Eine aktuelle Studie des Branchenverbands Bitkom gibt die Richtung vor: Gut ein Drittel der Befragten sagt, dass der Internet-Wahlkampf entscheidend für den Ausgang der Bundestagswahl ist, jeder Dritte informiert sich auf Social-Media-Plattformen über Politik. Auch wenn der klassische Wahlkampf damit nicht ersetzt wird, sollte 2013 keine Partei ohne Online-Kampagne in den Kampf um Stimmen ziehen. Wie man Wähler am besten im und ins Netz lockt, darüber haben wir mit den Verantwortlichen gesprochen. Welche Bedeutung hat der Online-Wahlkampf? Kann der User mitmachen? Was tun im Shitstorm?
Heute: Uwe Göpel. Er ist Teamleiter Online für Marketing und interne Kommunikation der CDU und verantwortet die Online-Kampagne der Christdemokraten für den Bundestagswahlkampf 2013.
politik-digital.de: Welche Wählergruppe wollen Sie mit dem Online-Auftritt ansprechen?
Uwe Göpel: Mittlerweile sind drei Viertel der Bevölkerung online und im Internet aktiv. Als Volkspartei ist es unser Anspruch, jede Zielgruppe anzusprechen und für jede Zielgruppe attraktiv zu sein – sowohl online als auch offline.
politik-digital.de: Nach dem Relaunch der CDU-Website Ende April ist ein Schwerpunkt auf YouTube-Videos zu beobachten. Sollen diese klassische TV-Wahlspots ersetzen?
Uwe Göpel: Das ist keine neue Entwicklung. Wir haben schon 2007 angefangen, „Bewegtbild-Tagebücher“ der Sommertour unseres damaligen Generalsekretärs zu erstellen. In der Bundestagswahlkampagne 2009 wurde unser Bewegtbild-Angebot dann unter dem Namen CDU.TV weitergeführt. Neu ist der Grad der Professionalisierung. Wir haben seit 2012 ein eigenes TV-Studio im Konrad-Adenauer-Haus, das uns qualitativ einen großen Schub ermöglicht. Es bietet uns technisch vielfältige Möglichkeiten, zum Beispiel die Nutzung des „Green Screen“ für unterschiedliche Bild-Hintergründe. Zudem haben wir die notwendige Infrastruktur geschaffen, um jederzeit ein Livestreaming anzubieten. So übertragen wir mittlerweile alle CDU-Veranstaltungen in unserem Haus live. Unser Anspruch ist es, das Bewegtbild-Angebot inhaltlich so attraktiv wie möglich zu machen und so breit wie möglich zur Verfügung zu stellen.
politik-digital.de: Wie wichtig ist der Online-Wahlkampf, verglichen mit anderen Werbekanälen? Hat sich bezüglich der Priorisierung etwas im Vergleich zu 2009 geändert?
Uwe Göpel: Die Online-Kampagne ist eine vollwertige Säule der Gesamtkampagne. Soziale Netzwerke sind für uns attraktive, weil reichweitenstarke Kanäle. 2009 war das wichtigste soziale Netzwerk noch StudiVZ, mittlerweile ist Facebook die absolute Nummer Eins in puncto Reichweite. Angela Merkel hat inzwischen über 300.000 Fans bei Facebook, damit ist sie in diesem Netzwerk die mit Abstand beliebteste deutsche Politikerin. Twitter kommt an zweiter Stelle und natürlich YouTube, da der Bewegtbild-Bereich im Haus einen großen Stellenwert hat.
politik-digital.de: Welchen Anteil am Gesamtbudget hat die Online-Kampagne? Gibt es eine Veränderung, verglichen mit 2009?
Uwe Göpel: Der Etat der CDU Deutschlands für den Bundestagswahlkampf 2013 beträgt rund 20 Millionen Euro – wie schon in den Bundestagswahlkämpfen 2005 und 2009. Natürlich haben wir der wachsenden Bedeutung des Online-Bereichs entsprechend auch Umschichtungen im Budget vorgenommen.
politik-digital.de: Welcher Teil des Online-Wahlkampfs ist das Herzstück der Kampagne?
Uwe Göpel: Es gibt drei Schwerpunkte: Zum einen sind da die sozialen Netzwerke mit den reichweitenstärksten Angeboten Facebook, Twitter und YouTube. Dann haben wir das Thema Bewegtbild und CDU.TV. Zum dritten beobachten wir die rasant steigende Nutzung im Bereich der mobilen Endgeräte. Die neue Website der CDU ist daher im responsiven Design gestaltet, das heißt, dass alle Inhalte für das jeweilige Endgerät optimiert dargestellt werden.
politik-digital.de: Hat der User bei der CDU die Möglichkeit, mitzumachen?
Uwe Göpel: Der Wunsch nach Mitmachen, Mitgestalten und Teilhabe ist nicht erst durch die sozialen Netzwerke aufgekommen. Das Internet macht Beteiligung allerdings einfacher. Für diese Bundestagwahl haben wir zum Beispiel das Regierungsprogramm zusammen mit den Bürgern erarbeitet. Unsere Mitmach-Aktion hieß „Was mir am Herzen liegt!“. Jeder Bürger konnte, übrigens on- wie offline, seine Ideen einbringen. Insgesamt sind rund 10.000 Vorschläge bei uns eingegangen. Die Vorschläge wurden in 45 Themen-Thesen zusammengefasst, die die Parteimitglieder wiederum in unserem Mitgliedernetzwerk „CDU Plus“ bewerten und kommentieren konnten. Da gab es noch einmal mehr als 16.500 Bewertungen und 1.000 Kommentare. Die Online-Komponente wurde durch weitere Veranstaltungen ergänzt, unter anderem ganz prominent durch die „Tele-Townhall“: Hier hat unsere Parteivorsitzende Angela Merkel mit CDU-Mitgliedern über unser Regierungsprogramm diskutiert, per Livestream verfolgbar im Internet.
politik-digital.de: Inwieweit beschränken Datenschutzbestimmungen die Möglichkeiten der Übernahme von Standpunkten der Online-User?
Uwe Göpel: Die Übernahme von Standpunkten war unproblematisch, weil die Diskussion auf unserer Website stattgefunden hat. Unsere Seite ist frei zugänglich und selbstverständlich datenschutzkonform. Ein Problem kann entstehen, wenn man soziale Netzwerke einbinden will. Im Zweifel entscheiden wir uns immer für den Datenschutz.
politik-digital.de: Gibt es auf der CDU-Website eine offene Kommentarfunktion oder muss man sich registrieren?
Uwe Göpel: Auf der CDU-Homepage gibt es keine eigene Kommentarfunktion, aber es gibt die „Sharing-Funktion“ und einen Social Media-Bereich, über den man direkt zur Diskussion gelangt. Alle Facebook-Profile haben eine offene Kommentarfunktion. Unser Anspruch war und ist es, die Diskussion dahin zu verlagern, wo die Leute sind – und das ist in den sozialen Netzwerken. Facebook und Twitter sind daher auch in unser Mitgliedernetzwerk „CDU Plus“ integriert.
politik-digital.de: Beobachten Sie, wie die Konkurrenz online vorgeht? Können Sie gegebenenfalls flexibel reagieren?
Uwe Göpel: Na klar. Ein Beispiel: Auf unserer Seite www.wahlfakten.cdu.de reagieren wir, indem wir den Behauptungen der Konkurrenz Fakten und Argumente entgegensetzen.
politik-digital.de: Räumen Sie dem Internet einen großen Stellenwert bei der Mobilisierung von Nichtwählern ein? Wie funktioniert die Mobilisierung im Netz?
Uwe Göpel: Wir haben tägliche Bildelemente zu aktuellen Themen. Oft werden Inhalte Facebook-gerecht angeboten, um die User zum Teilen zu animieren. Vielleicht erreicht unser CDU.TV-Angebot, mit dem wir politische Botschaften multimedial aufbereiten, gerade Zielgruppen, die sich ein Regierungsprogramm nicht anschauen, sondern lieber einen 90-sekündigen Clip auf YouTube. Aber: Ich möchte das nicht auf Nichtwähler begrenzen.
politik-digital.de: Wo online um Wähler geworben wird, ist der Shitstorm nicht weit. Haben Sie eine „Eingreiftruppe“? Wie wird die intervenieren?
Uwe Göpel: Wir beobachten und moderieren unsere Seiten, vor allem Facebook und YouTube. Das ist zwingend notwendig, weil dort auch Kommentare erscheinen könnten, die strafrechtlich relevant sind. Die sozialen Netzwerke leben von Diskussion und Auseinandersetzung, aber natürlich muss man in manchen Situationen eingreifen.
Hier finden Sie Teil 1 der Reihe: Christophe Chan Hin (Piratenpartei) im Interview
Hier finden Sie Teil 3 der Reihe: Tommy Diener von der FDP im Interview
Hier finden Sie Teil 4 der Reihe: Interview mit Marion Heinrich (Die LINKE)
Auch unser 3. Berliner Hinterhofgespräch hatte das Thema “Auf Stimmenfang im #Neuland – Die Online-Kampagnen zur Bundestagswahl”. Hier geht’s zum Video.
Bilder: Sebastian Drescher, Christina zur Nedden