Am Montag, 23. Januar, war Dirk Niebel, MdB und Generalsekretär
der FDP, zu Gast im tagesschau-Chat von tagesschau.de in Kooperation
mit politik-digital.de. Die Haltung der Grünen zu einer Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses zur BND- und CIA-Affäre kommentierte
Niebel ebenso wie das Investitionsprogramm der schwarz-roten Regierung.
Moderator: Liebe Politik-Interessierte, draußen
ist es knackig kalt, aber in unserem Chat geht’s hoffentlich gleich
heiß her: herzlich willkommen beim tagesschau-Chat. Unser
Gast im ARD-Hauptstadtstudio ist heute der Generalsekretär
der FDP, Dirk Niebel. Wie immer können Fragen zu allen Themen
gestellt werden – wir sammeln und "arbeiten ab". Herzlich
willkommen, Herr Niebel, können wir beginnen?
Dirk Niebel: Klar.
Moderator: Herr Niebel, wie teuer erkauft die
FDP die Zustimmung der Grünen zum BND-Untersuchungsausschuss?
Dirk Niebel: Wir haben nie einen BND-Ausschuss
gefordert, sondern einen Ausschuss, der sich mit der Aufhellung
der Grauzonen des rechtsstaatlichen Handeln beschäftigt. Damit
die Grünen hier kein Argument haben, um abzuspringen, haben
wir in einem Kompromissvorschlag fast vollständig ihre Formulierungen
des Untersuchungsauftrages übernommen.
Frederik (in Rouen): Sehr geehrter Herr Niebel,
wie stehen Sie zu der Meinungsänderung der Grünen? Warum
sind die Grünen nun zum Verzicht bereit und warum beharrt die
FDP auf den Untersuchungsausschuss?
Dirk Niebel: Wir wollten immer umfassende Transparenz
gewährleisten, von der Entführung deutscher Staatsbürger
über CIA-Flüge bis zu Verhören in Foltergefängnissen.
Wenn die Grünen jetzt abspringen, dient das nicht der Pflege
des Rechtsstaates, sondern der des Denkmals Fischer.
hansprobst: Muss man sofort, wenn die Medien brüllen,
einen Ausschuss einrichten?
Dirk Niebel: Im Gegenteil. Wenn aber seit Ende
letzten Jahres viele Fragen nicht beantwortet wurden und immer neue
dazu kommen, ist es die Aufgabe des Parlaments, die Regierung zu
kontrollieren.
Hook: Schaden Sie mit einem Untersuchungsausschuss
nicht der Arbeit des BND?
Dirk Niebel: Der Vorwurf, Aufklärung würde
die innere Sicherheit gefährden, ist infam. Das Gegenteil ist
der Fall. Nicht aufzuklären würde den Rechtsstaat gefährden.
Darüber hinaus ist uns die Notwendigkeit funktionierender Geheimdienste
bewusst. Auch ein Untersuchungsausschuss kann teilweise geheim tagen
und wird sicher keine operativen Aufgaben des BND öffentlich
machen.
aron: Was für Themen wünschen Sie (oder
die FDP) denn im Detail aufgeklärt zu sehen? Geht es nur um
die Beteiligung deutscher an der Zielauswahl oder auch um andere
Themen wie die CIA-Flüge oder auch um Fälle wie die Entführung
el-Masris?
Dirk Niebel: Die Frage der Aufgaben des BND im
Irak ist nur ein kleiner Bestandteil des notwendigen Untersuchungsauftrages.
Der Schwerpunkt muss neben den von Ihnen angesprochenen Themen bei
der Durchsetzung des absoluten Folterverbotes liegen. Daher muss
geklärt werden, ob deutsche Behörden unter Folter erzielte
Erkenntnisse verwertet haben.
Moderator: Noch mal zum Kompromiss: Sie sagen,
sie haben fast vollständig die Formulierungen des Untersuchungsauftrages
der Grünen übernommen. Was genau heißt das?
Dirk Niebel: Das bedeutet, dass dieser Untersuchungsausschuss
nicht einer Abrechnung mit Rot-Grün dienen soll, sondern Aufklärung
über die nicht beantworteten Fragen bringen soll. Das bedeutet
weiter, dass die Grünen sich nicht herausreden können
und dass es kein politisches Argument für sie gibt, sich zu
verweigern.
Moderator: Wie reagieren Sie und die FDP, wenn
die Grünen tatsächlich abspringen?
Dirk Niebel: Ein Untersuchungsausschuss kann dann
nicht beantragt werden. Aber die Öffentlichkeit würde
erkennen, dass alles, was die Grünen jemals über Rechtsstaat,
Bürgerrechte, Transparenz und demokratische Kontrolle erzählt
haben, ad absurdum geführt würde.
Chestnut: Könnte das Ganze nicht zum PR-Desaster
für die FDP werden? Wenn die Partei zu verzweifelt an dem Ausschuss
festhält, denkt sich doch jeder: Klar, die haben’s nötig,
weil sie in der Opposition sind.
Dirk Niebel: Wenn die kleinste Fraktion im Bundestag,
die Grünen, sich an der Aufklärungsmöglichkeit nicht
beteiligt, werden sie schon ihre Gründe haben. Der Untersuchungsausschuss
muss nicht belegen, ob Joseph Fischer gelogen hat oder nicht. Wer
heute in den Focus guckt, erfährt, dass Fischer sich am 16.
Dezember 2003 ausführlich von den BND-Agenten in Aman hat vortragen
lassen,
obwohl er noch Anfang des Jahres der Öffentlichkeit und seiner
Fraktion gesagt hat, dass er diesen Vorgang nicht kenne.
drasdo: Ich verstehe die ganze Diskussion nicht.
Jede Bundesregierung, die staatspolitisch verantwortlich handelt,
muss, um sich ein eigens Bild zu verschaffen, Mitarbeiter in eine
Krisenregion schicken. Mit der Diskussion erreichen Sie allerdings
den Mann am Stammtisch sehr gut.
Dirk Niebel: Die erste Aussage ihres Satzes ist
völlig richtig. Hier geht es nur um die Deckungsgleichheit
von Reden und Handeln. Viel wichtiger sind mir die anderen unbeantworteten
Fragen, die ich vorhin schon genannt hatte.
aron: Würden Sie sagen, Sie haben den konkreten
Verdacht, dass deutsche Behörden Folteraussagen verwendet haben?
Welche Zeugen würden sie zu diesem Thema gerne befragen?
Dirk Niebel: Innenminister Schäuble hat in
der Bundestagsdebatte gesagt, in den Akten gäbe es keine Erkenntnisse,
die auf die Verwertung von Foltergeständnissen hinweisen. Das
reicht nicht aus!
luftikus: Das parlamentarische Kontrollgremium
hat die BND-Geschichte aus Bagdad schon für unproblematisch
erklärt. Wieso soll das dann überhaupt noch in den Ausschuss?
CIA würde doch reichen. Dann machen bestimmt auch die Grünen
mit.
dunkelmann: Hallo Herr Niebel, für wie groß
halten Sie denn den Einfluss von Fischer in der Grünen-Fraktion?
Dirk Niebel: zu luftikus: Einspruch. Das parlamentarische
Kontrollgremium hat festgestellt, dass die Agenten entsprechend
ihres Auftrages korrekt gehandelt haben. Das bedeutet etwas anderes.
Im Übrigen: Wir haben nie einen BND-Ausschuss gefordert. Wir
haben die Fragestellung der Grünen fast vollständig übernommen.
Aber die Reihenfolge der Fragen in unserem Vorschlag so verändert,
dass CIA und Folter vorne stehen und nicht der BND, wie es die Grünen
vorgeschlagen haben. Zu dunkelmann: Er (Joschka Fischer) wurde in
der Vergangenheit als Gottvater bezeichnet, wenn er innerhalb einer
Woche die Fraktion und Parteiführung nach einem klaren ‘Ja’
zum Untersuchungsausschuss zu einem ‘Nein’ umdrehen kann, sagt dass
nicht nur was über seinen Einfluss, sondern auch über
das mangelnde Rückgrat der grünen Fraktion aus.
Moderator: Für Sie ein Skandal?
Dirk Niebel: Zumindest sehr erhellend.
hans probst: Wie stehen Sie dann zu Aussagen eines
Wolfgang Schäuble, man dürfe "erfolterte" Aussagen
von Häftlingen auch in Deutschland in einem Rechtsstreit verwenden?
R.M.: Dürfen Ihrer Meinung nach deutsche
Behörden unter keinen Umständen Folteraussagen verwenden?
Auch nicht im zugespitzten Fall, in dem dadurch Leben gerettet werden
können?
Dirk Niebel: Das absolute Folterverbot darf nicht
aufgeweicht werden. Wer sich im Kampf gegen den Terror nicht rechtstaatlicher
Mittel bedient, begibt sich auf eine schiefe Bahn und überschreitet
eine rote Linie, wodurch man sich auf die gleiche Ebene begibt,
wie diejenigen, die man bekämpfen will.
bndagent: Wird auch die Beziehung zwischen Frau
Osthoff und dem BND Teil des Untersuchungsausschusses sein?
Dirk Niebel: Ich glaube, es ist notwendig, dass
der Bundesaußenminister dem parlamentarischen Kontrollgremium
gegenüber zum Fall Osthoff Rede und Antwort steht. Dieser Fall
ist zwar sehr diffus, hat mit dem anderen Komplex aber nichts zu
tun.
blacktimh: Wie finden Sie die Vorwürfe, dass
Susanne Osthoff die Entführung plante?
Dirk Niebel: Das kann ich nicht beurteilen. Der
Umstand, dass eventuell Lösegeld bezahlt wurde und davon einiges
bei ihr aufgefunden wurde, verbietet es aber, dass die Bundesregierung
gegenüber den zuständigen Gremien weiterhin schweigt.
Sollte sich der Vorwurf bewahrheiten, ist es meines Erachtens nicht
nur kriminell, sondern Frau Osthoff hätte anderen potenziellen
Entführungsopfern einen Bärendienst erwiesen.
Hasenchartbreaker: Hallo Herr Niebel. Was ist
eigentlich dran an dem Gerücht, dass die FDP intern schon ziemlich
von der Selbstdarstellung eines Herrn Westerwelle genervt ist?
Dirk Niebel: Überhaupt nichts.
Eirikr: In Deutschland wird immer wieder mit nachfrageorientierten,
keynesianisch ausgerichteten Argumenten gefochten. Warum ist es
so schwer, den Leuten klar zu machen, dass das Schnee von gestern
ist? Zumal nur eine Minderheit unter den Experten in Deutschland
daran glaubt und im europäischen Ausland damit auch nicht mehr
argumentiert wird.
Dirk Niebel: Das Grundproblem besteht darin, dass
gerade bei einer großen Koalition die schwarz und rot lackierten
Sozialdemokraten den Bürgern nichts zutrauen. So versuchen
sie, mit einem Investitionsprogramm, für das sie das Geld nicht
haben, etwas zu erreichen, was Bürger und Unternehmen, wenn
ihnen der Staat mehr vom selbstverdienten Geld überließe,
viel besser selbst könnten.
Oskar Matzerat: Was genau unterscheidet für
Sie den Begriff "liberal" im Deutschen von dem "liberal"
im Amerikanischen?
Dirk Niebel: Im deutschen Liberalismus wurde der
Nachtwächterstaat durch die sogenannten Neoliberalen abgelöst,
die dafür gesorgt haben, dass im Umgang untereinander Spielregeln
aufgestellt wurden, die der Staat wie ein Schiedsrichter zu überwachen
hatte. Mittlerweile könnte man glauben, der Schiedsrichter
möchte gerne selbst die Tore schießen. Das kann nicht
funktionieren. Der amerikanische Liberalismus ähnelt meines
Erachtens eher dem alten Nachtwächterstaat.
jj: Sehr geehrter Herr Niebel. An sich bin ich
ja der FDP gegenüber sehr wohlgesonnen, doch habe ich in letzter
Zeit ein Problem: Mir fällt auf, dass das einzige, was man
von den Liberalen hört, Gemecker ist. Es wird von Bundesparteiseite
nur rumgemosert, gemeckert, kritisiert. Ist das die Rolle der FDP
in der Opposition?
Dirk Niebel: Überhaupt nicht. Da ist ihre
Wahrnehmung leider sehr eingeschränkt. Schon im Vorfeld des
Koalitionsvertrages war es die FDP, die in der Diskussion über
die Föderalismusreform die Großkoalitionäre zwingen
konnte, auch eine Reform der Finanzbeziehungen in Deutschland im
Koalitionsvertrag festzuschreiben. Die Rolle der FDP als Oppositionsführer
ist eine konstruktive, die die große Koalition auch antreibt
und selbstverständlich zu kontrollieren hat.
aron_: Noch einmal zu den Foltervorwürfen:
Als überzeugter Gegner von Folter frage ich mich, wie derart
ungeheuerliche Vorwürfe entstehen konnten. Woher kommt die
Vermutung, dass deutsche Behörden Folteraussagen verwendet
hätten?
Dirk Niebel: Deutsche Beamte haben nach Auskunft
des Bundesinnenministers sowohl in Guantanamo als auch in syrischen
und libanesischen Gefängnissen, die für Folter bekannt
sind, Vernehmungen durchgeführt. Übrigens ohne, dass der
Generalbundesanwalt davon wusste. Allein das bedarf der rückhaltlosen
Aufklärung.
PPM: Sehr geehrter Herr Niebel, was sehen sie
denn so problematisch daran, dass der BND im Irak aktiv war und
eventuell Informationen an die Amerikaner weitergegeben hat? Die
USA sind schließlich unsere Verbündete und wenn der BND
Informationen weitergegeben haben sollte, sehe ich darin kein Problem.
Warum auch?
Dirk Niebel: Grundsätzlich würde ich
Ihnen zustimmen. Handeln und Reden der Bundesregierung würde
dann allerdings sehr weit auseinander klaffen. Nichtbeteiligung
am Irakkrieg bedeutet ja nicht nur, keine Soldaten zu schicken.
Aber noch einmal: Die FDP hat zu keinem Zeitpunkt einen BND-Ausschuss
gefordert, sondern von Anfang an eine umfassende Beleuchtung der
Grauzonen rechtsstaatlichen Handelns.
Moderator: Nachfrage nach Verhören in Guantanamo:
Clemens Gretkowski: Was für Beamte, Herr
Niebel? BND, Bundespolizei, Bundeswehr? Was für Beamte haben
die Vernehmungen durchgeführt?
Dirk Niebel: Nach meinem Wissen Beamte des Bundeskriminalamtes.
Montagsmaler: Kommt meine Frage noch? Ich entdecke
in der Rückkehr der Menschenrechts- und Rechtsstaatsthemen
mehr Gemeinsamkeiten zwischen FDP und SPD als mit der CDU. Steht
Ihnen nur die Marktscheu der Sozialdemokraten bei einer Koalition
im Wege?
Dirk Niebel: Koalitionsfragen werden beantwortet,
wenn sie sich stellen.
Moderator: Dennoch: Könnte die SPD der Nach-Schröder-Ära
für die Liberalen im Bund künftig wieder interessant sein?
Dirk Niebel: Da die Sozialdemokratisierung der
Union in rasendem Tempo vorangeht, unterscheiden sich Union und
SPD immer weniger voneinander. Das bedeutet für uns, all die
Menschen, die einen Politikwechsel wollten und nur einen Personalwechsel
bekamen, sind bei der FDP herzlich willkommen.
Kallebeckenbauer: Hallo Herr Niebel, sind die
gewählten Abgeordneten wirklich die Vertreter des Volkes? Ich
habe nicht immer den Eindruck. Da wird viel über die Köpfe
der Leute hinweg entschieden. Warum machen Sie von der FDP sich
nicht stark dafür, Volksabstimmungen generell einzuführen?
Haben die Politiker davor Angst?
Dirk Niebel: Wir haben uns als FDP seit längerer
Zeit für eine Stärkung plebiszitärer Elemente ausgesprochen.
Das gilt insbesondere, wenn die Legislaturperiode tatsächlich
auf 5 Jahre verlängert werden sollte. Generell halten wir aber
an der repräsentativen Demokratie in einem 82-Millionen Volk
fest.
David13: Was hält die FDP von der Lohnforderung
der IGM: Konjunkturbremse oder eine echte Alternative um den Binnenmarkt
anzukurbeln?
Dirk Niebel: Ein "Superprogramm" zur
Vernichtung von innerdeutschen Arbeitsplätzen. Stattdessen
würde ein einfaches und niedriges Steuersystem zu einem wesentlichen
Schub für mehr Wachstum und weniger Arbeitslosigkeit führen.
Usama: Hallo Herr Niebel. Die Erhöhung der
Mehrwertsteuer haben Sie gegeißelt, weil sie die Konjunktur
abwürge. Jetzt geißeln Sie die staatlichen Investitionen,
die die Konjunktur ankurbeln sollen. Was wollen Sie denn überhaupt?
Noch mehr Belastung der kleinen Leute und Entlastung der großen
Unternehmen?
Dirk Niebel: Es ist doch unsinnig, dass der Staat
den Bürgern ihr selbstverdientes Geld wegnimmt, durch einen
teuren Verwaltungsapparat katalysiert, um es ihnen dann hinterher
nach Abzug der Verwaltungskosten zweckgebunden in Form eines Investitionsprogramms
wieder zurück zu geben. Nicht der Staat, die Bürger wissen
besser, was sie mit ihrem Geld anfangen sollen.
Copperhead: Wird die FDP per Bundesrat die Mehrwertsteuer-Erhöhung
zu Fall bringen?
Dirk Niebel: Kein Land mit FDP-Regierungsbeteiligung
wird der Mehrwertsteuer-Erhöhung zustimmen. Das bedeutet, wir
müssen unsere Regierungsbeteiligung in Baden-Württemberg,
Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 26. März erhalten und
dann noch ein weiteres Bundesland von der Unsinnigkeit der Mehrwertsteuer-Erhöhung
überzeugen, um diese zu verhindern. Im September wählen
die rot-rot regierten Länder Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.
Ich bin gespannt, wie die PDS ihren Wählern eine Mehrwertsteuer-Erhöhung
verkaufen möchte. Sie sehen also, wenn die FDP in den Wahlen
stark wird, gibt es eine echte Chance, die Mehrwertsteuer-Erhöhung
zu verhindern.
Tequilllla: Halten sie es für möglich,
aus ihrer Oppositionsrolle bestimmte Projekte der CDU (oder auch
SPD) zu unterstützen, die im jeweils anderen Lager der Koalition
keine hundertprozentige Zustimmung findet und so eventuell die Stimmen
zur Durchsetzung fehlen? Ich denke da an die Kombilohn-Debatte seitens
der CDU, die nicht von allen SPD Anhängern als Unsinn abgetan
wird, aber auch nicht von allen getragen wird.
Dirk Niebel: Von unserer Warte aus wäre das
sicher möglich, allerdings wird die Regierung bestimmt nicht
mit wechselnden Mehrheiten arbeiten. Das bedeutet alles, worüber
die beiden sich nicht einigen können, findet nicht statt. Also
Politik auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner.
Jk: Wie stellen sie sich denn eine Ausmistung
der "teuren" Verwaltung vor? Mehr Bundeskompetenz und
weniger Ebenen? Ein vereinfachtes Verwaltungsverfahrensgesetz? Da
hätte ich doch Angst, dass Sie Rechtsschutzinstanzen für
den Bürger beschneiden müssten.
Dirk Niebel: Weniger Aufgaben für den Staat
und mehr Freiheit für den Bürger bedeutet in der Konsequenz
auch weniger Verwaltung. Eine Aufgabenüberprüfung dessen,
was der Staat zu tun hat, ist dringend überfällig. Befristete
Gesetze und Verordnungen, Bürokratiefolgeabschätzung im
Vorfeld von Gesetzgebungsverfahren würden ein Übriges
tun.
PPM: Tendieren Sie dazu, dass sich die Union gerade
dem ‘sozialen Gedanken’ anbiedert, anstatt sich wieder ihrem eigenen
‘konservativen’ Profil zuzuwenden,
oder sehen Sie diese Entwicklung als eine kurzfristige Entwicklung?
Dirk Niebel: Im Binnenwettbewerb der beiden großen
sozialdemokratischen Parteien sehe ich eher einen dauerhaften Linksruck
im deutschen Bundestag. Es gibt vier staatsgläubig/sozialdemokratisch
strukturierte Fraktionen und eine bürgerlich liberale.
Lennox: Ich dachte, es ging hier um Geheimdienstmethoden
und Terroristenjagd!?
Moderator: Wie in der Anmoderation angekündigt:
"Wie immer können Fragen zu allen Themen gestellt werden".
aron_: Halten sie die Diskussion um den Atomwiedereinstieg
in Anbetracht der ebenso knappen Uranvorkommen für sinnvoll?
Dirk Niebel: Kernkraftwerke, die nicht sicher
sind, müssen sofort abgestellt werden. Kernkraftwerke, die
sicher sind, müssen die Chance bekommen, entsprechend ihrer
wirtschaftlichen Lebensdauer betrieben zu werden. Eine Forderung
nach Neubau von Kernkraftwerken halte ich für unsinnig, insbesondere,
weil mir kein Betreiber bekannt ist, der sie ernsthaft erheben würde.
lemonBER: Auch wenn Sie die Grünen zu den
staatsgläubigen Parteien zählen – sehen Sie nicht gerade
bei Bürgerrechtsthemen und eben auch beim Missbrauch der Regierungsmacht
durch all zu selbstgerechte Staatlichkeit Anknüpfungspunkte
an die Grünen, die zweite Partei mit zumindest liberalem Potential?
Dirk Niebel: Ich sehe Anknüpfungspunkte in
Teilen der grünen Wählerschaft, nicht aber im Handeln
der grünen Partei. Weder in der Regierungszeit, wo sie die
Lösung von Problemen immer irgendwelchen staatlichen Organisationen
zugeordnet hat, noch in der Opposition, wo sie jetzt auf dem besten
Weg ist, alle öffentlich proklamierten Ziele zum Schutz von
Joseph Fischer über Bord zu werfen.
Klammerbeutel: Hallo Herr Niebel. Offensichtlich
kommen Sie ja von der großen Koalition mit Ihrer ehemaligen
Partnerpartei, der CDU, nicht so richtig los. Besteht bei dieser
Konstellation der Opposition überhaupt die Chance einer schlagfertigen
Gegenposition zur amtierenden Regierung?
Dirk Niebel: Selbstverständlich. Erstens,
weil große Koalition zwar große Mehrheit bedeutet, nicht
aber große Problemlösungskompetenz. Eine große
Koalition hat langwierige Abstimmungsprozesse, um sich auf den kleinsten
gemeinsamen Nenner zu einigen. Das reicht nicht zur Lösung
der Probleme Deutschlands.
Moderator: Für die Kanzlerin gehen die Beliebtheitswerte
stark nach oben: Warum steht die große Koalition so gut da?
Dirk Niebel: Erstens ist Frau Merkel eine durchaus
sympathische Persönlichkeit. Zweitens bringen große Koalitionen
es mit sich, dass viele Menschen sie gewählt haben, sich also
gerne im Ergebnis wieder sehen. Hierfür nehmen sie ebenso wie
Teile der veröffentlichten Meinung inhaltliche Abstriche hin.
Imperanevs: Sie stehen Sie persönlich zu
einem geplanten gesamtdeutschen Einbürgerungstest?
Dirk Niebel: Grundsätzlich bin ich der Ansicht,
dass man von Einbürgerungswilligen über die Kenntnisse
der deutschen Sprache hinaus Grundkenntnisse des deutschen Gesellschaftssystems
erwarten kann. Ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung
ist zwingend, das bedeutet aber nicht, dass der Staat alles fragen
darf. Die sexuelle Ausrichtung oder individuelle religiöse
Überzeugungen sind Privatsache.
Peter18: Wie alles im Leben, so sollte auch diese
Geschichte den normalen Dienstweg gehen und von den Vorgesetzten
der beiden Agenten geklärt werden. Ich denke, ein Nachrichtendienst
ist zum beschaffen von Informationen da. Auch für die Beschaffung
von Lageinformationen aus dem Irak und wenn diese dann auch noch
dazu dienen, dass der Schaden an zivilen Gebäuden minimiert
wird, ist das zumindest militärisch gesehen sehr wertvoll.
Dirk Niebel: Abgesehen davon, dass wir keinen
reinen BND-Untersuchungsausschuss wollen, dient natürlich auch
die Weitergabe nicht zu bombardierender Ziele einem militärischen
Zweck. Der Jurist nennt so etwas Umkehrschluss. Hier geht es wieder
um die Frage von Reden und Handeln einer Regierung.
Moderator: Das waren 60 Minuten tagesschau-Chat.
Wie stets die Bitte um Nachsicht an diejenigen, die mit ihrer Frage
nicht zum Zuge gekommen sind. Vielen Dank für Ihr Interesse.
Vielen Dank an Sie, Herr Niebel, dass Sie heute Zeit für unsere
User hatten. Das Chat-Protokoll finden Sie wie immer auf tagesschau.de
und politik-digital.de. Dort erfahren Sie auch die Termine für
die nächsten Chats. Nächster Gast bei uns ist die Grüne
Bundestagsabgeordnete und Bundestagsvize-Präsidentin Katrin
Göring-Eckardt am 6. Februar ab 13 Uhr.
Dirk Niebel: Vielen herzlichen Dank und ich wünsche
Ihnen allen einen ergebnisorientierten Arbeitstag.