Ende 2016 brachte Dirk von Gehlen die Idee des Digitalen Heimat- und Brauchtumsvereins ins Netz. Für Menschen, die online ein Zuhause suchen und für die Wahrung der digitalen Popkultur. Er wollte das Netz entscheiden lassen, ob die Idee umgesetzt werden sollte.
Wir haben nachgefragt, was aus der Idee geworden ist.
Herr von Gehlen, im Oktober 2016 haben Sie die Gründung eines digitalen Heimat- und Brauchtumsvereins vorgeschlagen. Welche digitale Kultur wollen Sie schützen und bewahren?
Ich bin großer Fan der Remix- und Referenzkultur, die sich vor allem im Netz ausdrückt. Mit dem Begriff digitale Kultur will ich aber all jene Praktiken beschreiben, die sich aus dem digitalen Raum speisen. Mir geht es darum, Kulturen und das Internet als Heimat verstehen. Wenn wir uns das “globale Dorf” tatsächlich als Raum vorstellen, dann kann man sich hier erstens auch heimisch fühlen (in der Verbindung mit Freunden) und man kann zweitens für diese Heimat auch Brauchtumspflege betreiben. Man kann den digitalen Dialekt pflegen (Emojis etc.) und sich dafür einsetzen, dass die Gepflogenheiten des Digitalen ebenso angesehen und gefördert werden wie die analoge Volkskultur.
Sie bezeichnen das Internet als ein völkerverbindendes Netzwerk, in dem die digitale (Volks-)kultur bewahrt werden soll. Auch die Begriffe Brauchtum und Heimatverein wecken eher Assoziationen mit Tradition und Nation und wirken reaktionär. Könnten die Verwendung der Begriffe nicht viele InteressentInnen abschrecken?
Mir geht es genau darum, diese Begriffe umzudeuten. Wir erleben – trotz der Möglichkeit der weltweiten Vernetzung – gerade einen politischen Rechtsruck der Rückbesinnung aufs Nationale. Ich beobachte das mit Sorge. Der digitale Heimatverein will diese Begriffe neu aufladen und die Idee der grenzüberschreitenden Verbindung jenseits von Sprach- und Religionsgrenzen unterstützen.
Sie fordern, dass Meme, Mashups und Remixe als popkulturelles digitales Phänomen Bestandteil von Schulunterricht werden. Was können SchülerInnen aus diesen Phänomenen lernen?
Sie können lernen wie sie entstehen und warum sie sich wie verbreiten. Das sind Grundbedingungen einer digitalen literacy, eines Grundverständnisses für den digitalen Raum. Zudem finde ich, dass Popkultur und im besonderen Maße die digitale Popkultur zwingend auch einen Platz im Schulkanon haben soll.
Dirk von Gehlen ist Autor und Journalist. Bei der Süddeutschen Zeitung leitet er die Abteilung Social Media/Innovation, in der er das Longreads-Magazin Süddeutsche Zeitung Langstrecke entwickelt hat. Der Diplom-Journalist begleitet den Medienwandel seit Jahren auf seinem Blog digitale-notizen.de und unter @dvg auf Twitter. Er zählt zu den Crowdfunding-Pionieren in Deutschland („Eine neue Version ist verfügbar“) und schreibt unter phaenomeme.de für die Süddeutsche Zeitung über Internet-Meme. Gerade ist sein Buch “Meta! Das Ende des Durchschnitts” erschienen.
Es bestehen ja schon viele Vereine und Initiativen, die sich in irgendeiner Weise mit dem Internet auseinandersetzen und in denen man sich engagieren kann (Chaos Computer Club, Initiative D64, der neu gegründete „Breitbart-Watch“ Schmalbart, Digitale Gesellschaft etc.). Was grenzt den digitalen Brauchtums- und Heimatverein davon ab?
Der Brauchtumsverein versteht sich als Ergänzung zu den allesamt sehr unterstützenswerten Organisationen. Er ergänzt diesen politischen Vereinigungen den kulturellen Gedanken und verhält sich wie ein klassischer Brauchtumsverein sich zu Greenpeace verhält – nur eben im digitalen Raum. Es geht sehr konkret darum, Lobbyarbeit für diejenigen zu machen, die sich im Digitalen heimisch fühlen.
Was halten Sie von einer Kooperation mit staatlichen Institutionen wie z.B. mit der Kulturstaatsministerin/ Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien oder mit den Kultusministerien der Länder?
Die genannten Institutionen sollen in jedem Fall bewegt werden, digitale Kultur genauso ernst zu nehmen wie etablierte Kulturformen. Das kann über Lobbyarbeit und/oder über Zusammenarbeit passieren.
Wie will sich der Heimat- und Brauchtumsverein langfristig finanzieren?
Wir sind gerade dabei ein Format zu suchen, das für diesen Brauchtumsverein tauglich ist. Ende 2016 haben sich rund 450 Menschen auf eine Interessenliste eingetragen. In einem kleineren Kreis werden wir im Laufe des Jahres 2017 eine geeignete Organisationsforum finden. Vielleicht finden sich ja Stiftungen oder Spender, die die Idee finanzielle unterstützen wollen…
Soll es räumliche oder online organisierte Treffen geben? Wie will der Verein die Verbindung unter den Mitgliedern herstellen?
Auch darüber debattieren wir derzeit. Wer gute Ideen hat, ist herzlich eingeladen, sich zu melden.
Titelbild: british shorthair grumpy cat via pixabay, CC0 public domain, bearbeitet