Nicht nur die Autoindustrie tüftelt eifrig an Smart Cars – schlauen Autos, die sich selbst fahren, Pannen diagnostizieren und nicht nur den Fahrer, sondern möglicherweise auch Staat, Versicherer und Industrie über Fahrverhalten, Standort und Zustand von Wagen und Fahrer auf dem Laufenden halten. Aber was genau hat es damit auf sich, welche Möglichkeiten sind in Planung und was könnte die Einführung von Smart Cars für uns als Fahrer bedeuten? Im vierten Teil unserer Reihe zum Internet der Dinge gehen wir diesen Fragen auf den Grund.
Vor allem Kinder der 1980er und frühen 90er Jahre werden sich erinnern: an K.I.T.T, das sich selbst steuernde und sprechende Auto aus der US-Kultserie Knight Rider. Unkaputtbar und ausgestattet mit Turbo Boost und rotem Lauflicht, war K.I.T.T. viel mehr als nur ein futuristisches Gefährt, es war Gefährte und Beschützer – das Auto als bester Freund.
Ein Auto, das sich selbst steuert, sich ganz auf den Fahrer einstellt, mit ihm auf „freundliche und bedeutungsvolle Weise“ kommuniziert, ihn sogar beschützt. Neben Smartphones und Smart Wearables sind Lösungen für Smart Cars längst in Planung. Diese reichen vom selbstfahrenden Auto über eCall für effiziente Unfallmeldungen bis hin zu Geräten, die jedes Auto smarter – also schlauer – machen. K.I.T.T. für alle oder doch zu schlau? Was sollen unsere Autos, Hersteller, Versicherungen oder der Staat noch alles über uns wissen?
Zur Sache: Was passiert da eigentlich genau?
Google ist mit seinem 2010 vorgestellten „Driverless Car Project“ nicht der einzige Konzern, der auf Hochtouren am fahrerlosen Auto arbeitet. Nach dem Einzug von Android- und iOS-Technologien ins Cockpit wird nun gleich das ganze Fahrzeug vernetzt, damit wir sicherer fahren – oder am Ende gar nicht mehr. Das Auto steuert sich dann selbst und sammelt dazu ständig Unmengen von Daten per Radar, Video und GPS, um eine dreidimensionale Karte der Umgebung zu erstellen. Auf diese Weise – oder mithilfe von Car-to-Car-Kommunikation – bremst das Smart Car Fahrzeuge auf Kollisionskurs automatisch aus, verhindert Zusammenstöße, schützt neben uns auch Radfahrer und Fußgänger.
Überhaupt, die Sache mit den Unfällen. Zur rascheren Reaktion darauf besteht die EU ab 2015 auf Emergency Call – kurz: eCall. Das automatische Notrufsystem wird Pflicht für alle Neufahrzeuge. Es soll Verkehrsunfälle automatisch an die Euro-Notrufnummer 112 melden, um so unter anderem die Zahl der Verkehrstoten zu reduzieren. eCall versendet einen Minimaldatensatz mit Unfallzeitpunkt, den genauen Koordinaten des Unfallorts, der Fahrtrichtung, Fahrzeug-ID, Service Provider-ID sowie Informationen darüber, ob der eCall automatisch oder manuell ausgelöst wurde. Als sogenanntes „schlafendes“ System soll eCall laut der Europäischen Kommission nur im Falle eines Unfalles aktiv werden, aber ansonsten keinerlei Daten sammeln oder weiterleiten. Die Sorge darüber, dass die Privatsphäre durch ständige Überwachung eingeschränkt werden könnte, sei damit unbegründet.
Wem es nach NSA-Affäre und CIA-Bespitzelung schwer fällt, Zusicherungen aus Regierungskreisen zu glauben, der wird sicher auch Schwierigkeiten mit den Angeboten kommerzieller Anbieter haben.
Eines dieser Angebote ist Mojio (sprich mo-dschi-o) eines kanadischen Entwicklers, das aus „dummen“ Autos „schlaue“ Autos machen soll. Mojio bietet ein eigenes Ökosystem von Apps an. Es kann an die On-Board-Diagnosebuchse eines Autos – also die Schnittstelle, an der Hersteller oder Autowerkstätten Daten über Schäden an Steuergeräten und Abgassystemen auslesen können – angeschlossen werden und verbindet Auto und Internet. Mojio sendet und empfängt Daten ans und vom Fahrzeug in Echtzeit. Diese Daten werden dann an die entsprechende Smartphone-App weitergeleitet und diagnostizieren dort frühzeitig mögliche Schäden, während der Fahrer, so verspricht der Hersteller, gleichzeitig immer und überall Zugriff auf die allerliebsten Daten hat und zugleich stets mit seinen Lieben verbunden ist.
Wozu das Ganze?
Naja, wer’s mag. Die Resonanz innerhalb der Gesellschaft, zumindest auf sich selbst fahrende Autos, ist grundsätzlich positiv: Jeder dritte Deutsche kann sich vorstellen, in Zukunft ein solches Fahrzeug zu nutzen. Immerhin, zusätzlich zur schnelleren Reaktion auf einen Aufprall und zur Vermeidung von Unfällen, fährt beispielsweise Googles Driverless Car effizienter, sucht sich selbst einen Parkplatz und ermöglicht laut Google sogar Menschen das Autofahren, denen dies bisher verwehrt blieb, wie Menschen mit Behinderungen. Zudem macht es Pendlern das Leben leichter: Anstatt sich mit dem Berufsverkehr zu stressen, konzentriert man schon mal auf die auf dem Smartphone eingegangenen E-Mails.
Mojio wiederum wäre zudem als Gedankenstütze nützlich: Mithilfe einer App kann der Fahrer sein Auto wiederfinden, wenn er sich nicht mehr erinnern kann, wo er es abgestellt hat. Sobald man sich dem Wagen nähert, erkennt Mojio das Smartphone des Fahrers und öffnet automatisch die Tür. Und es macht nicht nur das Leben im Auto leichter, sondern das Leben überhaupt: Mojio schließt nach dem Wegfahren die Haustür ab, erinnert daran, der besseren Hälfte das Geschenk zum Jahrestag mitzubringen und bezahlt die Parkgebühr. Anzunehmen wäre auch, dass es sich als Droge gegen FOMO (Fear of Missing Out – die Angst, etwas zu verpassen) ganz ausgezeichnet eignet.
Dass die Technik nicht zum Wohle der Menschheit entwickelt wurde, dürfte jedoch jedem klar sein. Der Vorteil des fahrerlosen Autos für Google ist offenkundig: „Wenn man die Autofahrer vom Lenkrad wegbekäme, würde sich ein Milliardenmarkt eröffnen“, mutmaßte kürzlich der FAZ-Redakteur Niklas Maak im Hinblick auf die gewonnene Zeit, die man stattdessen mit z. B. Googeln verbringen könnte. Zumal individualisierte Werbung im Stile der iBeacons auch für das Auto möglich würde.
Risiken und Nebenwirkungen
Die Deutschen fühlen sich mit dem Smart Car nicht so recht wohl. Was auf den ersten Blick verheißungsvoll klingt, wirkt bei genauerem Blick auf die „geschwätzige“ Elektronik dann doch unheimlich.
Zudem ist die Frage, ob der ganze Schnickschnack wirklich nötig ist, damit wir getrost noch fauler werden können, nicht die einzige, die sich im Zusammenhang mit den schlauen, den Behörden diagnostische Daten verratenden Autos stellt.
Das Google-Auto hat, wie Niklas Maak kritisiert, kein Lenkrad. Vorbei ist es mit dem autonomen Autofahrer. Wie ein Zug bleibt das Driverless Car stets auf bekannten Straßen – das von Volvo erdachte Modell führe gar auf unsichtbaren Magnetschienen. Eigentlich könnte man sich also auch einen Chauffeur anschaffen, ein Taxi rufen oder sich eben in den Zug setzen – das wäre besser für die Umwelt, denn die Straßen sind ohnehin schon voll genug.
Den sonst so datensammelwütigen Spionen des FBI ist das Google-Auto übrigens auch nicht ganz geheuer. Man könne es zu einer selbstfahrenden Bombe umfunktionieren oder hätte die Hände frei, um Schusswaffen abzufeuern, während sich das Fluchtauto nach einem Banküberfall selbst lenken könnte. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, dass die computergesteuerten Autos schlicht von Cyberkriminellen gekapert werden könnten.
Oder der Haken an Mojio: Die Internet-Verbindung ist immer aktiviert. Verschlüsselt und damit hundertprozentig sicher, behauptet der Hersteller. Aber glaubt daran in Zeiten der NSA und des kommerziellen Datensammelwettbewerbs wirklich noch jemand? Sicherlich lassen sich mit den vom Auto oder eben auch von Applikationen wie Mojio gesammelten Daten leicht Persönlichkeits- und Verhaltensprofile erstellen. Profitieren würden davon zum Beispiel Versicherer – und das auf Kosten der Versicherten. eCall wird mit einer SIM-Karte ausgestattet sein, die Mobilfunkbetreibern neue Geschäftsfelder eröffnet, und steht in der Kritik, nicht zuletzt durch nötige GPS- und GSM-Module „möglicherweise die technische Grundlage für eine EU-weite Überwachungsinfrastruktur zu schaffen“.
Auch sind noch nicht alle rechtlichen Fragen geklärt: Wenn ein fahrerloses Auto einen Unfall baut – wer hat dann Schuld? Was, wenn ein Beschuldigter „nicht sagen möchte, wie schnell er gefahren ist, die Daten jedoch jederzeit ausgelesen werden können?”, fragt Heiko Haupt in der Zeit.
Nicht zu Unrecht forderte der Ex-Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar die Aufnahme des folgenden Satzes in das Gesetz über intelligente Verkehrssysteme im Straßenverkehr:
“Personenbezogene Daten dürfen nur erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies durch eine bundesgesetzliche Regelung ausdrücklich zugelassen oder angeordnet wird.”
Das mag auf den Staat ja anwendbar sein. Aber wollen wir wirklich noch mehr persönliche Daten unserer Bequemlichkeit opfern? Viel zu häufig geben wir jetzt schon das Datensteuer im übertragenen Sinn aus der Hand. Da mag der Schritt dazu, dies auch im wahren Wortsinn zu tun, wenig bedeutend erscheinen. Wenn wir uns da mal nicht verfahren.
Alle Teile der Sommerreihe Internet der Dinge:
Einführung: Leben in der smarten Welt
Teil 1: Smart Wearables
Teil 2: Intelligentes Shopping
Teil 3: Smart Home
Teil 5: Smart Country
Teil 6: Smart City
Teil 7: Industrie 4.0
Clipart: Mazeo/openclipart.com
Bin beeindruckt.