Heute findet unser netzpolitischer Jahresrückblick per Hangout statt. Um unsere Erinnerungen aufzufrischen, haben die Hangout-Gäste und weitere Autoren von politik-digital.de vorab je einen kurzen Rückblick auf die folgenden Jahresthemen verfasst: #btw13, #nsa, #lsr, #UADA und #aufschrei. Richard Gutjahr blickt zurück auf die zahlreichen Ereignisse rund um den NSA-Skandal.
Als Kind des Kalten Krieges bin ich mit 007 und jeder Menge US-amerikanischer Serien im Fernsehen aufgewachsen: Western von gestern, Knight Rider, Airwolf, Mission Impossible und nicht zu vergessen “24”. Jack Bauer hatte mich gelehrt, dass Folter nicht nur unheimlich cool, sondern vor allem auch legitim ist, nämlich dann, wenn sie einem höheren Ziel dient. Die Frage danach, wer gut und wer böse ist, stellte sich dabei nie: Gut waren stets die Cowboys. Böse die rothäutigen Terroristen, die nur ein Ziel kannten: dem friedfertigen weißen Mann das Land zu rauben.
Schöne Frauen, schnelle Autos, die coolsten Hightech-Gadgets – so stellen sich viele von uns die schillernde Welt der Geheimdienste vor. Edward Snowden hat uns wachgerüttelt und geholfen, dieses maßgeblich durch Hollywood geprägte Zerrbild gerade zu rücken. Mit einem Einblick in die Machenschaften der NSA, des britischen Geheimdienstes GHCQ sowie deren Vertragspartner und Kollaborateure hat sich vor unseren Augen ein Moloch aufgetan, der selbst Geheimdienstkennern die Haare zu Berge stehen lässt.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich hinter unser aller Rücken ein Staat im Staat formiert, der sich jenseits von demokratischer Legitimation und Rechtsstaatlichkeit bewegt und der sich ganz offensichtlich seine eigenen Gesetze schreibt. Gemacht wird, was technisch machbar ist. Das Schreckgespenst Terrorismus dient dabei zur Aussetzung jahrhundertelang erkämpfter Bürgerrechte sowie der Bewilligung horrender Etats. Eine effektive parlamentarische Kontrolle, wie das von den verantwortlichen Regierungen so gerne betont wird, findet schon lange nicht mehr statt.
Mit ihrem “Catch-all”-Ansatz atmet die NSA den Geist totalitärer Systeme. Wer nichts zu verbergen hat, der habe auch nichts zu befürchten. Ein grauenvoller Satz, der das Prinzip der Unschuldsvermutung auf den Kopf stellt. Zugleich macht dieser Satz eines deutlich: Der Feind ist schon lange nicht mehr der Terror oder irgendeine abstrakte Bedrohung. Der Feind ist das eigene Volk, dessen Bewegungen, Kommunikation und Gedanken man kontrollieren muss.
“Ich liebe doch alle Menschen” hatte Stasi-Chef Mielke seinen Gedankenknast später versucht zu rechtfertigen. Was wohl die NSA-Chefs zu ihrer Verteidigung zu sagen hätten, würden sie jemals zur Rechenschaft gezogen? Die Anklage lastet schwer: Die Errichtung des größten Überwachungsapparats in der Geschichte der Menschheit.
Foto: chrishardie (flickr.com)