Anders als seinerzeit der NSU-Untersuchungsausschuss tagt der fast namensgleiche NSA-Untersuchungsausschuss nicht öffentlich. Auch erhielten die Mitgliedern aus rechtlichen Gründen in der Vergangenheit nicht Zugang zu allen Akten und Informationen. Ein offener Brief verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen forderte das Komitee dazu auf, umzudenken, und forderte mehr Transparenz ein. Auf Anfrage von politik-digital.de bezieht SPD-Obmann Christian Flisek Stellung zur Arbeit des Ausschuss und der Zusammenarbeit mit der Bundesregierung.
Das Interesse der Bundesregierung, sich in Deutschland mit den von Edward Snowden enthüllten Geheimdienstaktivitäten auseinanderzusetzen und diese umfänglich aufzuklären, wird immer wieder stark bezweifelt. Der Entschluss der Generalstaatsanwaltschaft, wegen der Abhöraktivitäten der NSA auf deutschem Boden nicht gegen den US-Geheimdienst zu ermitteln, stieß in dieser Woche erneut auf heftige Kritik.
Ebenfalls in der Kritik steht die Aufklärungsarbeit der Geheimdienstaffäre durch den dazu eingesetzten Untersuchungsausschuss. Eine Woche vor der ersten öffentlichen Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses richteten sich insgesamt sechs Akteure aus der Zivilgesellschaft in einem offenen Brief an dessen Mitglieder – darunter prominente Organisationen wie Amnesty International Deutschland und Reporter ohne Grenzen. In ihrem gemeinsamen Schreiben insistierten die Unterzeichner darauf, die Sitzungen und Beratungen des Ausschusses zukünftig öffentlich abzuhalten. Darüber hinaus solle der Ausschuss Zugang zu relevanten Dokumenten erhalten. Dies sei, so im Weiteren, nicht nur aus Gründen der demokratischen Kontrolle wünschenswert, sondern auch in der Vergangenheit bereits durch das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben worden, wie die Verfasser betonen.
Nachdem die Aktion öffentlich nicht weiter durch die Ausschussmitglieder kommentiert wurde, wendete sich politik-digital.de direkt an Ausschuss-Mitglieder der Regierungsparteien mit der Bitte um eine kurze Stellungnahme. Zwei Wochen später liegt uns nun die Antwort von SPD Obmann Christian Flisek vor.
politik-digital.de: Bereits in der Vergangenheit waren die mangelnde Transparenz und die unzureichende Akteneinsicht des Ausschusses eine Streitfrage. Werden Sie bzw. Ihre Fraktionskollegen auf den öffentlichen Brief reagieren? Wären Sie bereit dazu, das Thema erneut zu diskutieren und über Kompromisslösungen zu verhandeln?
Christian Flisek: Der Untersuchungsausschuss wurde auf gemeinsamen Antrag aller Fraktionen eingesetzt und hat dementsprechend eine starke Stellung gegenüber der Bundesregierung. Diese werden wir selbstverständlich im Sinne der bestmöglichen Sachverhaltsaufklärung nutzen.
Von mangelnder Transparenz der Ausschussarbeit kann aus meiner Sicht nicht die Rede sein. Der Ausschuss wurde erst vor wenigen Wochen eingesetzt, hat aber bereits umfangreiche Beschlüsse zur Aktenbeiziehung gefasst. Die ersten Akten wurden von der Bundesregierung in der letzten Woche termingerecht geliefert.
“Nur im begründeten Einzelfall kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden”
politik-digital.de: Was spricht Ihrer Überzeugung nachSpricht etwas gegen eine teilweise Öffnung des Ausschusses? Wäre es nicht einem demokratischen Rechtsstaats angemessen, hier für höchstmögliche Transparenz zu sorgen und die öffentliche und parlamentarische Kontrolle über die Geheimdienste wiederherzustellen?
Christian Flisek: Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist prägend für die Aufklärungsarbeit von Untersuchungsausschüssen. Dies spiegelt sich auch in den gesetzlichen Regelungen wider. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse schreibt vor, dass die Sitzungen zur Beweisaufnahme öffentlich sind. Nur im begründeten Einzelfall kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, etwa wenn Sachverhalte erörtert werden, die zu Recht einer geheimschutzrechtlichen Einstufung unterliegen.
Darüber hinaus haben wir uns unter den Fraktionen darauf verständigt, die Sachverständigenanhörungen als Livestream zur Verfügung zu stellen, sofern die jeweiligen Sachverständigen hiermit einverstanden sind. Aus meiner Sicht ist das ein wichtiger Beitrag, um den Öffentlichkeitsgrundsatz noch stärker zur Geltung zu bringen. Bei Zeugenbefragungen wird es hingegen grundsätzlich keine Übertragung oder Aufzeichnung geben. Dies liegt darin begründet, dass die Zeugen sich in einer besonderen Situation befinden. Sie unterliegen der Wahrheitspflicht und können sich daher auch der Falschaussage strafbar machen, ähnlich wie als Zeuge in einem Gerichtsverfahren. Dies spricht aus meiner Sicht dafür, ähnlich wie vor Gericht, grundsätzlich keine Bildaufzeichnungen von Zeugenaussagen anzufertigen.
Hinsichtlich der Beratungssitzungen des Untersuchungsausschusses ist gesetzlich vorgeschrieben, dass diese nicht öffentlich stattfinden. In diesen Sitzungen werden das weitere Vorgehen, die Terminplanung sowie Beweis- und Verfahrensanträge erörtert bzw. auch beschlossen. Aus meiner Sicht ist diese gesetzliche Trennung zwischen Öffentlichkeit der Beweisaufnahme und nichtöffentlichen Beratungssitzungen gerechtfertigt. Auch für Abgeordnete muss es Raum für Diskussionen ohne Öffentlichkeit geben, zumal die Ergebnisse der Beratungssitzungen keineswegs geheim sind. So werden bspw. Beweisbeschlüsse und Terminplanungen auf der Internetseite des Ausschusses veröffentlicht.
politik-digital.de: Laut eines Berichtes im Spiegel hat die Bundesregierung dem Ausschuss Akten zum No-Spy-Abkommen vorenthalten, und auch die Angaben zur geheimdienstlichen Zusammenarbeit werden dem Untersuchungsausschuss unter Umständen nicht vorgelegt. Sehen Sie die Arbeit des Ausschusses dadurch behindert? Halten Sie die Einflussnahme durch die Bundesregierung für angemessen?
Christian Flisek: In Medienberichten war zu lesen, dass die Bundesregierung dem Ausschuss nicht alle Akten vorlegen wolle. Derartige Äußerungen sind aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar, zumal der Ausschuss erst vor kurzem mit der Arbeit begonnen und die ersten Akten beigezogen hat.
Die Bundesregierung ist verfassungsrechtlich verpflichtet, die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu unterstützen. Nur in engen Grenzen kann sie sich auf den sog. Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung beziehen und eine Aktenvorlage verweigern. Hierfür bedarf es jedoch einer eingehenden, nachvollziehbaren Begründung im Einzelfall. Formelhafte Standardtexte genügen diesen Anforderungen nicht. Denkbar ist darüber hinaus, dass Dokumente, deren Herausgabe die Bundesregierung an sich verweigern dürfte, in einem besonderen Verfahren jedenfalls den Obleuten und dem Vorsitzenden zur Einsichtnahme zugänglich gemacht werden. Im NSU-Untersuchungsausschuss wurde dies bereits erfolgreich so gehandhabt und kann daher auch eine Option für diesen Ausschuss sein.
Außerdem haben wir bei der Bundesregierung durchgesetzt, dass einzelne geheim eingestufte Seiten in einer Akte nicht zu dazu führen, dass die gesamte Akte als geheim eingestuft vorgelegt wird. Die Bundesregierung wird die betreffenden Seiten aussondern und getrennt vorlegen.
Bild: Titel flickr/koeb (CC BY-NC-SA 2.0), Portrait flickr/re:publica (CC BY 2.0)