Plenum bei der Hochschulwoche Digitalisierung by politik-digital/ Philip Matthiessen, CC-BY-SA 3.0

Unseren Hochschulen stehen umfassende Veränderungen bevor: Im digitalen Zeitalter entwickeln sich nicht nur Lehre und Forschung weiter, sondern auch die akademische Administration und Infrastruktur. Mit dem Hochschulforum Digitalisierung (HFD) geben der Stifterverband, das Centrum für Hochschulentwicklung und die Hochschulrektorenkonferenz den verschiedenen digitalen Entwicklungen eine nationale Plattform.

Um die Vernetzung und das gegenseitige Voneinanderlernen voranzutreiben, veranstaltete das Hochschulforum Ende September zum zweiten Mal eine Themenwoche mit dem diesjährigen Titel „Shaping the Digital Turn“.

Teilnehmende waren vor allem Angehörige der Hochschulen, die Inspiration suchten oder über ihre eigenen Entwicklungen digitaler Lehrformate informieren wollten. Aktuell zählt das Hochschulforum 295 Mitglieder, die 129 deutsche Hochschulen vertreten. Gemeinsam setzen sich die Mitglieder unter anderem für die Weiterbildung der Lehrenden, die Entwicklung einer (inter)nationalen Plattformstruktur für digitales Lernen und für die Schaffung von weiteren Förderstiftungen ein. Zentral ist aber vor allem der Austausch unter den Mitgliedern und die Entwicklung eines großen Netzwerks an Akteuren, die die Digitalisierung der Hochschulen vorantreiben.

Dieser Entwicklung diente die Session „Netzwerktreffen HFD“, bei der verschiedene Workshops zu Themen wie „Strategiebildung und Support“, „IT-infrastruktureller Ausstattung der Leerräume“ oder „Gamification von Lehrformaten und Motivational Design“, also der spielerischen Vermittlung von Lerninhalten, abgehalten wurden. Bei Letzterem ging es bspw. um die Frage „Welche Art der Motivation kann Gamification bedienen – intrinsisch oder extrinsisch?“.

Chocolate Covered Broccoli

Der Workshopleitende Björn Lefers von der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) konnte aus den Erfahrungen mit seinen Studierenden, die das Online-Learning-Tool Moodle mit verschiedenen motivationssteigernden Plug-Ins, wie dem Sammeln von Badgets oder Levelaufstiegen durch aktives Lernen auf der Plattform, nutzten, einige Erkenntnisse ziehen. Dazu zählt, dass Gamification nachweislich dazu führt, dass die Studierenden mehr Zeit auf der Lernplattform verbringen, mehr Kommentare schreiben und Übungen absolvieren und dadurch virtuelle Punkte sammeln. Solche Belohnungssysteme sind zentraler Bestandteil der Gamification, die folglich vor allem die extrinsische Motivation bedient. Am Ende der Lehrveranstaltung zeigte sich, wer mehr Kommentare geschrieben und Punkte gesammelt hat, konnte das Modul mit einer besseren Abschlussnote absolvieren, als jene, die weniger Zeit auf Moodle verbracht hatten. Eines bleibt aber festzuhalten, „Gamification kann schlechte Lehrinhalte auch nicht aufhübschen,“ wie auch „Chocolate Covered Broccoli“ immer noch Broccoli ist.

Bologna goes Digital

Der sechste Tag der Themenwoche behandelte ausschließlich die internationale Dimension der digitalen Entwicklung der Hochschullandschaft und wurde gemeinsam mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) veranstaltet. Dessen Generalsekretärin Dorothea Rüland hielt eingangs noch einmal fest, wie wichtig internationale Degree-Programs mit einem Mix aus Blended-Learning-Angeboten, also der Kombination aus klassischen und digitalen Lernangeboten, und physischer Mobilität in den kommenden Jahren würden. Auch die Inklusionsmöglichkeiten digitaler Lehrformate für Studierende, die keinen Austausch machen können, sollen unter dem Begriff „Internationalisation at Home“ mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung gab die für die Zusammenarbeit der Hochschulen zuständige Attachée der Kulturabteilung der französischen Botschaft Prof. Dr. Valérie Lemarquand, ihre Einschätzung, wie die Digitalisierung die europäische Hochschullandschaft verändert wird. Dabei beantworte sie die zentrale Frage, wie die drei Hauptziele des Bologna-Prozesses durch die Digitalisierung erreicht werden könnten: Die Qualitätssteigerung der Lehre, die Förderung der Employability, d.h. der Beschäftigungsfähigkeit der Absolvierenden und die Stärkung der Inklusion europäischer Hochschullehre. Zur Qualitätssteigerung können moderne, digitale Lehrformate dienen, die im Blended-Learning-Stil noch effektiver Wissen und Kompetenzen vermitteln. Die Employability kann gefördert werden, indem den Studierenden noch mehr praktische Skills im digitalen Bereich vermittelt werden. Dazu kann die professionale Datenverarbeitung, aber auch die Produktion von Webinhalten wie Videos zählen. Diese Skills können dann digital zertifiziert und einheitlich auf europäischen Level anerkannt werden. Außerdem können digitale Lehrformate inklusiv wirken und z.B. bei der Integration von Geflüchteten an Hochschulen helfen durch digitale Sprach- und Vorbereitungskurse auf die jeweiligen Studiengänge.

Im letzten Teil der Veranstaltung wurden Christian Müller, DAAD, Darco Jansen, Programmmanager bei der European Association of Distance Teaching Universities, Prof. Dr. Kornelia Freitag, Vize-Rektorin Ruhr-Universität Bochum, Prof. Dr. Jürgen Handke, Professor für Linguistik und Web-Technologie an der Philipps-Universität Marburg und Oliver Janoschka, Geschäftsführer des Hochschulforums Digitalisierung, zur Panel-Diskussion gebeten. In der Diskussion sollten Möglichkeiten und Herausforderungen der digitalen Entwicklung besprochen werden. Freitag machte klar, dass die meisten Lehrenden ohne die Digitalität gelernt hätten zu Lehren und daher vor allem Support und Weiterbildung der Lehrkräfte zentral würden. Dabei spielt auch der Faktor Zeit eine wichtige Rolle. Vielen Lehrenden wäre es gar nicht möglich, neben dem normalen Lehrbetrieb noch innovative, digitale Lernformate zu entwickeln. Handke hält zustimmend fest, dass viele Lehrende sich aufgrund des hohen Aufwands davor verschließen würden. Darco Jansen fordert daher eine Top-Down-Strategie, die mit ausreichend Finanzierung die gesamte Hochschule gleichmäßig digitalisiert und nicht nur motivierten Lehrkräften den Zugang ermöglicht. Er bemängelt außerdem, dass die Unterschiede zwischen den europäischen Universitäten mit fortschreitender Digitalisierung größer würden. Aktuell investierten vor allem die besser gestellten Hochschulen. Bei den kleineren, finanziell schwächeren Hochschulen passiere dagegen wenig. Abschließend betonte Jansen, was Bologna goes Digital für ihn bedeutet. Dazu gehörten vor allem das Umdesignen der Curricula, mit mehr Formaten wie Micro-Masters und Nano-Degrees, und die Öffnung der Hochschulbildung für Lebenslanges Lernen. Sonst könnten Kompetenzen passend zu den zukünftigen Anforderungen der Arbeitswelt nicht vermittelt werden.

Future-Skills-Day

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Beim Future-Skills-Day, dem letzten Tag der Veranstaltung, stellten die acht Finalisten des Förderprogramms „Data Literacy Education“, gefördert vom Stifterverband und der Heinz Nixdorf Stiftung, die Projekte ihrer Hochschulen vor. Zu gewinnen war eine Förderung von 250.000 Euro. Bei Data Literacy geht es darum, Datenverarbeitungskompetenzen an Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen zu vermitteln, da die Experten des Hochschulforums davon ausgehen, dass zukünftig kaum eine Forschungsdisziplin ohne fundierte Datenverarbeitungs- und Statistikkenntnisse auskommen wird. Die meisten Finalisten stellten Projekte zur Kompetenzvermittlung parallel zum Studium als Zusatzausbildung vor. Die Leuphana Universität Lüneburg hingegen ermöglicht mit dem Projekt DATAx den Studierenden die Anerkennung von Data Literacy-Veranstaltungen auf ihr ECTS-Punktekonto, da 1/3 der meisten Studiengänge an der Hochschule fächerübergreifend und frei wählbar stattfinden und somit dem Konzept der liberal education folgen. Mit ihrem inklusiven Ansatz konnten sie die Jury zur Förderung ihrer Hochschule bewegen. Weitere Gewinner waren die Hochschule Mannheim und die Georg-August-Universität Göttingen.

Die Themenwoche „Shaping the Digital Turn“ hat gezeigt, wie viele Hochschulangehörige sich schon jetzt für die Digitalisierung von Lehrformaten, -inhalten und der Hochschuladministration einsetzen und welche Veränderungen in der deutschen und europäischen Hochschullandschaft stattfinden müssen, um im globalen Vergleich mithalten zu können. Jetzt müssen die Länder und der Bund reagieren und den Hochschulen in ganz Deutschland strukturelle Finanzierung und Support ermöglichen, um zu den Hochschulen die aufgrund besserer finanzieller Stellung schon heute mehr investieren, aufschließen zu können. Mit der Exzellenzinitiative werden zwar knapp 30 Universitäten gefördert, kleinere Hochschulen mit weniger als 10.000 Studierenden sind aber kaum darunter und können weiter auf Unterstützung warten.

Titelbild: Redaktion, CC-BY-SA 3.0

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