Die CeBIT 2017 zeigt Innovationen aus der digitalen Welt – bleibt aber bei der Präsentation von künstlicher Intelligenz hinter den Erwartungen zurück.

Mit den Innovationsprozessen der Digitalisierung verbinde ich stets eine seltsame Ambivalenz. Der IT-Begeisterte in mir ist beeindruckt von den technologischen Fortschritten und den kreativen Einsatzmöglichkeiten, die neue IT-Produkte mit sich bringen. Der Skeptiker in mir hinterfragt allerdings, ob diese schnellen und dynamischen Entwicklungen am Ende nicht unsere langsamere und komplexe Gesellschaft überfordern. Auch mein Besuch auf der diesjährigen CeBIT ist von dieser Ambivalenz geprägt.

Als weltweit größte Messe für Informationstechnik steht die CeBIT 2017 unter dem Motto „d!conomy – no limits“. Ursprünglich als Messe für Büro- und Informationstechnik gedacht, hat sich das Ausstellungsspektrum der CeBit seit den 2000er Jahren stark erweitert, sodass sämtliche Aspekte der Digitalisierung bedient werden. Neben E-Commerce, Gaming, VR-Technologien, Big Data und Entwicklungen des Internet of Things haben zwischen bekannten Branchenriesen auch kleine Unternehmen und deutsche Start-Ups Raum, ihre Ideen und Produkte vorzustellen. Interessante Ansätze lassen sich vor allem bei Verschlüsselungsmethoden vorfinden. Das Start-Up Cryptomator hat ein gleichnamiges Open Source-Programm geschrieben, welches erlaubt, Daten zu verschlüsseln, bevor sie auf Clouddiensten wie Google Drive, Dropbox oder OneDrive zwischengespeichert werden. Andere Sicherheitsfirmen nutzen bekannte kryptografische Methoden wie Block Chain. Dabei werden Daten durch eine eindeutig identifizierbare Prüfsumme (Hashwert) innerhalb eines Parameterblocks verschlüsselt und als solche auch in folgenden Datensätzen gespeichert. Eine Manipulation der Daten ist ohne eine Änderung der Prüfsumme also nicht mehr möglich, eine Änderung des Hashwerts wiederum würde sofort auffallen.

Virtual Reality: Anwendungen noch begrenzt

Interessante Entwicklungen gibt es auch auf dem Gebiet der Virtual Reality Technologien. Neben Gaming werden Anwendungen wie das geplante Google Earth 3D vorgestellt, welches zu einem virtuellen Rundflug über bekannte Weltmetropolen einlädt. Trotzdem entsteht bei mir der Eindruck, dass sich die Möglichkeiten bisher vor allem auf Entertainment konzentrieren. Medizinische Anwendungsmöglichkeiten für VR sind eher die Ausnahme. Wettrennen zwischen Drohnen, welche über VR-Brillen gesteuert werden und sich über den Livestream direkt mit verfolgen lassen, wirken zwar beeindruckend, veranschaulichen aber auch Manövrier- und Überwachungsfähigkeiten. Dabei wird deutlich, wie notwendig Reglements zum Einsatz von Drohnen über Privatgrundstücken sind.

In den Kinderschuhen stecken auch noch die Anwendungsmöglichkeiten für RFID-Implantate, was einige technikbegeisterte Messebesucher aber nicht davon abschreckt, sich vor Ort einen Chip implantieren zu lassen – und mir gleichzeitig kalte Schauer über den Rücken jagt. Interessanter sind da schon industrielle Drohnen, die systematisch nach Schäden unter Brücken oder an Häuserfassaden suchen oder autonom Bergungsmissionen in Katastrophengebieten fliegen. Nicht nur hier finden sich die Schlagworte artificial intelligence und deep learning wieder. Es entsteht der Eindruck, dass jeder zweite Stand auf der CeBIT sich darauf konzentriert.

Viel Show, wenig Finesse

Da das Partnerland der diesjährigen Messe das technikverliebte Japan ist, liegt zudem ein besonderer Fokus auf der Robotik. Gerade die Präsentation Letzterer ist aber enttäuschend. Auch weil es abseits von dystopischen Phantasien à la „Terminator“ oder „I, Robot“ sinnig ist, Robotik und künstliche Intelligenz zusammen zu denken, ist es schade wenn sich die Präsentationen auf der CeBIT zum Großteil auf Showeinlagen reduzieren. Tanzende Roboterarme und humanoide Roboter, die sich zu Musik von Michael Jackson bewegen, sind zwar Publikumsmagneten, lassen aber die technische Finesse vermissen, die die verheißungsvolle Suche nach einer künstlichen Intelligenz verspricht.

Der amerikanische Schriftsteller und Futurist Ray Kurzweil beschreibt in seiner These der „künstlichen Singularität“ einen Zeitpunkt, an dem die Computer anfangen, sich rasant selbst zu verbessern und dann letztendlich sogar ihren menschlichen Schöpfern überlegen sind. Von dieser Form der künstlichen Intelligenz ist auf der CeBIT allerdings noch nicht viel zu erahnen. Stattdessen versagt das Vorführmodell einer autonomen Produktionskette beim Zusammenbasteln von Spielzeugautos. Dann braucht es doch den Menschen, der unter Schweißperlen vor amüsiertem Publikum dem Programm wieder auf die Beine hilft. Die Werbebanner und Hochglanzbroschüren der IT-Unternehmen erwecken zudem den Eindruck, dass artificial intelligence“ und „best solution practise“ nun beinah jedem Produkt innewohnen, ohne jemals zu definieren, was Intelligenz nun eigentlich ist und ob die Probleme eine Lösung durch sie überhaupt rechtfertigen.

Ray Kurzweil, Futurist und Chef-Entwickler bei Google, war ebenfalls zur diesjährigen CeBIT geladen und versprühte Optimismus aufgrund der fortschreitenden Automatisierung der Arbeitswelt. Zwar würden dadurch Jobs wegfallen aber eben auch neue Arbeitsfelder entstehen. Wer allerdings auf der Messe vor einem autonomen Bagger steht, der Gestein weitaus effizienter abtragen kann als jeder menschliche Maschinenführer, fragt sich zwangsläufig, was mit all den Arbeitsplätzen passieren soll, die nicht den hochspezialisierten Profilen der IT-Branche entsprechen. Letztendlich müssen die Begleiterscheinungen einer „Industrie 4.0“ immer noch durch Menschen getragen werden. Nur durch clevere Reformen und eine faire Arbeitsmarktpolitik lässt sich vermeiden, dass künstliche Intelligenz, wie auch immer sie zukünftig aussehen mag, den Menschen und nicht kurzfristigen ökonomischen Interessen dient.

 

Titelbild:artificial-intelligence von geralt via pixabay, CC0 public domain

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