Hessischer Landtag Pedelecs CC BY SA 3.0 via Wikivoyage and Wikipedia.jpgNachdem der Hessische Landtag im Dezember seine Facebook-Seite löschte, hat der Politikberater Martin Fuchs eine neue Facebook-Präsenz für den Landtag ohne dessen Zustimmung erstellt. Im Interview mit politik-digital.de äußert er sich zu seinen Gründen und Zielen.

Der Hessische Landtag hat eine neue Facebook-Seite. Zumindest eine inoffizielle.

Mitte Dezember hat der Hessische Landtag seine Facebook-Seite gelöscht. Obwohl der Hessische Landtag in einem dreiviertel Jahr aktiven Postens auf etwa 1.500 Fans kam, schien ihm die Resonanz im Vergleich zum Aufwand zu gering und so beschloss der Ältestenrat des Landtags, das Experiment „Facebook“ einzustellen.

Seit Anfang Januar ist der Hessische Landtag jetzt wieder auf Facebook zu finden. Die Seite wurde allerdings nicht vom Landtag selber oder einer von ihm beauftragten Social-Media-Agentur ins Leben gerufen, sondern der Hamburger Politikberater und Social-Media-Experte Martin Fuchs hat sie auf eigene Faust erstellt.

Fuchs hatte als erster darauf aufmerksam gemacht, dass der Landtag die Seite gelöscht hat. Nun will er mit der von ihm erstellten Seite zeigen, dass Facebook ein guter Weg ist, um Bürger politisch zu erreichen. Auf der Seite findet sich nun eine Mischung aus Themen aus dem Landtag, wie etwa eine Nachricht über die Abschaltung des Livestreams der Landtagssitzungen, und Posts in eigener Sache. Innerhalb von zwei Tagen hat es „Hessischer Landtag von unten“ schon auf über 200 „Likes“ und eine Reichweite von 6.000 Bürgern gebracht und Martin Fuchs hofft auf weiteren Zuspruch.

Der hessische Landtag steht nach Informationen von hessenschau.de im Kontakt mit Facebook, um die Seite löschen zu lassen. Um der Löschung zu entgehen, hat Fuchs die Seite von „Hessischer Landtag“ in „Hessischer Landtag von unten“ umbenannt.

Im Interview mit politik-digital.de geht Fuchs näher darauf ein, was seine Gründe waren, die Seite online zu stellen, und wie es in Zukunft mit ihr weiter gehen soll.

politik-digital.de: Als Social-Media-Experte und -Berater begrüßen Sie es sicherlich, wenn Politiker und Parlamente über Soziale Medien kommunizieren. Können Sie dennoch die Entscheidung des Landtags die Seite zu löschen nachvollziehen?

Martin Fuchs: Definitiv nicht. Der Landtag stand im Vergleich zu anderen Landtagen, die bereits Facebook nutzen, sehr gut da, obwohl man auf der Seite sehr viel falsch gemacht hatte. Ich habe nicht verstanden, wie man dieses Potential einfach so ‘mir nichts, dir nichts’ verschenkt. 1.500 Fans waren eine gute Basis, auch damit sind Reichweiten von mehreren zehn-, wenn nicht sogar hunderttausend Bürgern möglich. Beispiele gibt es hierfür auch in Deutschland genug.

politik-digital.de: Warum ist es wichtig, dass ein Landtag eine Facebook-Präsenz hat?

Martin Fuchs: Ein großes Thema. In aller Kürze: Das Informationsverhalten nicht nur junger Bürger hat sich in den vergangenen Jahren gravierend verändert. Nur ca. 12% der Deutschen besuchen Webseiten von Institutionen wie dem Landtag aktiv, immer weniger Menschen haben ein klassisches Zeitungsabo. Das heißt, die Informationen müssen aktiv an die Bürger gebracht werden. Dazu eignet sich eine Fanseite fantastisch. Zudem hat sich die Dialogkultur verändert, Bürgerservice gehört m.E. fast schon standardmäßig auch auf Facebook.

politik-digital.de: Warum haben Sie eine Nachfolge-Seite erstellt – was wollen Sie damit erreichen? Wer ist die Zielgruppe?

Martin Fuchs: Ich möchte zeigen, dass Landespolitik spannend auf Facebook aufbereitet werden kann – und das sogar von einem Hamburger, der das ehrenamtlich nebenbei macht. Eventuell erkennt der Ältestenrat ja durch mein Engagement, dass es ein Fehler war, die Seite zu löschen. Ziel ist es, dass der Landtag und seine Informationen dauerhaft auf Facebook auffindbar sind. Gerne übertrage ich die Seite auch an die Landtagsverwaltung. Zielgruppe sind alle landespolitisch interessierten Hessen, ich würde mal sagen davon sind ca. 100.000 auf Facebook.

Martin Fuchs berät Regierungen, Parteien und Politiker in digitaler Kommunikation. Zuvor war er Politik- und Strategieberater in Brüssel und Berlin. Seit 2008 ist er Lehrbeauftragter für Public Affairs an der Universität Passau und Dozent für Social Media und Politik an weiteren Hochschulen. Zudem ist er Gründer der Social-Media-Analyse-Plattform Pluragraph.de, bloggt über Social Media in der Politik unter www.hamburger-wahlbeobachter.de und ist Kolumnist des Fachmagazins “politik & kommunikation”.

 

politik-digital.de: Was halten Sie von dem Vorgehen des Landtags gegen die von Ihnen erstellte Seite?

Martin Fuchs: Bisher ist ja zum Glück noch nicht viel passiert. Natürlich verstehe ich, dass die Verwaltung erst einmal verunsichert ist und deshalb die Seite löschen möchte. Meine Aktion widerspricht Verwaltungshandeln und ist zudem neu für den Landtag. Ich hoffe, sie verstehen, dass es aber das Beste ist, was dem Landtag passieren kann – nämlich dass Bürger selber eine Seite aufziehen und sich aktiv mit dem Parlament auseinandersetzen. Als Pressesprecher des Landtages würde ich mich über so viel Engagement freuen.

politik-digital.de: Die neue Seite heißt nun „Hessischer Landtag von unten“, wie wollen Sie hessische Bürger in die Seite miteinbeziehen?“

Martin Fuchs: Das ist mein Wunsch. Und schon nach wenigen Stunden haben sich bisher 11 Hessen bei mir gemeldet, die das Projekt gerne unterstützen möchten. Toll. Ich überlege gerade, wie ich diese einbinden kann.

politik-digital.de: Der Landtag beruft sich auf einen zu geringen Nutzen im Vergleich zu einem großen Aufwand. Wie wollen Sie die Seite in Zukunft neben Ihrer Berater-Tätigkeit managen?

Martin Fuchs: Eine gute Frage. Da ich aber selber viel in den Netzwerken unterwegs bin, hoffe ich, dass ich die Seite “nebenbei” betreuen kann. Die Monitorings für den Landtag in den verschiedenen Netzwerken sind bereits aufgesetzt, Themen gibt es genug. Posten & Dialog sind eine Sache von Minuten. Ich glaube das bekomme ich hin 😉

Bild: Pedelecs by Wikivoyage and Wikipedia, CC BY-SA 3.0

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