Waren es noch 2009 nur 49 Parteien, die sich um die Zulassung zur Bundestagswahl bemühten, wollten 2013 schon 58 Parteien zur Wahl anerkannt werden. Der Trend geht offenbar zu Kleinparteien. Während die TV-Spots und Wahlplakate der „Sonstigen“ oftmals belächelt werden, zeigen einige von ihnen im Netz ihre Stärken.
Allerlei kuriose Namen tauchten in diesem Jahr wieder auf der Antragsliste des Bundeswahlleiters auf: WasserPartei Deutschland-WPD, Frühling-in-Deutschland e. V. oder auch SustainableUnion. Zwar wurden diese drei politischen Vereinigungen am Ende nicht zugelassen, aber 38 andere Parteien erhielten das Okay des Bundeswahlleiters für einen Antritt zur Bundestagswahl. Diese vom Bundeswahlausschuss anerkannten Parteien müssen nun – mit Ausnahme der Parteien, die bereits im Bundestag bzw. einem Landesparlament vertreten sind – für einen erfolgreichen Antritt bis zum 15. Juli die Unterschriften von mindestens 200 Wahlberechtigten des jeweiligen Wahlkreises vorweisen. Für einen Landeslistenvorschlag sind die Unterschriften von mindestens einem von tausend Wahlberechtigten des jeweiligen Landes bei der vergangenen Bundestagswahl, jedoch von höchstens 2.000 Wahlberechtigten, erforderlich. Die größte Hürde, die formelle Zulassung zur Wahl, ist jedoch schon gemeistert.
Der anhaltende Aufschwung von Kleinparteien ist im Übrigen kein Zufall. Der Politikwissenschaftler Professor Uwe Jun von der Universität Trier sieht in dieser Entwicklung deutliche Parallelen zu Tendenzen in der Bevölkerung, die ihren Lebensstil immer individueller definiert und aus den klassischen Mustern ausbricht: „Auf jeden Fall spiegelt sich diese gesellschaftliche Entwicklung innerhalb der Parteienlandschaft nieder. Schließlich sind die Parteien ja Akteure der gesellschaftlichen Interessen.“ Im Resultat sieht das dann laut Uwe Jun wie folgt aus: „Dies drückt sich dann in unterschiedlichen Strömungen aus, die von den kleineren Parteien zum Teil eindeutiger besetzt werden können. Der Pluralismus des Parteienwettbewerbs ist für Demokratien konstitutiv.“
Internet und Social-Media gleichen Organisationsnachteil aus.
Vor allem das Internet fördert die Entwicklung, denn es hilft dabei, diesen Strömungen eine Plattform zu geben. Mittlerweile hat nahezu jede Kleinpartei oder politische Gruppierung zuerst eine Facebook-Seite, noch bevor sie überhaupt eine eigene Internetseite oder gar ein ordentliches Programm hat. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Mitglieder und Interessenten werden unmittelbar erreicht und können sich direkt über die Parteiaktivitäten informieren. Das mühsame Abtelefonieren und teure Versenden von Einladungen per Post, was die Organisationsstruktur vieler neuer Parteien und Wählervereinigungen häufig überfordert hatte, entfällt und kann heute bequem via Facebook erledigt werden.
Auch ist der Wahlkampf im Netz mit wenig Personal durchführbar und viel einfacher zu koordinieren. Dabei liegt nicht nur die Piratenpartei weit vorn, die nach wie vor auch die großen Parteien in puncto Internet-Aktivitäten und Social-Media deutlich abhängt.
Auch die Euro-Kritiker von der Partei „Alternative für Deutschland“ haben in den vergangenen Monaten für ein enormes Echo in der Medienberichterstattung gesorgt. Die Partei hat bereits mehr Facebook-Freunde (knapp 40.000) als die meisten der etablierten Parteien und damit kürzlich sogar die SPD überholt. Am Ende sprach selbst die taz von „überraschend erfolgreich“ im Hinblick auf die AfD und ihre Netzstrategie. Der Social-Media-Auftritt der AfD kommt zwar alles andere als professionell daher – davon zeugen nicht nur die vielen Rechtsschreibfehler und Ausrufezeichen in den Postings. Aber dank ihrer anhaltenden Aktivität und der Aufforderungen an ihre Unterstützer, Inhalte im Netz zu teilen, scheinen sie einen Nerv getroffen zu haben und sind bemerkenswert erfolgreich.
Regionalparteien mit Möglichkeiten zum Bürgerdialog
Aber auch Lokalparteien können sich die Vorteile sozialer Medien zunutze machen. Die Bayernpartei, die ebenfalls zur Bundestagswahl zugelassen worden ist, verfügt über beachtliche 10.000 Anhänger bei Facebook und unterstützte kürzlich die Online-Gruppen der Fluthilfen in Bayern, der sich fast 130.000 Menschen anschlossen. So sind Bürgerforen mittlerweile ein beliebtes Mittel kommunaler Politik. Politikwissenschaftler Michael Weigl von der Ludwig-Maximilians-Universität München relativiert allerdings die Erfolgsmöglichkeiten der Facebook-Unterstützung von Parteien: „Ein ‘Like’‚ bei Facebook sagt noch nicht viel über die kommende Wahlentscheidung aus. Generell tut man sich in Deutschland relativ schwer damit, sich öffentlich als Anhänger einer Partei zu outen. Dass dies bei der Bayernpartei weniger der Fall ist, dürfte vor allem daran liegen, dass sie von vielen gar nicht primär als Partei wahrgenommen wird.“ Und davon kann die Wählervereinigung nur profitieren, wie Weigl erklärt: „Generell steigt der Trend zur Verbundenheit mit der Heimat und der Region. Das scheint auch der Bayernpartei Vorteile zu verschaffen. Da geben scheinbar viele ihr ‘Like’ schon deshalb, weil es jenseits des Mainstreams, weil es Kult ist.“ Das kommt auch der zur diesjährigen Wahl zugelassene Satirepartei Die PARTEI zugute, die 2009 noch vergeblich um die offizielle Anerkennung gekämpft hatte. Die Partei des Satirikers Martin Sonneborn hat schon knapp über 40.000 Facebook-Likes. Doch nur die wenigsten dieser Fans werden wohl auch im September ihr Kreuz bei der Partei machen. Vielmehr dürfte es sich größtenteils um Freunde politischer Satire handeln, die sich durch die täglichen humoristischen Meldungen bestens unterhalten fühlen.
Trotz aller Relativierungen der Möglichkeiten des Online-Wahlkampfs: Es bleibt immer auch ein unbekannter Faktor X zurück, der sich nicht kalkulieren lässt. Das gibt auch der Experte Michael Weigl im Hinblick auf mögliche Erfolgschancen der Piratenpartei zu: „Wird es der Piratenpartei gelingen, ihre Wähler mit Hilfe des Internets zu rekrutieren? Dies ist die entscheidende Frage, die aber für uns Politikwissenschaftler aufgrund mangelnder Erfahrungswerte bislang nur sehr schwer einzuschätzen ist.“ Dieser Faktor X könnte auch den anderen Kleinparteien möglicherweise zu gute kommen.
Bild: Damien du Toit (CC BY-NC-SA 2.0)