Am Dienstag stellte der Verein Deutschland sicher im Netz e.V. (DsiN) ein neues Bildungsprojekt mit dem Namen “DigiBits – Digitale Bildung trifft Schule” in Berlin vor. Das Ziel: Digitale Aspekte besser in den Unterrichtsablauf zu integrieren. Die Redaktion von politik-digital war vor Ort und zieht eine erste Bilanz.
Ein Dienstag-Morgen kann als eher unübliche Zeit für eine Veranstaltung zum Thema Digitalisierung in der Bildung bezeichnet werden. Nichtsdestotrotz ist die Aula der Franz-Marc-Grundschule in Berlin-Tegel bis zum letzten Platz gefüllt. Dies liegt nicht zuletzt auch an den vielen Lehrern, die im Auftrag von Schulen aus ganz Deutschland und sogar darüber hinaus gekommen sind. Sie alle erhoffen sich neue Antworten auf die Frage: Wie können Schulen zeitgemäße Bildung umsetzen? Der außergewöhnlich hohe Lehreranteil unter den Besuchern ist auch deshalb erfreulich, weil auf derartigen Events zwar nicht selten über die Digitalisierung der Bildung gesprochen wird, aber eben kaum mit denjenigen, die letztendlich vor der Aufgabe der Umsetzung stehen. Die Erwartungen der Anwesenden sind dementsprechend hoch. Auch weil der DsiN eine umfangreiche Betreuung der am Pilotprojekt teilnehmenden Schulen versprochen hat.
Skepsis in der Politik
Zunächst jedoch eine Einführung des Bundestagsabgeordneten Frank Steffel (CDU), dessen Rede eher wie ein gezwungen charmanter Versuch der Selbstvermarktung wirkt. Er finde das Projekt gut, weil die Schüler so besser für den Arbeitsmarkt gerüstet seien, betont Steffel, macht aber einige Anmerkungen, die Zweifel daran aufkommen lassen, dass ihm die Ernsthaftigkeit des Themas bewusst ist. So erzählt Steffel begeistert von seiner Kindheit, in der “wir noch miteinander geredet haben, anstatt mit dem Smartphone zu schreiben”. Seine Frau sei aber glücklich, dass er online Nachrichten lese, weil sie nun nicht mehr so viel Papier zur Tonne bringen müsse. Ungläubiges Gelächter im Saal. Bei der anschließenden Diskussionsrunde hingegen wird schnell klar: Besonders die politische Skepsis gegenüber digitalen Bildungsmaßnahmen ist einer der Hauptgründe, weshalb es an allen Ecken und Enden brennt.
Schulen werden alleine gelassen
So zählt Schulleiterin Bettina Münch gleich eine Vielzahl an Hemmnissen auf, die es der Schule sichtbar erschweren, digitale Instrumente im Unterricht einzusetzen und Medienkompetenz an die Schüler zu vermitteln. Es fehlt nicht nur an Geld, sondern auch an zuständigen IT–Spezialisten, die jederzeit vor Ort sind, um die Technik zu warten und bei Problemen zu helfen. Zudem seien viele Lehrer mit der Unterrichtsplanung so eingespannt, dass ihnen für die eigenständige Beschäftigung mit den vielen Aspekten der Digitalisierung kaum Zeit bliebe. Hiervon abgesehen fehle es vielen Lehrern selbst an der nötigen Medienkompetenz. Unterstützung gebe es kaum, weshalb es ohne ein Gesamtkonzept von Seiten der Länderministerien immer noch auf einige wenige besonders medienaffine Lehrer ankäme.
Soll DigiBits bildungspolitische Aufgaben übernehmen?
Klar ist: Die Veranstaltung von DigiBits ist zum großen Teil Werbung für die eigene Sache und der Versuch, möglichst viele Partnerschulen für das Projekt zu gewinnen. Schulen, die sich längerfristig auf eine Kooperation einlassen, erhalten einen symbolischen Koffer mit Informationsinhalten und sogar ein kostenloses Tablet. Es stellt sich die Frage, ob der vom Bundesinnenministerium geförderte DsiN nicht auch ein Stück weit Aufgaben übernehmen soll, die von Seiten der Bildungspolitik bisher verpasst wurden. So sind Umfang und Anspruch von DigiBits doch ziemlich weit gefasst: Im Rahmen des Projekts sollen die Unterrichtsinhalte der verschiedenen Schulfächer mit Medienbildung verbunden werden. Hierfür baut DigiBits eine kostenlose Plattform für alle Schulen und bietet bundeslandspezifische Unterrichtsmaterialien zur kostenlosen Nutzung an. Lehrer sollen sich nach Vorstellung von Projektleiterin Nadine Berneis online Anregungen holen und eigene Ideen in einer Art Netzwerk teilen können.
Organisation ist Mammutaufgabe
Die Organisation dieses Vorhabens ist eine Mammutaufgabe. Viele Fragen bleiben relativ ungeklärt. Wie kann etwa die Qualität der Inhalte überprüft werden? Wer ist für Aktualisierungen des Lehrmaterials zuständig, wenn ständig alte Apps verschwinden und neue aus dem Boden sprießen? Und ist es wirklich möglich, die fächer-spezifischen Informationen an die stark unterschiedlichen Lehrpläne der verschiedenen Bundesländer anzupassen? Projektleiterin Berneis bleibt optimistisch. Durch den Einsatz eines zehnköpfigen Beirats möchte sie gewährleisten, dass während der einjährigen Pilotphase alle Vorschläge vor Veröffentlichung einen Qualitätscheck durchlaufen. Das Projekt soll ihren Vorstellungen nach stetig weiterentwickelt und optimiert werden. Dennoch sind viele Besucher skeptisch, denn: Eine solch komplexe Aufgabe in einem verhältnismäßig kleinen Team zu bewältigen, erscheint fast als Ding der Unmöglichkeit.
Zwischen unwissenden Lehrern und verlorenen Digital Natives
Um nicht missverstanden zu werden: Das Ziel von DigiBits ist durchaus zu befürworten. Die Implementierung digitaler Technik bei gleichzeitiger Vermittlung von Medienkompetenz in allen Schulfächern ist längst überfällig. Die von der Kultusministerkonferenz Ende 2016 verabschiedete Bildungsstrategie muss unbedingt so schnell wie möglich umgesetzt werden. Ob DigiBits der richtige organisatorische Ansatz ist, bleibt abzuwarten. Viel zu viel liegt bezüglich des schulbildungs-technischen Transformationsprozesses im Argen. Ein Stichwort: Die Ausbildung der Lehrer. So erzählt uns eine Lehrerin eines Berliner Gymnasiums, es gebe einfach keine geeigneten Fortbildungsmaßnahmen, um Lehrern mediendidaktische Kompetenzen zu vermitteln. Auf diesem Weg entstehe eine Spaltung zwischen Lehrern, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen, und Schülern, die zwar ständig Neue Medien nutzen, sich über den richtigen Umgang mit diesen aufgrund mangelnder Aufklärung jedoch kaum bewusst sind. Die viel beschworenen “Digital Natives” sind eben nicht zwangsläufig auch verantwortungsvolle User, sondern verlieren sich häufig in den Weiten des Netzes. Und das ist voll von Falschinformationen, Filterblasen und Selbstdarstellern.
Deshalb arbeitet DigiBits in Kooperation mit der “Freiwilligen Selbstkontrolle Medien” (FSM) auch an einem Unterrichtskonzept, dass die eigene Rolle der Schüler im Netz und das kritische Hinterfragen von Inhalten umfassen soll. Die hierfür präsentierten Unterlagen im Rahmen der Auftaktveranstaltung zeigen, dass die Ausrichtung von DigiBits in eine grundsätzlich gute Richtung geht. Fachgerecht werden unterschiedliche Themen wie Recherche, Umgangsformen und Verschwörungstheorien behandelt, die aktuelle Relevanz besitzen.
DigiBits kann politischen Handlungszwang nicht ersetzen
Hinterfragt werden muss daher auch weniger das inhaltliche Konzept des Pilotprojekts, als vielmehr dessen Struktur und Organisation. Es ist etwa schwer vorstellbar, dass innerhalb eines Jahres, wie von der Projektleitung vorgesehen, evaluierbare Daten zur Effizienz von DigiBits aufgearbeitet werden können. Zudem können die Verantwortlichen in ihrer aktuellen Lage und Position kaum das leisten, was Politik und Verwaltung über viele Jahre versäumt haben: Standards setzen, umfangreiche Weiterbildungen etablieren und nicht zu guter Letzt die Struktur des Bildungssystems reformieren. Das ist nämlich Aufgabe von BMBF und den Kultusministerien der Länder. Fazit des Tages: Es bleibt zu hoffen, dass durch DigiBits zumindest neue Impulse gesetzt werden können, die letztlich politische Maßnahmen befeuern. Dass das Projekt zumindest einen kleinen Beitrag dafür leistet, dass auch deutsche Schulen in Zukunft selbstbewusst zeitgemäße Bildung vermitteln können. Damit Lehrer und Schüler nicht alleine da stehen und die Verantwortung gerecht verteilt wird.
Titelbild: Homepage DsiN e.V.