkungseffekt und desto mehr würde
es einer zweiten Mehrwertsteuer gleich kommen.

Taifun-1: Was ist wichtiger? Die Umwelt oder
Jobs?

Reinhard Bütikofer: Das Schöne
ist, dass das nicht mehr die Alternative ist. Guido Westerwelle
verkündet zwar immer noch, wir könnten uns Umwelt nur
leisten, wenn die Wirtschaft wächst. Ich setze aber dagegen,
dass es nur ein vernünftiges Wachstum geben wird, wenn wir
die Umwelt (und die sozialen Anliegen auch) einbeziehen. Fragen
Sie mal bei der Münchner Rückversicherung nach. Die rechnen
Ihnen sehr genau vor, was es in den nächsten 40 Jahren allein
an Umweltschäden kosten wird, wenn wir Wirtschaftswachstum
ohne Rücksicht auf die Umwelt betreiben wollten. Mit der Verdopplung
der Jobs im Bereich der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren
haben wir ja gezeigt, wie es geht. Auch für die Automobilindustrie
wird Öko-Innovation der Weg zum internationalen Wirtschaftserfolg
sein.

Moderatorin: Zum Abschluss noch einmal zum
Wahlkampf:

gelbgruen: Wieso haben Sie – Ihrem Parteiprogramm
zum Trotz – so wenig Bürokratie abgebaut? Und stattdessen
mit der SPD viele bürokratische Monstren erschaffen wie die
Praxisgebühr?

Reinhard Bütikofer: Die Praxisgebühr
war nicht unsere Erfindung. Das hat uns Schwarz-Gelb im Vermittlungsausschuss
aufs Auge gedrückt, als Bedingung dafür, dass wir überhaupt
einen Ansatz zur Gesundheitsreform hinbekommen. Und in anderen Bereichen,
wo wir erfolgreich Bürokratie abgebaut haben, will Gelb-Schwarz
sie wieder einführen, z.B. im Handwerk. Wir haben den Meisterzwang
für 54 von 93 Gewerken beseitigt. Das hat zu einer enormen
Zahl von Existenzgründungen geführt. Aber ich bin auch
gern bereit offen darüber zu reden, wie wir mehr Verbraucherschutz
und mehr Umweltschutz mit weniger Bürokratie hinkriegen können.
Das heißt dann u.a. Haftungsrecht wie in den USA. Von mir
aus gerne.

kremplin: Wird nicht die Linkspartei in Zukunft
der wahre Konkurrent der Grünen?

Reinhard Bütikofer: Nein. Die Linkspartei
hat bis jetzt keine neue politische oder soziale Idee zustande gebracht.
Sie konkurriert mit dem strukturkonservativen Flügel der SPD,
aus dem sie zum erheblichen Teil stammt. Wir setzen auf solidarische
und ökologische Modernisierung.

Moderatorin: Das war unsere Chat-Stunde,
vielen Dank für Ihr Interesse. Herzlichen Dank Herr Bütikofer,
dass Sie sich die Zeit genommen haben. Der nächste Chat findet
am Donnerstag statt. Den Fragen stellt sich dann CDU/CSU-Fraktionsvize
Wolfgang Schäuble. Der Chat beginnt um dreizehn Uhr und dauert
wie immer eine Stunde. Liebe Chatter und Chatterinnen, herzlichen
Dank für Ihre vielen Fragen. Wir haben uns wie immer bemüht,
alle von Ihnen angesprochenen Themenfelder im Lauf der Chats anzusprechen.
Aber auch heute blieben viele Fragen offen. Wir würden uns
freuen, wenn Sie auch beim nächsten Mal wieder dabei sind!
Am Donnerstag: Wolfgang Schäuble, dreizehn bis vierzehn Uhr,
hier bei tagesschau.de in Kooperation mit politik-digital.de und
tagesspiegel.de.

Reinhard Bütikofer: Ich höre, wir
hätten noch für drei Stunden Fragen gehabt. Schade, dass
nicht mehr Zeit zur Verfügung war. Ich bedanke mich und sage
zum Schluss als Wahlkämpfer: Gehen Sie auf jeden Fall zur Wahl.