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Start-Ups, selbstfahrende Autos, Breitbandausbau und Industrie 4.0. Die Regierungen von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben erkannt, dass die Digitalisierung nicht aufzuhalten ist und jüngst ihre Digitalstrategien vorgelegt. Wie sehen die Pläne der beiden Länder aus, wo setzen sie Schwerpunkte, was bleibt zu tun?

Nachdem Bayern bereits im November 2013 eine Digitalisierungsstrategie für den Freistaat vorgelegt hat, legten Baden-Württemberg und NRW in den vergangenen Monaten nach. Das nordrhein-westfälische Regierungsprogramm „MegaBits. MegaHerz. MegaStark“, das Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) im Januar vorgestellt hat, erklärt den digitalen Wandel zu einem der zentralen Vorhaben im Jahr 2015. Einer der wichtigsten Aspekte ist in diesem Rahmen die Digitalisierung der Bildung. In NRW soll die voranschreitende Digitalisierung neben bereits vorhandenen Initiativen weitere Möglichkeiten schaffen, Menschen an der Gesellschaft teilhaben zu lassen. Dabei sollen digitale Instrumente jungen Menschen vom Grundschulalter bis zum Studium helfen, einen höheren oder überhaupt einen Bildungsabschluss zu erhalten.

Auch in Baden-Württemberg spielen „Bildung und Wissenschaft“ einen bedeutenden Part innerhalb von fünf Themenkomplexen der baden-württembergischen Digitalstrategie, neben „Sicherheit und Vertrauen“, „Wirtschaft“, „Ländlicher Raum“ und „Ökologische Modernisierung“. So möchte die Landesregierung junge Menschen zu einem reflektierten Umgang mit den neuen digitalen Kulturtechniken befähigen. Gegenwärtig erarbeiten in Baden-Württemberg beispielsweise zwei Expertenkommissionen die Grundlagen für die Ingenieurausbildung der Zukunft – mit einem Schwerpunkt auf „Industrie 4.0“. Die Initiative „Kindermedienland Baden-Württemberg“ fördert Medienbildung von der Grundschule bis zum Abitur, aber auch die von Eltern, Erwachsenen und Senioren.

Weitere Beispiele werden nicht genannt – anders in NRW, wo die digitalen Online-Lernplattform „moodle“ oder Massive Open Online Courses (MOOCs) an Hochschulen eingesetzt werden und die Initiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ individuelle Beratung für die Zeit nach der Schule bietet. Das sind aber nur wenige Beispiele von vielen Maßnahmen im Bereich der digitalen Bildung.

Das „Internet der Dinge“ hänge mit dem „Internet der Dienste“ aufs Engste zusammen, erkärte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) im Oktober 2014 in seiner Regierungserklärung unter dem Titel „Heimat, Hightech, Highspeed“. Dabei setzt er auf die Wirtschaft und will vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmen auf dem Weg zur Industrie 4.0 begleiten. In einer „Mittelstandsoffensive“ soll das Leuchtturmprojekt „Cloud Computing“ vorangebracht werden, das Unternehmen freien Zugang zu einem integriertem Portfolio aus Infrastrukturleistungen, erweiterten Plattformdiensten und Softwareanwendungen bietet. Außerdem will die Landesregierung in Stuttgart eine Forschungsfabrik „Campus Ost“ gründen und gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft die Allianz „Industrie 4.0“ gründen. Wie diese konkret arbeiten soll, wird jedoch nicht beschrieben. Auch Hannelore Krafts Position zur Industrie 4.0 bleibt sehr blass. Man wolle mehr Geld investieren und Energieeffizienz sichern, doch konkrete Maßnahmen werden nicht genannt.

Mut zum Scheitern wird gefördert

Mit einem eigenen Venture-Capital-Fonds will Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen mit der Förderbank NRW.Bank eine Gesellschaft fördern, die Scheitern akzeptiert: eine Kultur der zweiten und dritten Chance für Existenzgründung und Start-Up-Unterstützung. Wichtig dafür sind auch der Breitbandausbau und die Netzneutralität. In Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben 70 Prozent der Haushalte Anschluss an das Hochgeschwindigkeitsinternet. Beide Bundesländer sehen aber weiteren Ausbaubedarf – in NRW konkret ermöglicht durch weitere Investitionen des Landes und einigen Milliarden aus dem sogenannten „Juncker-Investitionspaket“ der Europäischen Union. Telemedizin und altersgerechte Assistenzsysteme als ergänzende Hilfestellung für Patienten und Angehörige stehen in beiden Ländern auf der Agenda. Wobei in der Regierungserklärung Nordrhein-Westfalens konkretere Beispiele wie das „Arzneimittelkonto NRW“ oder das Projekt „Telematik in der Intensivmedizin“ genannt werden.

Die Verkehrsinfrastruktur ist bedeutend für die Metropolregionen im Ruhrgebiet, deshalb werden die Verkehrsentwicklung und -forschung in Nordrhein-Westfalen eigens im Programm genannt und gefördert. Neben 11 Milliarden Euro bis 2020 aus Landes- und Bundesmitteln will die Landesregierung weitere Mittel vom Bund in die Verkehrsinfrastruktur stecken, um den Investitionsstau abzubauen. Das südwestliche Bundesland Baden-Württemberg baut auf Echtzeitinformationssysteme im ÖPNV und zur Stauvermeidung und fördert Carsharing sowie die optimale Vernetzung der verschiedenen Mobilitätsangebote.

In Baden-Württemberg soll die Industrie digitaler und besonders nachhaltig werden

Die Regierungsprogramme haben viele Gemeinsamkeiten, doch es gibt auch einige Punkte, in denen die Digitalstrategien in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sich unterscheiden. Das ist unter dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann der inhaltliche Schwerpunkt auf ökologische Modernisierung. Die Industrie soll nicht nur digitaler werden, sondern auf diesem Wege auch einen geringeren Energie- und Rohstoffverbrauch aufweisen. Mobilität soll staufreier und nachhaltiger werden. Und mithilfe virtueller Kraftwerke und eines modernen Lastenmanagements will man die Energiewende in Baden-Württemberg weiter vorantreiben.

Neben der eindeutigen Zustimmung zur Netzneutralität gibt die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen das Ziel aus, kostenloses WLAN in Fußgängerzonen und sogenannte digital Lounges in öffentlichen Räumlichkeiten zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Freifunk-Gruppen sollen durch die Regelung der Störerhaftung Rechtssicherheit gewährleisten. Darüber hinaus soll die Verwaltung in NRW schneller digitalisiert werden und als Vorreiter für den europäischen Raum dienen: Sei es die Möglichkeit, dank ELSTER seine Steuererklärung digital einreichen zu können (seit 2001) oder das geplante Open Government-Portal Open.NRW, das noch im März 2015 in Betrieb genommen werden soll.

Ambitionierte Zielsetzung – konkrete Lösungsvorschläge fehlen zumeist

Baden-Württemberg wird seinem Anspruch „Heimat, Hightech, Highspeed“ durchaus gerecht. Inbesondere der Heimatbezug spielt eine wichtige Rolle, so will man die lokalen mittelständischen Unternehmen in die digitale Zukunft führen. Im Gegensatz zu Hannelore Krafts „MegaBits. MegaHerz. MegaStark“ fehlen aber zum Teil konkrete Beispiele, dort besteht noch Nachholbedarf. Die beiden Regierungsprogramme zur Digitalisierung geben aber einen Ausblick, wie Digitalpolitik auf Landesebene aussehen kann. Nun gilt es, sie nachhaltig umzusetzen.

Nachtrag: Das Open Government-Portal Open.NRW ist am 17. März 2015 online gegangen.

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