Arbeitswelt, Bildung und gesellschaftliche Herausforderungen befinden sich im steten Wandel – nicht erst, aber auf grundlegend neue Weise durch die Digitalisierung. Der Frage, wie wir diesen Wandel gestalten können, ging der erste „Gesellschaftlicher Dialog Ethik & Digitalisierung – Vertrauen in unsere vernetze Welt“ am 17.April in Berlin nach. politik-digital hat die Veranstaltung als Medienpartner begleitet.
In Fachforen, Vorträgen und Workshops widmeten sich über 60 Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft auf Einladung der Wegweiser Media & Conferences GmbH Berlin den Auswirkungen der Digitalisierung.
Mit einem Eingangsstatement gab Dr. Klaus von Dohnanyi, ehemaliger Bundesbildungsminister und Bürgermeister der Stadt Hamburg, Antworten auf die Frage, was die Digitalisierung für den Arbeitsmarkt bedeutet und welche ethischen Fragen hierbei zentral sind. Anschließend diskutierten die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff, Internetbotschafterin Prof. Dr. Gesche Joost, Informatik-Professor Dr. Christoph Meinel, Dr. Michael Müller-Wünsch, CIO der Otto GmbH und Dr. Ralf Schneider, CIO der Allianz Group vorab die Fragen, die später in den Workshops ausführlicher aufgegriffen wurden.
Wandel der Arbeitswelten: Zwischen Homeoffice und neuen Berufen
Zu den dringendsten Fragen gehört, wie wir die Veränderungen der Berufswelt gestalten können: Wie kann der Arbeitsmarkt nachhaltig gestaltet werden, welche Berufe wird es in Zukunft noch geben, welche Rolle werden Homeoffice und mobiles Arbeiten spielen? Einigkeit herrschte darüber, dass wir auf die vielfältigen Herausforderungen differenziert reagieren müssen. Lösungen, die sich bei 20-Jährigen anbieten, passen nicht immer auf 55-Jährige. Lebenslanges Lernen wird unabdingbar sein. Traditionelle Vorstellungen von Arbeit werden sich ändern und neue Arbeitskonzepte die bestehenden ablösen.
Kontrovers blieb, ob die Digitalisierung Arbeitsplätze abschaffen oder nur verändern wird. Und auch das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) als Antwort auf mögliche Arbeitsplatzverluste spaltet die Gemüter: Während einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer dafür plädierten, sich die verschiedenen Modelle genauer auf ihre Umsetzbarkeit und Auswirkungen zu überprüfen, wandte eine Zuschauerin ein, dass das BGE Arbeit nur teilweise ersetzen könne, so fehle bei ehrenamtlicher Arbeit die Wertschätzung, die klassische Arbeit erfahre.
Digitale Bildung
Um die für die Digitalisierung notwendigen Kompetenzen zu lernen, ist es notwendig, dass der Staat mehr in Bildung investiert, damit die Schulen die richtige Ausstattung erhalten und das Lehrpersonal entsprechend fort- und weitergebildet werden kann. In den Diskussionen herrschte Konsens, das sowohl die Infrastruktur an Bildungseinrichtungen wie z.B. in Schulen und Hochschulen sowie die Kompetenzvermittlung von Fähigkeiten wie kritisches Denken und Kreativität gefördert werden müssen. Die Unternehmen müssen ebenfalls ihr Personal mit digitalen Grundkompetenzen weiterbilden.
Aber auch ältere Menschen brauchen beim Erwerb digitaler Fähigkeiten Unterstützung, sowohl durch haupt- als auch durch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Gerad die Über-70-Jährigen sehen sich oft außerstande, allein das Internet für ihre Zwecke zu nutzen – da viele analoge Angebote zu Gunsten von digitalen Konzepten aufgegeben werden (z.B. schließen viele Bankfilialen, während das Online-Banking zunimmt), wird sich dieses Problem verschärfen.
Ethik – Leitbild der digitalen Souveränität
Während die ethischen Grundfragen nur sehr knapp angerissen wurden, gab es zumindest einen Überblick über Datenschutz und die nötigen Bestimmungen. Laut Dr. von Dohnanyi ist Deutschland hierbei klar ein Vorbild für die Welt. Fraglich bleibt allerdings nach wie vor, wem die personalisierten Daten am Ende gehören. Gesche Joost plädiert beim mündigen Umgang mit der digitalen Welt für ein Leitbild der digitalen Souveränität. Die User müssen die Konsequenzen des eigenen Handelns im Netz, aber auch die Weitergabe personenbezogener Daten sollten wahrnehmen und verstehen. Aber nicht nur der User, auch der Staat steht in der Pflicht. Gesellschaftlicher Fortschritt und digitaler Fortschritt gehen für die CDU-Bundestagsabgeordnete Nadine Schön Hand in Hand. Auch ihre Kollegin von der Linken Anke Domscheit-Berg forderte im Forum „Staat und Rahmenbedingungen“, dass wir die digitale Revolution mit einer sozialen Revolution verbinden müssen.
Neben dem Individuum und dem Staat müssen die Unternehmen Verantwortung übernehmen. Ein wichtiges Stichwort bei dieser Auseinandersetzung ist Corporate Digital Responsibility, also der verantwortungsvolle Umgang mit Daten und digitaler Kommunikation – von Datenschutz bis zur informationellen Selbstbestimmung – durch Unternehmen, die nicht nur ihren Gewinn maximieren wollen, sondern sich im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung auch neuen sozialen Herausforderungen stellen.
Das Abschlussplenum eröffnete Justizministerin Dr. Katarina Barley mit den Worten: „Die Digitalisierung der Welt ist ein gesellschaftliches Totalphänomen.“ Sie griff erneut das Thema Datenschutz, Verbraucherschutz und die Rolle der Politik auf. Spannend war hierbei die Aussage von Prof. Dr. Detlev Ganten, der es als unethisch bezeichnete, „dass die ganzen Daten in Krankenhäusern, bei Ärzten und Krankenkassen nicht für Forschung genutzt werden“ und damit sinnbildlich das Fazit des Tages festhielt: Sowohl die Nutzung als auch die Nicht-Nutzung von Daten kann ethisch und unethisch sein. Es geht vielmehr darum, Richtlinien und Regeln für den richtigen Umgang mit Daten festzulegen und zu vermitteln.