Social Media und Online-Plattformen… da denkt jeder an Facebook, Twitter, Google +. Diese Namen gehören heute zum Internet wie die Predigt in die Kirche. Doch es gab tatsächlich mal eine Zeit, in der von Facebook (noch) keine Rede war, es andere digitale Treffpunkte gab, um miteinander zu kommunizieren und in Verbindung zu bleiben. Viele sind in Vergessenheit geraten. Dabei waren sie in ihren Glanzzeiten das zweite Zuhause für ihre Mitglieder. Für einige kam irgendwann das jähe Ende, andere dümpeln bis heute vor sich hin und wieder andere wagen ein Comeback. Für unsere Sommerreihe haben wir in die Mottenkiste der sozialen Medien geschaut und ein paar Schätze ausgegraben.
Wie es wurde, was es war
Von einer der meist besuchten Websites des Internets zum Millionengrab. Und von Rupert Murdoch zu Justin Timberlake. Die Online-Community MySpace, ein Pionier des Web 2.0, hat turbulente Jahre hinter sich. Doch wie hat alles angefangen?
Mit einer Gruppe junger eUniverse-Angestellter: Tom Anderson, Brad Greenspan, Chris DeWolfe, Toan Nguyen und Josh Berman gründeten MySpace 2003 als „place for friends“. Von da an ging es steil bergauf: Innerhalb weniger Jahre waren über 200 Millionen Nutzer bei MySpace aktiv. Bekannt war das Neztwerk vor allem für seine individuell zu gestaltenden Profilseiten. Ganze Websites existierten nur zu dem Zweck, die schönsten oder hässlichsten MySpace-Profilseiten auszustellen oder bestimmte Designs zum Download bereitzustellen. Beliebt waren auch die vielfältigen Möglichkeiten, Videos und Musik in das eigene Profil einzubinden. Viele Künstler, Medienschaffende und vor allem Musiker nutzten das Portal, um auf sich aufmerksam zu machen. Das bot Fans die Chance, mit Bands aus aller Welt in Kontakt zu treten und einige ihrer Songs kostenlos online zu hören. 2005 wurde MySpace an den Medienkonzern News Corporation unter Rupert Murdoch für 580 Millionen Dollar verkauft, der aus dem Netzwerk eine Multimediaplattform mit filmischem Schwerpunkt im Sinn entwickeln wollte. Bereits im Jahr 2006 – also nur drei Jahre nach seiner Gründung – war MySpace die populärste Seite der USA und der unangefochtene Global Player unter den sozialen Netzwerken. Damals registrierten sich an einem typischen Tag über 230.000 neue User auf der Website. Ein interessantes Detail: Angeblich hat das Ausmaß der MySpace-Kommunikation zwischenzeitlich sogar die NSA auf den Plan gerufen.
Aus der Traum
Schon kurze Zeit später ging es dann allerdings ziemlich rasant und ziemlich steil bergab. MySpace stand ab 2008 vor mehreren Problemen: Das größte war Facebook, das mit seiner „Wall“ und anderen Features stärker auf soziale Interaktion abzielte und MySpace den Rang streitig machte. Bereits 2008 hatte Facebook mehr Nutzerzahlen zu verzeichnen als MySpace. Dazu kamen weitere Schwierigkeiten: Ausuferndes Spamming, scheinbar willkürlichen Löschungen von Fotos und Profilen durch den Betreiber, Sicherheitslücken und Vorwürfe wegen sexueller Belästigung durch User trugen weiter zu dem Imageverfall von MySpace bei. Trotz etlicher Überarbeitungen der Website und einem Relaunch 2010 waren im Jahr 2011 nur noch 63 Millionen User in dem Netzwerk registriert. Im Vergleich: Facebook hatte damals schon über 500 Millionen Mitglieder. Im selben Jahr entschied sich Murdoch, MySpace für den Preis von 35 Millionen Dollar an eine Investorengruppe zu verkaufen. Ein denkbar schlechtes Geschäft, hatte Murdoch 2005 doch mehr als das Zehnfache für die Online-Community gezahlt.
Geht da noch was?
Und wie geht es dem Netzwerk heute? Steigt MySpace wieder aus der Versenkung empor? Ernsthafte Versuche gibt es zumindest. Im Anschluss an eine öffentliche Betaphase wurde im Januar 2013 ein „neues“ und redesigntes MySpace für alle Nutzer zugänglich gemacht. Und siehe da: Die neue Version sei „elegant gestaltet“, schreibt Spiegel Online. Sogar von einem gewissen „Coolness-Faktor“ ist die Rede. Was ist da passiert?
Dahinter steckt kein Geringerer als der amerikanische Popmusiker Justin Timberlake. Eine Investorengruppe, zu der auch Timberlake gehört, hatte die derangierte Website nämlich 2011 gekauft. Und die hat MySpace ordentlich umgekrempelt: Mit ihrem minimalistischen und Tumblr-ähnlichen Design präsentiert sich die Website heute ziemlich avantgardistisch. Außerdem richtet sich die Plattform nun noch stärker an Musiker, Bands und die Empfehlung von insbesondere neuer Musik. Musik-Streaming soll nun das Hauptgeschäft von MySpace werden. Mithilfe einer teuren PR-Kampagne, einer großen Auswahl Songs, individuellen Playlists und neuen Analyse-Tools für Musiker, die ihre digitale Präsenz managen wollen, möchten die Investoren auf den globalen Markt zurückkehren. Besonders vielversprechend scheint ein neues Radio-Feature zu sein: Seiteninhaber können aus Millionen von Songs auswählen, um individuelle Radiostationen zusammenzustellen.
Die mediale Reaktion auf das „neue“ MySpace ist vergleichsweise positiv ausgefallen, ebenso die anfängliche Resonanz der User. Trotzdem: MySpace muss sich weiterhin gegen starke Konkurrenz zur Wehr setzen. Das ist heute weniger Facebook, als vielmehr die großen Musikdienste, allen voran Soundcloud und Spotify. MySpace schwächelt dabei im Vergleich (noch?): Die Streaming-Angebote seien bisher noch nicht ausreichend in die Plattform eingebunden. Von vielen bekannten Songs sind bisher außerdem nur Remixes zu finden, schreiben einige Blogger. Und während Soundcloud in den letzten Monaten weiter an Popularität gewonnen hat, hat der Online-Traffic bei MySpace in der gleichen Zeit nach den kurzzeitigen Zuwächsen wieder stark abgenommen.
Und es zeichnet sich ein weiteres Problem ab: Seit dem Relaunch der Website können User mit alten Profilen nicht mehr auf ihre früheren Nachrichten, Videos, Blogs und Posts zugreifen. Damit hat MySpace einen Proteststurm ausgelöst und viele der verbliebenen loyalen User verprellt. Die Reaktion der Verantwortlichen: „Veränderung ist nicht einfach und es ist viel passiert in letzter Zeit. Wir verstehen, dass diese (Blog-) Information für euch sehr wichtig ist. Bitte versteht, dass eure Blogs nicht gelöscht wurden. Euer Content ist sicher. Aktuell diskutieren wir, auf welche Art und Weise wir euch die Blogs wieder zur Verfügung stellen können.“ Mal sehen, was mit den Daten passieren wird.
Hier finden Sie Teil 1 der Reihe: StudiVZ, MeinVZ und SchülerVZ
Bild: Jane (CC BY-NC-SA 2.0)
Ich vermisse das Datum, wann dieser Artikel erschien. Inzwischen ist nämlich geklärt, daß man seine alten Blogs im HTML-Format herunterladen können wird, nur noch nicht wann (“einige Monate”). Alle alten Fotos, Videos und Playlisten kann man in den Einstellungen importieren lassen, was manche User nicht finden und dann ziemlichen Lärm machen. Das einzige, was nicht erhalten bleibt, sind alte persönliche Nachrichten und Kommentare, was meiner Meinung nach zu verschmerzen ist. Wenn die so wertvoll waren wie manche behaupten, hätte man sie vielleicht mal früher kopieren sollen.
Weiterhin steigt die Zahl der Unique Visitors in den USA seit Juni kontinuierlich an (von 8,6 Mio. auf 41,7 Mio. im August 2013, also etwa auf das Fünffache): https://siteanalytics.compete.com/myspace.com/
Zum neuen Radio: Dort erscheinen alle Songs, die sich in der persönlichen “History” befinden, also auf der neuen Seite gehört worden sind, in zufälliger Reihenfolge. Davon unabhängig gibt es auch eine “Library”, wo nur diejenigen Songs gespeichert sind, die man aktiv “connected”, einer Playliste (jetzt “Mixes”) hinzugefugt oder selbst als Künstler hochgeladen hat.
Die Entwicklung geht nach wie vor weiter, z.B. kann man jetzt im sogenannten “Portfolio” eine Auswahl an Inhalten selber festlegen, die man als Band in den Vordergrund rücken möchte (eigene oder andere Videos, Songs, Bilder, Mixes usw.).
[…] politik-digital.de finden sich insgesamt sechs Artikel zu MySpace, Napster, Second Life, den VZ-Netzwerken und Lokalisten. Außerdem findet sich dort ein weiterer […]