Wahlkampf_im_Netz_und_SatireDer Wahlkampf lahmt vor sich hin. Die Waffen gegen die Politikverdrossenen heißen im Netz “Satire” und “Persiflage”.
Das Wahlkampfjahr 2013 ist in Deutschland (Bundestagswahl) als auch Österreich (Nationalratswahl) in vollem Gange. Seit US-Präsident Barack Obama zwei Wahlen auch mit Hilfe digitaler Mittel für sich entschieden hat, liegt großes Augenmerk auf dem Internet, wo vorrangig Facebook, Twitter und YouTube zur Verbreitung von politischen Botschaften und als Diskussions-Plattformen genutzt werden. Doch online müssen sich Politiker auch der Kritik von unten stellen – etwa, wenn sie mittels Internet-Meme auf der Social-Blogging-Plattform Tumblr verspottet werden und Blogs zum Ventil der Politikverdrossenen werden.
“Ein Ministerpräsident, der die Luft anhält. Genau! Ude” kann man auf dem Tumblr-Blog “Ude holding things” lesen und sich über die Foto-Montage amüsieren, die den SPD-Politiker mit rotem Kopf und aufgeblähten Backen zeigt. “11.000 Mitarbeiterinnen erfolgreich in die Arbeitslosigkeit geführt. Gut gemacht, FDP!”, steht auf der Tumblr-Persiflage “Gut gemacht FDP” unter einem Bild, das demonstrierende Schlecker-Mitarbeiterinnen zeigt. “Aus meiner Sicht ist die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung beendet”, legt der Tumblr-Blog “Pofalla beendet Dinge” dem Kanzleramtsminister Ronald Pofalla in den Mund. Und auch in Österreich bekommt bereits eine Partei ihr Fett auf Tumblr weg: Die konservative ÖVP wird auf der Seite “When you really act like ÖVP” mit einer Reihe Videos, animierten GIFs und YouTube-Videos verspottet.
Man sieht: Social Media im Allgemeinen und Tumblr – im Mai von Yahoo um 1,1 Mrd. Dollar aufgekauft – im Speziellen bergen für Parteien und ihre Politiker eine nicht zu unterschätzende Gefahr: Sie können politischen Gegnern und Kritikern als simpel zu bedienende Plattformen dienen, um Gegenmeinungen zu verlautbaren. Ein Tumblr-Blog ist in wenigen Minuten kostenlos eingerichtet und bietet dann die einfache Möglichkeit, ihn mit Content zu füllen. Besonders beliebt sind Sammlungen von Bildern, Videos und animinerten GIFs zu einem bestimmten Thema, gerne werden auch Internet-Meme aufgegriffen und inhaltlich abgewandelt. Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un, Russlands Präsident Wladimir Putin oder Ex-US-Außenministerin Hillary Clinton wurden schon mit spöttischen Tumblr-Seiten gewürdigt, und 2013 sind auch deutschsprachige Politiker ins Visier der Macher geraten.
“Mich regt das Verhalten unserer Bundesregierung tierisch auf”, sagt Manuel Folkerts, der den Tumblr-Blog Pofalla beendet Dinge” aus Protest gegen die NSA-Überwachung gestartet hat. “Es kann nicht sein, dass 80 Millionen Deutsche Opfer von Spähaktionen werden, unsere Kanzlerin von Neuland spricht und der Kanzleramtsminister versucht, das Thema zu vertuschen. Die Öffentlichkeit darf diesen Skandal nicht in Vergessenheit geraten lassen. Und witzige Aktionen wie meine tragen hoffentlich dazu bei.” Der Düsseldorfer Web-Designer durfte sich innerhalb kürzester Zeit über mehr als 43.000 Zugriffe freuen. Warum die Wahl gerade auf Tumblr fiel? “Ich finde, Tumblr bietet die einfachste Möglichkeit, ohne großen Aufwand Inhalte übersichtlich und chronologisch darzustellen. Vorgängeraktionen wie “udeholdingthings” oder “gutgemachtfdp” haben gezeigt, dass Tumblr die beste Platform hierfür ist. Die Kommunikation und Verbreitung lief allerdings hauptsächlich über Twitter und Facebook ab.”
In Österreich haben währenddessen anonym bleibende Tumblr-Nutzerinnen mit “When you really act like ÖVP” die Regierungspartei ÖVP aufs Korn genommen. “Wir sind zwei Studentinnen, die nicht gut genug zeichnen können, um Karikaturen anzufertigen. Also machen wir das hier, um die ÖVP ein bisschen zu ärgern”, so die Betreiberinnen. “Wir machen diesen Spaß in unserer Freizeit. Initialzündung war die Refugee-Sache (Proteste gegen die Abschiebung von Flüchtlingen, Anm.) und alles darum herum. Die Posts entspringen spontanen Geistesblitzen und sind nicht von langer Hand geplant.” Auf die Idee kamen die zwei übrigens durch die Tumblr-Blogs “When you really live in Wien” und “When you really study in Vienna”.
Auch wenn die Tumblr-Seiten große mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen (“Ude holding things” wird gar von der Redaktion des Süddeutsche-Magazins Jetzt.de betrieben), ist die Breitenwirkung der Online-Persiflagen mehr als fraglich. “Wir sehen das Ganze als das, was es ist: einen Tumblr-Blog, der satirisch auf etwas aufmerksam machen kann. Wie jede Satire kann es aber politischen Aktivismus nicht ersetzen”, so die Wiener Studentinnen von “When you really act like ÖVP”. Auch Folkert, Initiator von “Pofalla beendet Dinge”, meint: “Meine Schwester ist ein gutes Beispiel für den normalen Internetnutzer. Sie hat einen Facebook-Account, schreibt E-Mails und liest Nachrichten – hat aber von #Pofallabeendetdinge nichts mitbekommen. So ist es wohl bei den meisten Deutschen, leider.” Nichtsdestotrotz: “Erfreulicherweise habe ich sehr viele Besucher aus Netzwerken des Bundestages, von Bundesministerien und sogar aus dem Kanzleramt.”
Wahlentscheidend ist der Tumblr-Spott damit sicher nicht, aber: “Wer ungeschickt damit umgeht und nicht vorbereitet ist, kann davon abgelenkt werden, und im Wahlkampf ist nichts schlimmer, als von seiner Botschaft abgelenkt zu werden”, sagt der österreichische Buchautor Yussi Pick, der sich in “Das Echo-Prinzip” mit politischer Online-Kommunikation auseinandersetzt. “Wer das Internet in seiner Kommunikation nicht einplant, hat einen blinden Fleck und macht es sich selbst schwierig.”
 
Dies ist ein Crosspost von Netzpiloten.de. Der Artikel ist zuerst dort erschienen.
Bild (Screenshots): Tobias Schwarz