Netzpolitik war im Jahr 2014 ein Erfolg. Das möchte ich bei all dem Berliner Pessimismus einmal grundsätzlich feststellen. Ohne mich in eine Debatte zu verlieren, was an dem Begriff Netzpolitik an sich gut oder falsch ist, bin ich der Meinung, dass bei den meisten netzpolitischen Themen des vergangenen Jahres viel erreicht wurde. Alle beteiligten Akteure haben außerordentliche Arbeit geleistet. Kurzum, wir haben uns auf die Schulter zu klopfen. Es gibt nur ein Problem. Dort wo Netzpolitik eigentlich hätte wirken sollen, in der Politik und der Gesellschaft, war sie kein Erfolg. Ein Widerspruch? Ich finde nicht.

Inzwischen gibt es einen Ausschuss im Bundestag, der nichts zu sagen hat, was politisch so gewollt ist. Der aber ein netzpolitisches Regierungsprogramm umsetzen soll, an deren Entwicklung er nicht beteiligt war, was ebenfalls politisch so gewollt war. Die Digitale Agenda, welche eher nach einem Vorwort für ein derartiges Vorhaben aus dem Jahr 1990 klingt, zementiert den Rückstand der Politik, sich mit dem digitalen Wandel auseinanderzusetzen.

Das musste ich einmal los werden. Doch wo Schatten ist, gibt es auch Licht. Lob gebührt denjenigen Politikern, die sich jeden Tag für eine bessere Digitalpolitik einsetzen, unermüdlich gegen die alteingesessenen Machtinteressen ihrer Organisationen anlaufen und wenigstens in kleinen Schritten zu einer wirklichen Veränderung beitragen. Dafür ziehe ich meinen Hut. Diese Geduld habe ich nicht, weshalb ich auch in keiner Partei bin oder je für oder in der Regierung arbeiten könnte.

Dank der “Community” ist das Thema in der Politik angekommen

Die unterschiedlichsten Stiftungen, Vereine, Verbände, Einzelkämpfer und “Blogger” haben die letztjährige Netzpolitik zu einem Erfolg gemacht, indem sie zur Reifung des Politikfeldes beitrugen. Der schützende Kokon ist abgelegt, die ideologischen Unterschiede sind jetzt sichtbar und es wird lösungsorientiert diskutiert. Der sich stets vernetzenden “Community” von Aktiven ist es zu verdanken, dass das Thema in der Politik und anderen Institutionen angekommen ist. Um eine Auseinandersetzung mit der Digitalisierung kann sich niemand mehr drücken. Darin liegt der Erfolg.

Dass die gesellschaftliche Bedeutung des digitalen Wandels dem Durchschnittswähler immer noch nicht bewusst ist, dass mehr oder eher weniger durchschnittliche Politiker nichts gegen die weltweite und anlasslose Totalüberwachung durch Staaten unternehmen bzw. diese überhaupt im Ansatz falsch finden, ist nicht die Schuld der sich netzpolitisch engagierenden Menschen. Wir – formuliere ich es jetzt einmal stellvertretend für alle, die das genauso sehen wie ich – haben das alles auch erklärt, haben dafür demonstriert und auch nach unseren Überzeugungen gewählt. Ohne Erfolg. Unsere Bemühungen sind am System Merkel abgeprallt.

Digitalisierung spielt im politischen Wettbewerb keine Rolle

Warum? Die Thematik, aber auch unser Protest, sind zu komplex, waren einfach zu technisch und manchmal vielleicht auch zu nerdy. Die Netzgemeinde – wir – sind eben eine Nische. Protest fällt beim seditiven System Merkel schwer. In diesem gehen die Massen höchstens für Weltmeisterschaften auf die Straße oder schwenken demokratische Devotionalien. Themen spielen im politischen Wettbewerb keine Rolle, erst recht nicht die Digitalisierung. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die Politik in ihrer Verständnislogik, ihren Prozessen und inhaltlichen Ausrichtungen weitestgehend im letzten Jahrhundert stecken geblieben ist.

Die Netzpolitik außerhalb der Politik war ein Erfolg, weil alles Mögliche getan wurde und das sogar gut bis sehr gut. Sascha Lobo regt sich zu Recht darüber auf, dass dafür zu wenig Geld zur Verfügung steht, was auch das Collaboratory als auf Fundraising angewiesener Verein nur zu gut weiß. Doch alles Geld der Welt, egal wie oft wir zur “Freiheit statt Angst”-Demonstration gehen oder unsere Abgeordneten anrufen, am Ende braucht ein politisches Thema den Rückhalt in der breiten Bevölkerung, um überhaupt erst von der Politik ernst genommen zu werden.

Oder man braucht die Lobbymacht eines Unternehmens wie Axel Springer. Dann kann man sich einfach ein Gesetz bestellen, wie wir beim sinnlosen Leistungsschutzrecht für Presseverlage gesehen haben. Doch leider stellen die sich mit der Digitalisierung beschäftigenden Menschen keine Mehrheit dar, weshalb es schwer fällt, bestimmte Punkte in einen Koalitionsvertrag hinein zu diktieren. Doch fast alle anderen Wege stehen uns offen – bei vielen Aktiven vor allem durch ehrenamtliches Engagement – und im Rahmen unserer Ressourcen haben wir alles getan, was überhaupt möglich war.

Weiter so! History is on our side

Ich möchte also meinen traditionellen Text zum Jahreswechsel mit einer Botschaft des Mutes abschließen. Alle diejenigen, die sich im vergangenen Jahr für eine bessere Netzpolitik eingesetzt haben, sei es beruflich in einem Unternehmen, bei einer Stiftung, in einem Verein, bei einem Verband oder ehrenamtlich in einer politischen Partei, an der Uni, in der Schule oder zu Hause am Mittagstisch, möchte ich voller Dank sagen: Weiter so! History is on our side, und als unbelehrbarer Optimist bin ich mir sicher, dass wir noch die Zeit erleben werden, in der von der Politik mehr als nur Lippenbekenntnisse und “Neuland” zum Thema Digitalisierung zu hören sind.

Es wird immer Menschen mit anderen Ansichten geben, darunter auch Leute und Institutionen, die der aufgeklärten Begegnung mit Veränderung grundsätzlich negativ gesinnt sind, doch damit wollen wir in einer pluralistischen Demokratie umgehen, dies aushalten und auch respektieren. Was wir aber nicht können, ist die Flinte ins Korn zu werfen und die Unfähigkeit manch politischer Machtelite (nicht alle, you know who you are, I hope) zu unseren eigenen Fehlern zu deklarieren. Die Netzpolitik war 2014 ein Erfolg. Vielleicht ist sie es bald auch in Legislative, Exekutive und Judikative und erreicht damit die gesamte Gesellschaft.

Ich wünsche allen ein erfolgreiches Jahr 2015!

Dieser Text spiegelt die persönliche Meinung des Autors wider, und stellt nicht die Ansichten des Collaboratory e.V., seiner Mitglieder oder Partner dar.

Dies ist ein Crosspost von Collaboratory.de. Der Artikel ist zuerst dort erschienen.

Foto: Bokeh & Travel
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