ipaidabribeIn vielen Ländern der Welt ist Korruption im Staatsapparat ein großes Problem. Die in Indien gegründete Initiative ipaidabribe.com bietet Bürgern die Möglichkeit, Bestechungen online zu melden. Mit den gesammelten Informationen will man den Druck auf den Staat erhöhen, ein grundlegendes Umdenken in der öffentlichen Verwaltung voranzutreiben. Das Konzept ist so simpel wie genial.

Wer in Deutschland einen Personalausweis beantragt und das 24. Lebensjahr vollendet hat, zahlt zurzeit eine Gebühr von 28,80€. Die Gebühr mag steigen, aber auch dann ist sie für jeden gleich. Für uns ist das selbstverständlich, doch das ist nicht in allen Ländern so. Indien, die größte Demokratie der Welt, wird im Corruption Index von Transparency International regelmäßig mit schlechten Noten abgestraft. In Delhi zahlte ein Inder 2.000 Rupien (etwa 28€) für die Registrierung seiner Wohnung. Für ein Geburtszertifikat musste ein anderer in Bangalore kürzlich 3.000 Rupien (42€) auf den Tisch legen. Ohne Quittungen versteht sich.

Korruption kostet nicht nur Bürgern Unmengen an Geld, Zeit und Frust, auch die Wirtschaft leidet massiv darunter. Seit der Unabhängigkeit Indiens 1947 wird der Schaden der wohlgemerkt aufgedeckten Fälle von massiver Korruption auf mehr als 15 Billionen Euro beziffert. Hält man sich vor Augen, dass die Schätzung als eher vorsichtig gilt und Bestechungen im Alltag in dieser Zahl kaum eine Rolle spielen, werden die gesellschafts- und wirtschaftsschädigenden Ausmaße von Korruption deutlich.

You must be the change you want to see in the world.“ (M. Gandhi)

Vor einigen Jahren wurde es den Gründern der indischen Nichtregierungsorganisation Janaagraha zu bunt und sie beschlossen aktiv zu werden. Zunächst wollte man eine Internetplattform anbieten, die mit Hilfe von Bürgerangaben eine Art Marktpreis für Behördengänge bestimmt. Dieser Ansatz war wohl etwas zu zynisch und so startete man ipaidabribe.com in der heutigen Form am 15. August 2010, nicht ganz zufällig Indiens Unabhängigkeitstag.

Wer auf die Webseite geht, kann per Formular seine Bestechungserfahrung teilen. Wo ist es geschehen? Wofür hat der Beamte wie viel verlangt? Name und Dienstgrad des Beschuldigten? Einfach und direkt werden alle benötigten Informationen abgefragt. Will man anonym bleiben, wird das respektiert, doch falls man seine persönlichen Daten angibt, leitet ipaidabribe den Missstand auch direkt an die zuständige Regierungsbehörde weiter. Das gilt auch für diejenigen, die sich geweigert haben Schmiergeld zu bezahlen. Wer auf ehrliche Beamte trifft, kann auch das mitteilen. Sozusagen als Tipp für zukünftige Behördengänge der Mitbürger. Über 45.000 Berichte sind so schon zusammengekommen. Die Statistik ist eher ernüchternd. Mehr als 22.000 gezahlten Schmiergeldern stehen 912 ehrliche Beamte und gut 2.600 Bestechungsgeldverweigerer entgegen. Ob die Diskrepanz zwischen ehrlichen und erpresserischen Beamten in der Realität tatsächlich so groß ist sei einmal dahingestellt. Wozu einen Bericht teilen, wenn alles korrekt abgelaufen ist? Nichtsdestotrotz sind diese Zahlen alarmierend.

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Mehr als eine Sammelstelle für Korruptionsfälle

Ipaidabribe.com kann mehr als Erfahrungen sammeln und zählen. Jeder Bericht wird auf der Webseite gepostet und zugeordnet nach Behörde eingeteilt. So kann man nachlesen, dass 17,8% der Korruptionsfälle mit der Polizei zu tun haben, 6,1% geschehen bei Registrierungsbehörden. Mehr als zwei Drittel der Fälle werden jedoch unter der Rubrik „Others“ (mit 33 Unterkategorien) geführt, was davon zeugt, wie absolut die gesamte Gesellschaft von Korruption durchdrungen ist. Das war für Mitgründerin Swati Ramanatha ein wichtiger Anstoß: „Wir haben ipaidabribe gestartet, weil wir wissen, dass Korruption in Indien ein nationales Problem ist.“ Zwei wichtige Funktionen bilden das Herzstück des Portals. Viele Opfer von Korruption hätten auf sich allein gestellt vermutlich selten die Courage, eine offizielle Beschwerde einzureichen. Das nimmt ipaidabribe.com ihnen nun ab. Was das Projekt außerdem so vielversprechend macht, ist der permanente Einbezug der Medien. Öffentlicher Druck erscheint als vielversprechendster Ansatz bei den Entscheidungsträgern ein Umdenken herbeizuführen. Denn obwohl der im letzten Jahr neu gewählte Regierungschef Narendra Modi Korruptionsbekämpfung als eines der zentralen Themen seiner Amtszeit hervorgehoben hat, passierte bisher noch wenig. Im Februar diesen Jahres gab es dafür bei der Kommunalwahl in Neu Delhi die Quittung. Fast alle Sitze errang die junge Antikorruptionspartei AAP, für Modis Regierungspartei BJP blieben nur lange Gesichter. Ein klares Zeichen an den Premier: das Volk wird Korruption nicht mehr einfach so hinnehmen. Das lässt für die Zukunft hoffen und daran trägt auch die Initiative ihren Anteil.

Korruption ist nicht nur in Indien ein Übel, das jegliches Vertrauen in den Staat unmöglich macht. Da ist es nur logisch, dass es ipaidabribe.com mittlerweile in 15 Ländern gibt, von Lateinamerika über Afrika und Europa bis Asien. Für 15 weitere Länder ist eine solche Plattform noch in der Planung. In Europa sind mit Ungarn und Griechenland auch zwei EU-Mitglieder dabei. Im Fall von Griechenland ist leider nur zu deutlich geworden, dass Vetternwirtschaft und Korruption das Potential haben, irgendwann auch einen ganzen Staat in die Knie zu zwingen. Es bleibt zu hoffen, dass man sich in Indien rechtzeitig von der Bakschisch-Kultur verabschiedet.

Bild: watchsmart (CC BY 2.0) , Screenshot von ipaidabribe

 

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