ZeitungenHeute ist das neue Leistungsschutzrecht in Kraft getreten. Presseverleger können nun Lizenzen für die Nutzung ihrer Artikel durch Dritte verlangen. Faktisch aber tritt das auch als “Lex Google” bekannt gewordene Gesetz nur bedingt in Kraft. Denn Google stellt die Verleger vor die Wahl: Entweder sie erklären sich bereit, Google ihre Artikel weiterhin zu Verfügung zu stellen, oder Google wird den jeweiligen Verlag in seiner News-Funktion nicht mehr auflisten. Mittlerweile hat sogar der Springer Verlag, einer der größten Befürworter des Leistungsschutzrechts, die Bestätigungserklärung für Google unterzeichnet.
Nach heftigen Debatten tritt heute das höchst umstrittene neue Leistungsrecht in Kraft. Damit haben nun Presseverleger das alleinige Recht, ihre Artikel oder Teile davon „zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen“. Die Verleger können also in Zukunft Geld für die Nutzung ihrer Beiträge durch Dritte verlangen. Davon ausgenommen sind lediglich einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte. Das heißt konkret:  Pressverleger können  Lizenzgebühren auch und insbesondere von Suchmaschinenbetreibern und News-Aggregatoren einfordern, wenn diese größere Ausschnitte, für die der jeweilige Verleger die Rechte hat, auf ihrer Seite veröffentlichen oder mithilfe des Ausschnitts auf den gesamten Artikel verlinken. Nach wie vor aber bestehen rechtliche Unsicherheiten. Ein Beispiel: Wie lang oder kurz  ein Textausschnitt genau sein muss, damit er nicht „kostenpflichtig“ ist,  wurde im Rahmen des vage formulierten Gesetzestextes nicht umfassend festgelegt.
Bereits am 1. März 2013 hatten die Abgeordneten des Bundestages das sogenannte “achte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes” mit 293 Ja-Stimmen verabschiedet. Den überwiegenden Teil der Ja-Stimmen hatten dabei die Abgeordneten der Regierungskoalition abgegeben – trotz des Protests aus den eigenen netzpolitischen Reihen. Noch im März wurde das Gesetz auch vom Bundesrat gebilligt. Mit dem heutigen Inkrafttreten des Gesetzes ist die Debatte um das neue Leistungsschutzrecht (LSR) auch in den etablierten Medien neu entflammt. Denn das Gesetz ist zwar nun in Kraft, findet faktisch aber nur bedingt Anwendung.
Der Grund:  Ein Hauptbetroffener des LSR ist Google. Das neue Gesetz betrifft die Listung von Artikeln auf Google News, der Nachrichtenseite von Google. Dort werden verlinkte Artikel in der Länge von 250 Zeichen angerissen (als sogenannte Snippets).  Diese Listung  kann die Reichweite eines Mediums deutlich erhöhen. Laut LSR müsste Google ab heute Geld an die Verleger zahlen, um deren Texte in die News-Übersicht aufnehmen zu dürfen. Google hat darauf allerdings schon Ende Juni mit einem Trick, dem sogenannten Opt-in-Verfahren, reagiert: Online-Medien, die ihre Artikel weiterhin auf Google News gelistet sehen möchten, müssen explizit ihr Einverständnis erklären, Google News ihre Artikel weiterhin zur Verfügung zu stellen. Damit bot Google den Verlagen praktisch die Möglichkeit, das LSR nicht zu nutzen. Nach Rechtsauffassung von Google wäre die Einverständniserklärung im Grunde gar nicht nötig. Denn im Gegensatz zu den Verlagen ist Google der Ansicht, dass die Snippets aufgrund ihrer Kürze gar nicht von dem neuen Gesetz betroffen sind. So oder so: Der News-Aggregator wird weiterhin keinen Cent für Ausschnitte von Artikeln bezahlen.

Eingeknickt

Vor diese Wahl gestellt, hat sich eine große Anzahl bedeutender Verlage und Zeitungen zumindest übergangsweise für diese Option entschieden. Dazu zählen unter anderem die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Spiegel Online, die Süddeutsche Zeitung sowie die Medien der Hubert Burda Media. Mittlerweile hat sich auch die Axel Springer AG mit einem „Opt-in“ dafür entschieden, ihre Inhalte weiterhin auf Google News listen zu lassen. Dieser Schritt ist zumindest erstaunlich. Denn der Springer Verlag hatte zu den entschiedenen Befürwortern des Leistungsschutzrechts gezählt. Seine Lobbyisten kämpften massiv für die Einführung des Gesetzes. Springer selbst weist darauf hin, dass der Verlag sehr wohl anstrebe, das LSR zu nutzen. Aus juristischen und technischen Gründen aber entstehe „zwangsläufig ein Intermezzo“. In dieser Phase wolle Springer das „Opt-In“-Verfahren nutzen, „allerdings unter der Maßgabe und mit ausdrücklichem Hinweis, dass dies nur vorläufig bis zur geregelten Rechteverwertung und ohne Anerkennung der einseitig von Google gesetzten Konditionen geschieht“.
Nicht alle Verlage aber geben Google die Nutzungserlaubnis für ihre Artikel. Die Rhein-Zeitung aus  Koblenz beispielsweise verweigert Google die Nutzung ihrer Artikel. In der Konsequenz ist die Zeitung ab heute nicht mehr auf Google News gelistet. Chefredakteur Christian Lindner sagte gegenüber der dpa: “Die @rheinzeitung verlässt Google News völlig gelassen – weil wir eigene Wege für die Verbreitung unseres Contents haben.” Man wolle in Zukunft keine Artikel mehr verschenken. Trotzdem sei nicht Google der Gegner. “Uns geht es darum, wie wir unsere traditionellen Leser und das Publikum im Web so erreichen, dass wir mit ihnen Kundenbeziehungen halten oder aufbauen können. Da wir in weiten Teilen regionale Themen auf unseren Websites haben, finden wir unsere Online-Leser auf anderen Wegen als mit Google”, so Lindner weiter.
Und Google selbst? “Wir freuen uns sehr, dass hunderte deutsche Verlage ihr Einverständnis bestätigt haben und weiterhin geschätzte Partner von Google News bleiben”, erklärte Google-Sprecher Kay Oberbeck gegenüber der dpa. Faktisch kann Google nun sogar vom LSR profitieren. Denn andere, kleinere News-Aggregatoren müssen aufgrund des des neuen Gesetzes womöglich vom Netz gehen. Rivva, ein deutscher Blog-Aggregator, steht bereits vor großen Problemen: Aufgrund der aktuellen Rechtsunsicherheit sieht sich der Betreiber gezwungen, circa 650 Lokalzeitungen, Magazine und Blogs aus seiner Aggregation zu entfernen. Der Aufwand, jeden Anbieter einzeln um dessen Erlaubnis für die Abbildung seiner Inhalte zu bitten, sei schlicht zu hoch. Ob der Dienst weitergeführt werden könne oder nicht, hänge von klärenden Urteilen zur Ausgestaltung des Gesetzes ab.
Trotz vieler kritischer Stimmen, rechtlicher Unsicherheiten und der nur bedingten Umsetzung des LSR feiert die Regierungskoalition das neue Leistungsschutzrecht als Erfolg: Der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling bezeichnete das LSR gegenüber der Tagesschau als „wichtige und richtige Regelung“. Im Zeitalter der Digitalisierung mache man “damit deutlich, dass auch im Internet Gesetze gelten, an die sich alle Marktteilnehmer zu halten haben”. Spannend wird es, zu beobachten, wie die Verleger in Zukunft mit dem neuen Gesetz umgehen – auch und besonders im Hinblick auf angekündigte Bezahlmodelle.
Bild: Nicholas Boos (CC BY-ND 2.0)