Staatstrojaner ArtikelbildDer Streit um die von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka in Aussicht gestellten fünf Milliarden Euro für die Digitalisierung der Schulen machte in den letzten Monaten immer wieder Schlagzeilen. Wir haben auf einer Wahlkampfveranstaltung nachgehakt und sind nicht nur bei der Finanzierung auf offensichtliche Probleme gestoßen. Ein Kommentar.

Wenn Wahlkampf ist, dann gelten andere Regeln: Politiker verlassen in der Sommerpause für ein paar Wochen den Berliner Politzirkus und reisen auf Stimmenfang durch die Republik. Dort sind sie dann, wohl auch aufgrund der nun notwendigen Bürgernähe, nicht selten gesprächiger als noch in der vergangenen Legislaturperiode. Wer daher den inszenierten Wahlkampfveranstaltungen zunächst nichts abhaben kann, dem sei gesagt: Selten kann man besser in und zwischen den Zeilen lesen, die innerparteiliche Stimmung nachspüren und nicht selten lohnt es sich, Fragen zu stellen, die unter dem politischen Druck des Tagesgeschäfts wohl weitgehend unbeantwortet geblieben wären.

Brennende Themen kaum behandelt

Es ist ein Donnerstag im historischen Palais Stutterheim in der Universitätsstadt Erlangen. Die CSU veranstaltet einen bildungs- und wissenschaftspolitischen Diskussionsabend und hat dafür (Noch-)Bildungsministerin Wanka eingeladen. Der Name zieht, der Saal ist voll. Nach einer gefühlten Ewigkeit voller innerparteilicher Lobhudelei und einer schier endlos wirkenden Aufzählung aller prominenten Gäste, tritt die Hauptperson des Abends endlich auf die Bühne und beginnt dann eher zaghaft einen Vortrag über Status und Ziele der deutschen Bildungspolitik. Schnell wird jedoch deutlich: Die brennenden Themen scheinen für Wanka eine vergleichsweise geringe Rolle zu spielen. Digitalisierung? Wird in zwei Sätzen abgehandelt. Schulreform? Gar nicht angesprochen.

Exzellenz und Wirtschaftsnähe

Stattdessen scheint der Tenor vor allem beim Geld zu liegen. Immer wieder erfährt der Zuhörer von Finanzspritzen, jedoch hauptsächlich in Form von Wirtschaftssubventionen: “Wir haben bereits viel ausgegeben, aber wir sind bereit, noch mehr auszugeben.” Zwischendrin dann die Abschwächung, wiederholt der Verweis auf Wolfgang Schäuble. Es sei sehr schwierig, bildungspolitische Anliegen in seinen strikten Haushaltsplan zu integrieren, betont Wanka immer wieder. Generell scheint sie jedoch sowieso keinen allzu großen Reformbedarf im Bildungswesen zu sehen. Ihre zentralen Themen hingegen: Gesundheitszentren, Exzellenzcluster, Energiespeicher. Der Vortrag tröpfelt vor sich hin. Die studierte Mathematikerin spricht viel über die Zusammenarbeit von Unternehmen und Universitäten, mittelständische Unternehmen, große Big Player. Bildung? Fehlanzeige.

“Fünf Milliarden nur langfristiges Ziel”

Dies scheint auch bei den anderen Zuhörern für Verwirrung gesorgt zu haben. Es sind so viele, die Fragen an Wanka haben, dass am Ende des Abends einige unbeantwortet bleiben müssen. Wir machen den Anfang und möchten wissen: Wie steht es eigentlich um den Digitalpakt Schule? Das von Wanka angestoßene Projekt zur digitalen Fitmachung von Schulen sollte mit fünf Milliarden Euro vom Bund an die Länder gefördert werden. Weil bisher kein Geld floss, beschwerte sich zuletzt Baden-Württembergs Kultusministerin Eisenmann und forderte klare Worte von Wanka. Die ließ mehrmals nur vage verlauten, der Digitalpakt sei Kernprojekt der nächsten Koalitionsverhandlungen. Auf unsere Nachfrage hin wird Wanka unerwartet deutlich: “Die fünf Milliarden, um die es da geht, das war nur ein langfristiges Ziel und muss nach der Wahl neu verhandelt werden”, sagt Wanka und fährt fort: “Stellen Sie sich mal vor, das viele Geld müssen Sie erst mal haben.”

Wettbewerb statt politischer Verantwortung

Eine klare, wenn auch unbefriedigende Antwort, besonders für die unter-finanzierten Schulen, die ohne die nötige Technik und digital geschultes Personal kaum den Anforderungen der sich wandelnden Arbeitswelt gerecht werden können. Enttäuschend genug, dass zeitgerechte Bildung im, unter dem Maximalziel der “schwarzen Null”, von der Union geführten Haushaltsplan keinen Platz findet. Tragischer ist jedoch, dass Wanka letztlich öffentlich Versprechen machte, die nicht nur innerhalb der eigenen Partei auf Eis gelegt wurden, sondern öffentliche Träger und Kommunen jetzt gleichermaßen im Stich lassen.

Generell scheint sich der Ministerin die Aufwertung von Schulen und Hochschulen wenig am Herzen zu liegen. Auf Nachfrage des ehemaligen Erlanger Universitäts-Präsidenten Karl-Dieter Grüske zu fehlenden Fördergeldern für die Sanierung maroder Hochschulgebäude antwortet sie lapidar, es sei dann doch Aufgabe der einzelnen Universitäten, immer wieder um die notwendigen Mittel zu kämpfen. Wettbewerb ersetzt politische Notwendigkeiten, auch wenn dieser letztlich zulasten von Schülern und Studierenden geht. Wankas Devise: Wer in der Konkurrenz um Subventionen nicht besteht, dessen Bildungsangebot ist eben nicht hochklassig, sprich exzellent genug.

Bildung bleibt Ländersache

Dies bestätigt die Bildungsministerin auch auf Nachfrage eines Abiturienten zu möglicherweise neu zu verhandelnden Bund-Länder-Kompetenzen im Bildungssystem. Wankas Antwort: Jedes Bundesland hat spezifische Bedingungen, etwa durch Bevölkerungsstruktur und wirtschaftliche Anforderungen. Deshalb sei eine Vielfalt der Schulsysteme absolut notwendig. Bildung ist Ländersache und soll es auch bleiben. Klare Antworten, die jedoch vor allem Aufschluss darüber geben, dass die Union ihr so häufig kritisiertes unterschwelliges “Weiter So” auch im Bereich der Bildungspolitik konsequent verfolgt. Statt bundesweit den Standort Deutschland bildungstechnisch zu modernisieren, soll jedes Bundesland weiterhin sein eigenes Süppchen kochen.

Digitalisierung spielt allenfalls eine Nebenrolle

So wenig Platz dem Thema Bildung in den CDU und CSU Wahlprogrammen gewidmet wird, so gering scheint auch der Wille, notwendige Reformen anzugehen. Digitalisierung spielt hier allenfalls eine Nebenrolle. Passend dazu wohl auch die Bemerkung Wankas, die Digitalisierung werde in Deutschland keinerlei Arbeitsplätze zunichte machen, da man stetig daran arbeite, exzellente Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten. Wie diese abseits von Umschulungen unter Beihilfe der Arbeitsagentur jedoch konkret aussehen könnten, dazu bleibt Wanka äußerst vage. Sie könne sich eine höhere Einbeziehung der Universitäten vorstellen, sagt die Bildungsministerin noch, bevor ihr ein Geschenkkorb überreicht wird und die Gäste zu Gratis-Bier und -Brezeln darüber nachdenken können, was ihnen heute Abend nicht geboten wurde: Das Bekenntnis zu nötigen Reformen und eine tragfähige Zukunftsvision.

 

Titelbild: via CSU Erlangen

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