Memes sind zu einem wesentlichen Teil der Kommunikation im Internet geworden und damit auch Teil des politischen Diskurses. Die  Forscherin Limor Shifman hat herausgefunden, dass Memes leben und sich durch die Community weiterentwickeln. In den letzten Jahren werden Memes nicht nur verwendet, um uns zum Lachen zu bringen. Immer öfter werden sie auch für unterschiedliche politische Zwecke eingesetzt. Vor allem das rechte Spektrum nutzt die repetitiven Bilder sehr erfolgreich für sich.

Meme 1×1 – Was ist überhaupt ein Meme?

Weiße, fette Schrift auf einem scheinbar zusammenhanglosen Bild, das ist ein Meme (gesprochen: Meem). Menschen im Internet verwenden diese Bilder, um ihre Gefühle, Ansichten und Einstellungen untereinander zu kommunizieren. Ursprünglich wurde der Begriff Meme vom Evolutionsbiologen Richard Dawkins in den späten 70ern geprägt, abgeleitet vom griechischen „mimema“ (dt: etwas Nachgeahmtes). Er verwendete ihn, um zu beschreiben, wie kleine Stücke Kultur, z. B. eine Melodie, von Mensch zu Mensch weitergegeben werden können. Der Ausdruck geriet jedoch in Vergessenheit, bis ihn einige Internet-Nutzer*innen viele Jahre später für sich wiederentdeckten. Damit hatte die neue digitale Kommunikationsform ihren Namen gefunden.

Mittlerweile werden Memes auch erforscht. Die Kulturwissenschaftlerin Limor Shifman definiert Memes als Texte, Bilder oder Videos, die durch das Internet reisen und dabei von Nutzer*innen imitiert und verändert werden. Sie zeichnen sich außerdem durch ihre Multimodalität aus, was bedeutet, dass bei Memes oft über unterschiedliche Medien mit verschiedenen visuellen Mittel gleichzeitig kommuniziert wird. Die bekanntesten und am weitesten verbreiteten unter ihnen sind einfach, humorvoll und repetitiv aufgebaut. Um ein bestimmtes Meme allerdings wirklich zu verstehen, ist manchmal viel Hintergrundwissen über die gemachten medialen Bezüge notwendig. Dieses Wissen bezeichnet Shifman als „subcultural literacy“.

Internet Spirit

Memes sind ein elementarer Teil der Netzkultur. Sie sollen unterhalten, sind aber auch ein politisches Kommunikationsmittel und nehmen damit Einfluss auf die Meinungsbildung der digitalen Generationen. Sie begleiten wichtige globale Ereignisse und greifen besonders gerne Bilder politischer Inszenierung auf, um diese in Memes zu verarbeiten und sich auf eine humorvolle Weise, oft jenseits des ursprünglichen Kontextes damit auseinanderzusetzen. Ein gutes Beispiel dafür ist der russische Präsident Vladimir Putin, der sich mit freiem Oberkörper auf einem Pferd reitend zeigt und prompt von einigen Nutzer*innen auch noch auf ganz andere Reitgefährte gesetzt wird.

Um sich an diesem neuartigen digitalen Austausch zu beteiligen, braucht es nicht viel. Ein Handy mit der richtigen App und es kann losgehen . Mit Humor und Kreativität gestalten die Internet-Nutzer*innen immer wieder neue Memes, ob zu alten Bildern oder brandaktuellen. Dabei lassen sich sowohl Trends als auch Klassiker in der Welt der Memes ausmachen. Über die Jahre hat sich ein visueller Standard etabliert, so dass die für Memes typische weiße Schriftart erkannt wird und bereits als Indiz gilt, dass in diesem Bild ein Witz oder eine polarisierende Aussage stecken könnte. Außerdem hat sich die Community mit Knowyourmeme.com ihr eigenes Lexikon geschaffen, auf dem der Ursprung und die Entwicklung der einzelnen Memes dokumentiert werden. Memes sind längst auch in der kommerziellen Werbung angekommen und werden hier gezielt in der Hoffnung eingesetzt, dass Nutzer*innen sie aufgreifen, verändern und damit „viral gehen lassen“.

Von Humor bis zum Menschenhass

Das Meme erfüllt heutzutage oft die Funktion eines sozialkritischen Kommentars, in dem ein Ereignis schnell aufgegriffen wird und oft ohne Acht auf Pietät mit schwarzem Humor verbunden wird. Memes hegen also keinen Anspruch auf einen klassischen Nachrichtenfaktor. Im Gegenteil, sie sollen vor allem in der persönlichen Öffentlichkeit der Nutzer*innen die eigene Meinung, Werte und Interessen vermitteln.

Memes und ihre Veränderungen folgen also den Anforderungen der Nutzer*innen an sie. Ein gutes und zugleich erschreckendes Beispiel dafür ist der grüne Frosch Pepe. Ursprünglich stammt er aus einem Comic, in welchem er das Statement „Feels good man“ tätigte, das sich durch seine Einfachheit schnell und vielseitig einsetzbar im Internet ausbreitete. Die Community erschuf außerdem einen traurigen Pepe-Frosch, der negative Gefühle mit „Feels bad man“ ausdrückte. Lange zirkulierte das Meme vor allem mit diesen zwei Bedeutungen, bis es die Nutzer*innen erneut weiterentwickelten. Der Frosch wurde nun mit einem schmalen süffisanten Grinsen versehen und zu „Smug Pepe“(selbstgefälliger Pepe), was laut dem Kommunikationswissenschaftler Kory A. Riemensperger den Anfang der Radikalisierung des Memes kennzeichnet.

Smug Pepe, also Pepe der Forsch mit einem gemeinen Grinsen

Jetzt kann das Meme auch im Zusammenhang mit komplexeren Themen, oft in einem herablassenden oder verspottenden Kontext, verwendet werden. Um sich z.B. über die #BlackLivesMatter-Proteste lustig zu machen, benutzten die Teilnehmer_innen von Pro-Trump-Proteste die Formulierung „Green Lives Matter“ und bezogen sich damit auf das Pepe-Meme. Auch eine Pepe-Trump-Version entstand, welche vom zukünftigen Präsidenten per Twitter direkt weiterverbreitet wurde. Im Laufe des US-Wahlkampfs 2016 wurde Pepes symbolische Bedeutung viel diskutiert. Der Gebrauch des Memes fokussierte sich zunehmend auf einen nationalistischen, rassistischen oder antisemitischen Kontext. Wohingegen Teile der Meme-Community immer noch beteuerten, dass der grüne Frosch keine festgelegte Bedeutung habe und ihn jeder für seine Zwecke verwenden könne. In der Nacht von Trumps Wahlsieg postete eine Nutzer_in »I’m fucking trembling out of excitement, brahs, we actually elected a meme as president!« (Ich zittere vor Freude, Leute, wir haben ein Meme zum Präsidenten gewählt.)

Der grüne Frosch schaffte es sogar bis in den europäischen Wahlkampf. In einem Reddit, das den französischen Front National zum Thema hat, posteten Nutzer*innen Bilder der Spitzenkandidatin Marine Le Pen als grünen Pepe Frosch. Der „Pepe Le Pen“ verbreitete sich und symbolisierte für die Rechten in Frankreich die Hoffnung, dass ein Umbruch, wie es die Wahl von Präsident Trump war, auch in Frankreich möglich sein könnte. Letztlich setzte die Partei Memes gezielt als Teil ihrer Wahlkampfstrategie ein und hoffte damit vor allem junge Menschen zu erreichen.

Eine andere Weiterentwicklung des Memes, bekannt als Angry Pepe, zeigt den Frosch unter einem roten Filter vor Wut schreiend. Die Nutzer_innen verwendeten es, um auszudrücken, dass sie zornig waren. Den traurigen Höhepunkt fand das Meme darin, dass einige Amokläufer es zur Ankündigung ihrer Tat im Internet benutzen. Ein anfangs simples und unschuldiges Bild eines Cartoon-Charakters ist durch Aneignung und Politisierung schließlich zu einem Symbol der Rechten und des Hasses geworden.

Noch während der laufenden US-Wahl meldete sich der ursprüngliche Erfinder des grünen Frosches zu Wort. Ihm gefiel es nicht, dass seine Comicfigur mittlerweile Hass im Internet und darüber hinaus verbreitete. Daher versucht er mithilfe der Kampagne #SavePepe, das Meme von den Rechten zurück zu erobern, musst sich aber schließlich eingestehen, dass die Deutung nicht mehr in seiner Hand lag. Memes werden angeeignet und reproduziert. Wir alle, aber vor allem die Meme-Community auf Seiten wie Reddit und 4Chan beeinflussen, wie sich Memes entwickeln und in welchem Kontext sie verwendet werden. Sie durchlaufen dabei den Prozess eines kulturellen Symbols, das sich im Laufe der Zeit von seiner ursprünglichen Verwendung oder Bedeutung entfernen kann.

Rechte Propaganda als Meme

Wer immer mehr in Kontakt mit radikalen politischen Memes gerät, kann leicht selbst radikalisiert werden, so der Online-Redakteur Ryan Broderick. Laut Broderick verwenden besonders Rechte die einfach verständlichen und unterhaltsamen Bilder für sich. Dabei nutzen sie scheinbar Humor, um auf Missstände hinzuweisen, während sie unterschwellig rechtsradikales Gedankengut verbreiten. Eine Studie zeigt, die Rechten verwenden bewusst Einzelschicksale oder Empathie schürende Themen, wie Tierschutz oder Kinderschutz, als Einstiegsthemen. Von dort an, übernimmt der Algorithmus der sozialen Medien die Aufgabe den Nutzer*innen immer mehr und immer radikalere, rechte Memes zu zeigen. Bis schließlich ihr gesamter Social Media Feed so sehr von rechten Memes und News bestimmt ist, dass keine regulären Medien mehr angezeigt werden.

Doch Radikalisierung über Memes kann auch anders stattfinden, nämlich über das so genannte „Shitposting“. Dies zeigt sich zum Beispiel während des US-amerikanischen Wahlkampfs 2016, in welchem der Millionär Luckey Palmer eine Art Meme-Fabrik gründete, die das Internet mit polarisierenden Anti-Hillary-Meme flutete. Laut der Amadeu Antonio Stiftung beginnt der Radikalisierungsprozess an diesen Bildern oft über ein anfänglich ironisches Schmunzeln oder dem bei Memes antrainierten Versuch nachzuempfinden, was die Macher*in ausdrücken möchten. Die Ironie klingt nach einer weil ab und die vermittelten radikalen Standpunkte sind zum festen Teil des Weltbild geworden. Von diesem Effekt scheinen der Stiftung zu Folge vor allem junge weiße Männer betroffen zu sein.

Die Amadeu Antonio Stiftung stellt außerdem fest: Rechte Propaganda ist so erfolgreich im Netz, weil sie sich sehr gut an die Aufmerksamkeitsökonomie der Sozialen Medien angepasst hat. Kurz, vereinfachend und polarisierend zu kommunizieren scheint etwas zu sein, mit dem sich andere politische Kräfte oft noch schwer tun und daher im Internet oft weniger erfolgreich sind.

Pro-Demokratie Demonstrantinnen halten Pepe den Forsch währenddessen sie am Hafen protestieren

Memes sind Kommunikation

Selbstverständlich werden Memes nicht nur von Rechtsextremen und Rassist*innen benutzt. Fernab des Politischen existiert eine friedliche Welt aus Memes, die Menschen einfach nur zum Lachen bringen und ihnen das Gefühl geben, mit ihren Emotionen weniger allein zu sein. Memes bieten durch ihren basisdemokratischen Charakter aber auch große Möglichkeiten für Bürger*innenbewegungen, da sie auf kollektivem Handeln basieren, viele unterschiedliche Menschen erreichen und das Persönliche mit dem Politischen verbinden können. Zuletzt unterstützten Pepe der Frosch Kuscheltiere sogar Demonstranten in Hong Kong bei ihrem Kampf um Freiheit. Für sie ist Pepe Frosch ein Symbol, das ihre Frustration gegenüber der chinesischen Regierung darstellt und zugleich ein kleines bisschen Humor in einer Dunklen Zeit bringt. Welche Bedeutung dem Frosch-Meme im Westen zukommt ist den meisten Demonstrant*innen unbekannt oder schlicht gleichgültig. Hier wird noch einmal der Aneignungsprozess sichtbar, den Memes im Laufe ihres Lebens absolvieren.

Memes sind ein Kommunikationsmedium und mittlerweile zum festen Bestandteil des öffentlichen Diskurses geworden. Sie bieten den Menschen neue Möglichkeiten sich auszutauschen und zu beteiligen. Sind aber auch mit Risiken behaftet, da sie genutzt werden können, um politische Propaganda zu verbreiten. Man kann mit Memes aber auch bewusst gegen Hass im Netzt an arbeiten, wie das Projekt Bildmachen Schüler*innen zeigen will. Letztlich sind die Probleme also wie so oft nicht das Internet und Memes an sich, sondern die Einstellungen der Menschen, die sich ihre Bildsprache aneignen und sie dann für ihre Zwecke instrumentalisieren können.

Titlebild by Mark Williams on Flickr

Smug Pepe by Meme Blitz on Flickr

HongKongPepe by Jerome Taylor on Flickr