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Die Möglichkeiten zu politischer Partizipation durch Bürgerinnen und Bürger sind zentrale Kernthemen für die Gestaltungräume demokratischer Gesellschaften. Wie lässt sich das ins digitale Zeitalter übertragen? Hier kommen die Online-Petitionen (auch: ePetitionen) ins Spiel. politik-digital hat sich näher mit dem Petitionsverfahren des Bundestages beschäftigt und bei der langjährigen Vorsitzenden des Petitionsausschusses und Abgeordneten der Linken, Kersten Steinke, nachgefragt.

Das Petitionsangebot des Bundestages steht immer wieder in der Kritik. Zwei der zentralen Kritikpunkte sind dabei die relativ geringe Erfolgsquote und die fehlende Einflussmöglichkeiten der eingereichten Petitionen bezüglich eines Rechtsetzungsaktes. Auch wir hatten kürzlich in einem Artikel moniert, dass lediglich 0,18% der Anliegen der Bundesregierung „zur Erwägung“ bzw. „zur Berücksichtigung“ vorgelegt und demnach 99,82% „verworfen“ wurden. Diese Interpretation greift bei näherer Betrachtung jedoch zu kurz. Dies gilt ebenfalls für die geläufige Kritik an einem zu niedrigen Veröffentlichungswert (rund 3% der Petitionsanliegen) im Petitionsforum des deutschen Bundestages. Denn weder sind alle eingereichten Anliegen vom Petenten (Einsender einer Petition) zur Veröffentlichung vorgesehen noch werden 99,82 % der Petition einfach verworfen.

Verschiedene Petitionsformen und facettenreiche Anliegen

Eine Petition bezeichnet eine schriftliche Eingabe, meist eine Beschwerde oder Ersuchen, die in der Regel auf ein bestimmtes Handeln durch eine adressierte Institution oder Behörde abzielt. In Deutschland können sowohl einzelne als auch gemeinschaftliche Anliegen formuliert werden. Viele, aber nicht alle gemeinschaftlichen Petitionen sind öffentlich. Während die gemeinschaftliche, öffentliche Petition einen Sachverhalt von allgemeinem Interesse betreffen muss, darf die Einzelpetition auch persönliche Bezüge aufweisen. Petitionsanliegen sind vielfältig und betreffen die unterschiedlichsten Lebenslagen: So kann eine Nichtbewilligung von medizinischen Leistungen (bspw. Medikamente oder Hilfsmittel) der Grund für einen Petenten sein, sich über eine Entscheidung einer Behörde zu beschweren, oder eine Gruppe von Internetaktivisten fordert gar die Änderung eines Gesetzes zur Netzneutralität. Andere Petitionen zielen derweil nur auf Auskünfte oder Information ab.

Der Petitionsausschuss ist der „Seismograph, der die Stimmung der Bevölkerung aufzeichnet“, formuliert es die Ausschussvorsitzende Kersten Steinke. Als einer der wenigen Verfassungsausschüsse kommt ihm eine zentrale Funktion im Grundgesetz und somit im politischen System der Bundesrepublik Deutschland zu. Die Internetseite des Ausschusses, mit mehr als 1,8 Millionen registrierten Nutzern, ist das am meist genutzte Internetangebot des Deutschen Bundestages. Dabei bietet das Petitionsforum nicht nur die Möglichkeit der Mitunterzeichnung, sondern auch zur sachlichen Diskussion. Steinke, die seit der Einführung der E-Petition ihr Amt bekleidet, bezeichnet die technische Errungenschaft als eine „Bereicherung“ für das Petitionswesen.

Von den 15.325 Petitionen im Jahr 2014 betrafen ca. 55% Einzelbeschwerden und 45% zielten auf Bitten zur Gesetzgebung ab. 5.667 wurden über das Webformular eingereicht und 436 im Forum veröffentlicht. Eine Kritik an den niedrigen Veröffentlichungszahlen ist nachvollziehbar, dennoch bleiben die genannten Prozentzahlen zur Veröffentlichung unklar, da sie für Außenstehende kaum nachvollziehbar sind. Dies liegt an den Filterungsprozessen, die eine Petition zu durchlaufen hat, und diese werden nach Maßgabe der Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen (öP) getroffen. Selbst wenn alle 5.667 über das elektronische Formular eingereichte Petitionen formell einwandfreie Petitionen im Sinne der Richtlinie wären, läge der Prozentsatz bereits über den genannten 3% veröffentlichter Petitionen. Da aber nicht alle Online-Petitionen publik gemacht werden können, weil sie etwa persönliche Anliegen formulieren, gegen bestimmte Grundsätze verstoßen etc., liegt der Prozentsatz der veröffentlichten Petitionen noch höher. Laut Steinke kamen im Jahre 2014 für rund 3.700 Petitionen eine Veröffentlichung im Forum in Frage, davon wurden aber nur 11,5% tatsächlich veröffentlicht. Damit liegt die Veröffentlichungszahl über den von Kritikern monierten Prozentsatz und dennoch bleibt die Gesamtzahl gering, was auch Steinke bemängelt: „Ich wünschte mir mehr zugelassene Online-Petitionen, damit wir auch in der Konkurrenz mit den privaten Plattformen bestehen können, was die Zulassungspraxis betrifft.“ Es gebe aber auch die Möglichkeit für Petenten, sich im Zweifel einer Nichtveröffentlichung einer Petition nochmals an den Petitionsausschuss zu wenden, der sich dann noch einmal mit der Sache befasst.

Begrenzte Wirkung von Petitionen und demokratische Dilemmata

Die oft kolportierte Zahl von über 99% verworfener Petitionen ist allein deswegen irreführend, da sich bereits 47% der Petitionen dadurch erledigen, dass sie schlichtweg falsch adressiert , inhaltlich und formal unbestimmbar sind oder von Mitarbeitern des Bundestages mit Verweisen, Auskünften oder sonstige Hilfestellungen beantwortet wurden. Diese Zahlen werden übersichtlich im Jahresbericht des Petitionsausschusses aufgelistet.

Dennoch gibt es einige Hindernisse auf dem Weg einer erfolgreichen Petition. Da der Petitionsausschuss sich nach den Größenverhältnissen der Fraktionen im Parlament richtet, müssen sich dort die Abgeordneten auch mit Kritik an den von ihnen mitbeschlossenen Gesetzen auseinandersetzen; auch im Ausschuss hat die Opposition nur beschränkte Handlungsmöglichkeiten. Der politische Wille der Regierungspartei ist bei Gesetzesänderungen also von zentraler Bedeutung, sonst hat der Petent schlechte Karten. Außerdem verfügt der Petitionsausschuss nicht über ein Selbstbefassungsrecht, kann sich also nicht eigeninitiativ mit Themen befassen. Dies wurde zwar in der Vergangenheit schon einmal diskutiert. Letztlich jedoch verworfen, weil der Petitionsausschuss verglichen mit anderen Ausschüssen über keinen eigenen Geschäftsbereich verfügt.

Petitionen sind kein eigentliches direktdemokratisches Instrument im Sinne von Volksbegehren oder Volksentscheiden, welche normalerweise verbindliche Gesetzesinitiativen betreffen. Trotzdem bleibt die Petition für parlamentarische Demokratien ein essenzielles Instrument zur Bürgerbeteiligung. Petitionen müssen von der Politik ernst genommen werden. Andernfalls leidet die Glaubwürdigkeit in demokratische Institutionen wie den Petitionsausschuss. Petitionen mit einer hohen Mitschriftenzahl können auch durch die mediale Wirkung Aufmerksamkeit entfalten. Ergänzend zu der direkten, zeitnahen Wirkung dienen Petition auch als Kontrollinstrument, das nicht immer eine unmittelbare Gesetzesänderung durchsetzt, sondern das auf Missstände aufmerksam macht und so langfristig Verbesserungen erzielen kann.

Bild: Mehr Demokratie(CC BY-SA 2.0)

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