Wie der Alltag von Abgeordneten im Bundestag aussehen kann, zeigt das Projekt MdB 2.0 des Senders Phoenix. Sechs netzaffine Abgeordnete aller im Parlament vertretenen Parteien geben online und im TV einen Einblick in ihre parlamentarische Arbeit.
Im Wahljahr 2013 wartet der Sender Phoenix mit der Neuauflage eines Formats auf, das die Kommunikation zwischen BürgerInnen und Abgeordneten fördern will. Die Mitglieder des Bundestages Lars Klingbeil (SPD), Dorothee Bär (CSU), Nicole Maisch (Bündnis 90/Die Grünen), Manuel Höferlin (FDP), Michael Leutert (DIE LINKEN) und Nadine Schön (CDU) dokumentieren seit Ende Januar ihren Alltag als Abgeordnete des Deutschen Bundestages.
Mit Gregor Mayer, dem Leiter von Phoenix Online, haben wir über das Projekt gesprochen.
Herr Mayer, MdB 2.0 besteht aus einem Blog, der Facebookseite und Fernsehbeiträgen auf Phoenix. Wie kam es zu diesem Zusammenspiel und welche Funktion haben die jeweiligen Medien für das Projekt?
Im Prinzip werden heute die Aktivitäten von vor fünf Jahren fortgesetzt. Damals gab es allerdings noch keine flächendeckende Verbreitung von Facebook in Deutschland, wir hatten nur das Blog und das Fernsehen. In der diesjährigen Neuauflage waren Social Media ursprünglich nur als begleitendes Werbeelement gedacht, um die User zum Blog zu führen und die Möglichkeit zu bieten, Feedback für die Abgeordneten zu hinterlassen. Tatsächlich kristallisieren sich aber gerade die Social Media-Kanäle, Facebook, Twitter und YouTube, immer mehr als Hauptkommunikationsplattform heraus.
Welches Zielpublikum wollen Sie erreichen?
Mit diesem Phoenix–Format wollen wir junge Menschen, die sich die meiste Zeit im Internet aufhalten, für Politik interessieren und ihnen die Möglichkeit eröffnen, mit den Politkern in ihrem Wahlkreis interaktiv in Kontakt zu treten. Und das scheint uns zu gelingen.
Ich war schon immer der Meinung, dass Demokratie davon lebt, dass Menschen “mitmachen”, sich für Inhalte und Themen begeistern und die Personen unterstützen, die diese Themen transportieren. Über die Arbeit des Deutschen Bundestages informiert Phoenix wie kein zweiter Sender. Daher liegt es nahe, dass wir uns wie schon 2008/2009 mit MdB 2.0 auch an neuen Formen der Berichterstattung über das Parlament und der medialen Kommunikationsvermittlung zwischen Bürgern und Abgeordneten beteiligen müssen.
Abgesehen von der Facebookseite, auf der Kommentare gepostet werden können, wo sind Interaktionsmöglichkeiten vorhanden?
Über die gängigen Kommunikationswege E-Mail, Zuschauerhotline, Facebookseite, Twitter, YouTube-Kommentar hinaus besteht im Blog und auf der Facebook-Projektseite die Möglichkeit, die sechs Abgeordneten direkt und persönlich anzuschreiben: Manche der Ideen für die Sendungen stammen sicher auch aus den Gesprächen mit den Bürgern. Ob diese Interaktion allerdings nur über das Projekt entstanden ist oder sowieso stattgefunden hätte, lässt sich in der Realität immer nur sehr schwer nachvollziehen. Wir glauben aber, dass sich das Projekt grundsätzlich auf die Interaktion in der Politik auswirken wird.
Nach welchen Kriterien wurden die sechs Abgeordneten ausgewählt?
Die Gruppe der teilnehmenden Abgeordneten besteht zur Hälfte aus Männern und zur Hälfte aus Frauen, die aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands kommen und alle netzaffin sind. Sie nutzen das Internet in ihrer alltäglichen Kommunikation. Sie besetzen darüber hinaus ein großes Spektrum der im Parlament vorhandenen Arbeitsbereiche. Das war uns wichtig, denn wir wollen ja auch zeigen, wie Abgeordnete, die bei einem Fachgebiet kein intensives Wissen mitbringen, sich eine eigene Meinung bilden und bei Gesetzesvorhaben abstimmen. Alle Beteiligten waren sehr interessiert und schnell zur Mitarbeit bereit.
Inwiefern kann Ihrer Ansicht nach mit dem Projekt ein realitätsnahes Abbild des Parlamentarismus im Deutschen Bundestag gezeichnet werden?
Politik in einer Demokratie besteht, wenn wir ehrlich sind, auch immer zu einem Teil aus Selbstdarstellung. Und natürlich findet die auch bei unseren sechs Protagonisten statt. Aber Parlamentarismus ist nicht nur ein Wettbewerb der Köpfe, sondern immer auch der Ideen. Jeder möchte seine Überzeugung, seinen Ansatz von Politik nach vorne bringen. Jetzt könnte man also denken: Alles Egoisten.
Die meisten Abgeordneten, die ich kennengelernt habe, sind aber der wirklich festen Überzeugung, dass ihr Ansatz für die Menschen, die sie vertreten, der beste ist. Das mag naiv klingen, aber es ist tatsächlich so simpel: Im Bundestag sitzen viele Überzeugungstäter, jeweils in verschiedenen Fraktionen mit ganz unterschiedlichen Weltanschauungen. Sie sind davon überzeugt, dass ihre Politik unsere Gesellschaft ein Stück besser und lebenswerter macht. Diese Überzeugung entsteht nicht über Nacht, sie muss wachsen: in Hintergrundgesprächen mit Verbänden, Initiativen, Experten und Lobbyisten – und in vielen Diskussionen mit Parteifreunden und Fraktionsmitgliedern. Das, was die Abgeordneten in ihren Beiträgen für MdB 2.0 zu vermitteln versuchen, ist insofern für mich eine realistische Abbildung des parlamentarischen Alltags.
Soll das Projekt also einen rein informativen oder auch einen wahlmotivierenden Charakter haben?
Wir informieren in zehn Einzelsendungen über die wichtigsten Politikfelder der aktuellen Bundespolitik und vermitteln dabei, dass Demokratie wichtig ist, dass jeder mitmachen kann. Unsere Protagonisten sind sechs Menschen mit ganz menschlichen Seiten, was Politik verständlich und auch sympathisch macht. Wir sind davon überzeugt, dass das auch eine motivierende Wirkung hat, um vor allem junge Menschen an die Urnen zu bringen.
Wie sieht die Zukunft des Projekts aus? Wird es über die Bundestagswahl hinaus weitergehen?
Wir stehen momentan am Anfang der zweiten Staffel von MdB 2.0, die zunächst bis zum Oktober konzipiert ist und in jedem Fall eine Wahlnachlese beinhalten wird. Ob und wie es danach weitergeht, wird sich ebenfalls in diesem Zeitraum zeigen. Derzeit gibt es zwar interessante Szenarien, aber noch keine konkreten Überlegungen. Ein solches Langzeitprojekt bedeutet für die Redaktion, aber auch für die sechs Abgeordneten und ihre Büros, eine Sonderanstrengung. Denn Sie müssen neben ihrem parlamentarischen Alltag immer wieder Teilbereiche dokumentieren und sich dazu Gedanken machen. Das auf vier weitere Jahre auszudehnen, wäre noch mal ein deutliches Mehr an Arbeit – und ein weiteres Stück Aufgabe von Privatsphäre der Abgeordneten. Zum gegebenen Zeitpunkt werden sich alle Projektbeteiligten zusammensetzen und dann entscheiden wir, wie wir mit dem Projekt weiterhin umgehen.
Fazit:
Das Projekt MdB 2.0 bietet einen durchaus interessanten, persönlichen Einblick in den Arbeitsalltag der teilnehmenden Abgeordneten. So können in der Themensendung „Netzpolitik“ beispielsweise die unterschiedlichen Zugänge der Abgeordneten zu neuen Medien und die damit verbundenen Chancen und Belastungen beobachtet werden.
Der Ansatz ist gut und wichtig. Für die versprochene Interaktivität des Formats jedoch gilt: ist vorhanden, aber nichts Neues. Via Blog und Facebook können ZuschauerInnen Kommentare posten und Fragen stellen. Diese Möglichkeit wird aber bislang kaum wahrgenommen. Da außerdem alle sechs Abgeordneten bereits über ihre eigenen Facebookseiten erreicht werden können, ist es fraglich, welchen neuen Beitrag der Auftritt von MdB 2.0 zur Kommunikationsvermittlung zwischen BürgerInnen und Abgeordneten leisten wird.
Bild: Phoenix
Liebe Autorin,
ich habe Ihren Artikel zum Thema “MdB 2.0 – Das Bundestagebuch von Phoenix: “Politik ist ein Stück Selbstdarstellung”” hier bei mir auf der Arbeit vorliegen…:)
Mit HERZLICHEN Grüßen,
Svenja Schorn
Ich finde, das ist eine gute Idee (obwohl ich schon zu den Älteren gehöre) und sollte auch nach Oktober 2013 weiter geführt und ggfs. auf weitere MdB erweitert werden.
Vielen Dank, auf eine interessante Aktion
E. Peters