ArtikelbildMedienNetzOeffentlichkeitEin neuer Sammelband beschäftigt sich mit den eng zusammenhängenden Begriffen Medien, Netz und Öffentlichkeit und will Impulse für die medien- und netzpolitische Debatte liefern. Die Vielzahl an Perspektiven lässt den Eindruck der Überfrachtung entstehen.
„Medien“, „Netz“ und „Öffentlichkeit“ – selten zuvor erschien eine tiefergehende Auseinandersetzung über die Bedeutung und das Beziehungsgeflecht dieser drei Begriffe anregender und notwendiger als dieser Tage. Die genannten Schlagworte, die für sich alleinstehend schon mehr als genug Analyse- und Diskussionspotential für einen Sammelband mit netzpolitischem Hintergrund bieten würden, bilden nun die begriffliche Titel-Trias des soeben im Essener Klartext-Velag erschienenen Buches „Medien, Netz und Öffentlichkeit. Impulse für eine digitale Gesellschaft“.
Die Bühne für eine kritische Beschäftigung mit Fragen eines modernen Urheberrechts, einer nutzerorientierten Medienpolitik in Zeiten des Web 2.0 oder einer transnationalen Verständigung über Fragen der (De-)Regulierung digitaler Inhalte ist bereitet: Sei es die seit Tagen anhaltende Empörung über die noch nicht absehbaren Folgen des US-amerikanischen Spionage-Projekts „Prism“, die Auseinandersetzung über die durch die Digitalisierung herausgeforderte parlamentarische Demokratie hierzulande oder die Debatte über die Zukunft des Journalismus, die vor dem Hintergrund der Springer-Bezahlschranke „Bild plus“ soeben wieder auf die Tagesordnung gesetzt wurde.
Lassen sich allerdings – diese Frage stellt sich jeder neugierige Leser wohl unweigerlich schon zu Beginn der Lektüre – die Schlagworte „Medien“, „Netz“ und „Öffentlichkeit“ strukturiert und gewinnbringend zur Grundlage von Sammelbandbeiträgen anordnen? Das Buch stellt sich dieser Herausforderung in fünf Themenblöcken: „Kommunikationsraum Internet“, „Kulturraum Internet“, „Freiraum Internet“, „Medienpolitik in Zeiten des Internets“ sowie „Europäische und globale Regulierungsansätze“. Die Vielfalt der Perspektiven und der rund 470 Seiten starke Umfang des Bandes lassen aber bereits erahnen, dass das Themenfeld der Medien- und Netzpolitik eine inzwischen immer schwerer innerhalb zweier Buchdeckel fassbare Dimension erreicht hat.
Herausgeber sind der nordrhein-westfälische Medien-Staatssekretär Marc Jan Eumann, die bündnisgrüne Netzpolitikerin Tabea Rößner, der langjährige rheinland-pfälzische Staatskanzleichef Martin Stadelmaier und Frauke Gerlach von der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen, sie haben zu den fünf Themenblöcken als Autoren einen – wie sie es selbst nennen – „breiten Professionenmix“ gewinnen können. Es versammeln sich Autoren aus der politischen Praxis (EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der Bundesdatenschützer Peter Schaar, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz oder Cem Özdemir von Bündnis90/Die Grünen) neben wortmächtigen Vertretern der Blogosphäre (Nico Lumma, Mario Sixtus) und der Wissenschaft. Dass die einzelnen Beiträge dabei nur einen jeweils geringen Umfang haben und die Themen – vielfach anhand von Thesen – nur angerissen werden können, erscheint keinesfalls als Manko, ist im Untertitel des Anfang Juni erschienenen Bandes doch von „Impulsen für die digitale Gesellschaft“ die Rede.
CoverMedienNetzOeffentlichkeitEben jene Impulse finden sich zu den, so möchte man es fast nennen, etablierten Streitständen der hiesigen netzpolitischen Szene: beispielsweise bei Christoph Bieber, der in seinem Beitrag Thesen zu den „Aus- und Wechselwirkungen von Partizipation und Transparenz“ diskutiert, aber auch beim Facebook-Vertreter Gunnar Bender, der die informationelle Selbstbestimmung in sozialen Netzwerken diskutiert und an die Nutzer appelliert, diese müssten sich darüber im Klaren sein, dass Urlaubsfotos so lange im Netz verblieben, bis sie wieder gelöscht würden.
Ein Gewinn sind insbesondere auch die Beiträge zu Themen, die in der hiesigen Debatte bislang häufig als randständig abgetan werden und das Arbeiten in und mit der digitalen Welt betreffen. Im nun vorliegenden Buch werden unter anderem die Themen Co-Economy von Claudia Pelzer und Crowdfunding von Alexander Vogt andiskutiert. So stellt Vogt beispielsweise heraus, dass die Nutzung des vielgestaltigen Kapitals der „Crowd“ helfen könne „den Flaschenhals der unternehmens- und organisationseigenen Talentkapazität zu erweitern“. Die Autoren können bei aller Kürze der Beiträge zeigen, welches Potential in der Frage steckt, wie unsere Gesellschaft unter den Vorzeichen des digitalen Wandels arbeiten, verdienen oder Kultur finanzieren wird.
Fazit
Die Autorenschaft des Sammelbands ist unbestritten hochkarätig und die diskutierten Fragestellungen werden bei aller Kürze präzise in den Blick genommen. Der gewählte Ansatz, zu jeder der Fragestellungen ein „Autorenpaar“ zu gewinnen und so jeweils mehrere Perspektiven zu einem Thema zu versammeln, erscheint anregend und wohlüberlegt. Er macht dem Leser die stringente Lektüre aber nicht einfacher, was möglicherweise bei dem thematischen Umfang auch kaum zu leisten ist. Die gelegentlichen „Zwischenrufe“verwirren vor dem Hintergrund des Themenspektrums und des Umfanges jedoch mehr, als dass sie zum Erkenntnisgewinn beitragen. Jeder der fünf Themenblöcke besäße durchaus das Potential, einen eigenen Sammelband ähnlichen Umfanges zu füllen. Allein diese Feststellung mag verdeutlichen, dass sich die vier Herausgeber mit ihrem Erkenntnisinteresse auf der Höhe der netz- und medienpolitischen Zeit bewegen.
Marc Jan Eumann (Hrsg.), Frauke Gerlach (Hrsg.), Tabea Rößner (Hrsg.), Martin Stadelmaier (Hrsg.), Medien, Netz und Öffentlichkeit. Impulse für die digitale Gesellschaft, 474 Seiten, ISBN 978-3-8375-0931-1, 22,95 €.
Bilder: lorenzwalthert (CC BY-NC-ND 2.0), Cover “Medien, Netz und Öffentlichkeit”

Privacy Preference Center