Unter dem Titel „Social Media (R)Evolutions – Was der digitale Wandel für Demokratie und Freiheit bedeutet“ veranstaltete die Virtuelle Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit eine mehrtägige Online-Konferenz. Vergangenen Freitag fand zum Abschluss eine Podiumsdiskussion in Berlin statt.
Ob neue Medien Demokratien und Regierungen beeinflussen, ob sie die traditionellen Medien verändern oder ob sie eine Wirkung auf unsere Kultur entfalten, waren die zentralen Fragen, die von über 200 Teilnehmern und 24 Referenten aus allen Teilen der Welt online diskutiert wurden. Aktivisten und Blogger, aber auch Journalisten und Politiker trafen sich an vier Tagen, um den Einfluss von neuen Medien auf die vier Bereiche Regierung, Opposition, Medien und Kultur herauszuarbeiten. Moderiert wurden die Videochats, die auf der Internetplattform der Virtuellen Akademie stattfanden, von dem Autor Jöran Muuß-Merholz.
Zur Abschlussveranstaltung, die auch offline im Betahaus in Berlin-Kreuzberg stattfand, diskutierten neben Moderator Muuß-Merholz der Blogger und Frontmann der Rockband Plan B, Johnny Haeusler und der Internetberater und Autor Christoph Kappes.
Insbesondere für Berufsfelder, die in einer eigenen Beziehung zur Öffentlichkeit stehen, verändert das Internet die Spielregeln, weil es die Kommunikationsroutinen zwischen den Akteuren neu strukturiert. Mit den Möglichkeiten des Netzes wird es einfacher, die Menschen zu erreichen. So seien die neuen Medien auch wesentlich relevanter für Politiker als beispielsweise für Bildhauer, erklärte Johnny Haeusler die unterschiedliche Relevanz neuer Kommunikationskanäle für verschiedene Berufsgruppen. Moderator Muuß-Merholz pflichtete dieser Aussage bei und ergänzte, dass die Veränderungen vornehmlich für Journalisten besondere seien. Sie müssten damit umgehen, dass sie nicht mehr das Monopol bei der Verbreitung von Informationen besäßen.
Das Internet bietet die Chance, etablierte Strukturen zu ändern
Hinsichtlich der Frage, wie neue Medien auf Regierungen und Demokratien wirken, kam man zu einem zwiespältigen Ergebnis. So verkleinere das Internet zunächst einmal die Lücke zwischen Bürgern und ihren Regierungen, da eine wechselseitige Kommunikation vereinfacht würde. Auch könnten Informationen über die Situation eines totalitären Regimes über Social Media-Kanäle leichter nach außen gelangen. Gleichzeitig berge es auch Risiken, die man nicht unterschätzen dürfe, erörterte Christoph Kappes. So könnten diktatorische Regierungen es als Überwachungsinstrument einsetzen, um ihre Bürger zu kontrollieren. Grundsätzlich gelte aber: „Je unfreier eine Gesellschaft, umso wichtiger sind die neuen Medien“, bilanzierte Moderator Muuß-Merholz seine Erfahrung aus den Videokonferenzen. Das Internet biete die Chance, starre politische Strukturen zu ändern, da es im besten Fall ein hohes Maß an Transparenz bringe, verdeutlichte auch Christoph Kappes.
Das Internet als erfolgreiches Werkzeug der Opposition
Als Werkzeug für die Opposition hat sich das Internet bislang als funktionsfähig erwiesen, da es Strukturen biete, die klassische Medien nicht bereithalten könnten. Deutschland unterscheide sich aber bezüglich der Nutzung und Relevanz deutlich von anderen Ländern. Während hierzulande einige Online-Formate immer öfter als Beleg eines kulturellen Verfalls diskutiert würden, stellten die neuen Medien für die Bürger anderer Länder – vor allem in den weniger freien Gesellschaften – eine große Hoffnung dar, fundamentale Veränderungen herbeiführen zu können. Der Umgang mit sozialen Medien sei dort auch wesentlich spannender, zumal sich eine viel größere Zahl an Menschen in den Netzwerken bewegten, erklärte Jöran Muuß-Merholz. Zusammenfassend könne man festhalten, dass Aktivisten aus unfreien Ländern die Chancen neuer Medien deutlich optimistischer einschätzten, als dies in liberalen Demokratien der Fall sei.
Es gab nie ein Versprechen für mehr Freiheit und Demokratie
„Durch das Internet verfällt der klassische Journalismus in viele kleine Facetten“, findet Christoph Kappes, da jeder im Internet seine Meinung kundtun kann, es viele Online-Magazine und Portale gibt und sich die Spielregeln des traditionellen Journalismus dadurch verändern. Über die Frage, inwiefern die neuen Medien eine grundlegende Veränderung für die Menschheit mit sich brächten, war man sich auf dem Podium insofern einig, als es nie das Versprechen gegeben hätte, dass die neuen Medien zwangsläufig zu mehr Freiheit, Demokratie und Transparenz führen würden, unterstrich Jöran Muuß-Merholz und merkte an, dass das Internet ursprünglich für die Kommunikation an Universitäten und Institutionen entwickelt worden war.
Das Internet macht uns zu einer Null-Fehler-Toleranz-Gesellschaft
Für den Bereich der Distribution von Musik biete das Internet zunächst einmal mehr Möglichkeiten, war sich Johnny Haeusler sicher. Dennoch gelte auch unter veränderten Bedingungen „Wer am lautesten ist, wird auch am besten gehört“. Crowdfunding-Projekte, also Geschäftsideen, deren Finanzierung durch die Community erledigt wird, funktionierten zwar immer besser, würden aber zunehmend auch als Marketingstrategie etabliert und von bekannten Künstlern benutzt. So setze beispielsweise Tina Turner aktuell auf die Kraft des Schwarms. Dass vor allem kleine Bands durch das Netz profitierten, sei also keineswegs selbstverständlich.
Eine große Veränderung sieht Christoph Kappes für die Kommunikation von Politikern. Dem einzelnen Politiker würde heute wesentlich mehr Kommunikationskompetenz abverlangt, als dies früher der Fall war. Auch Johnny Haeusler stellte fest, dass das Internet dazu führe, dass eine Null-Fehler-Toleranz-Gesellschaft entstehe. „Man müsste öfters sagen: Davon habe ich keine Ahnung!“. Aus Angst vor negativem Feedback oder gar einem Shitstorm finde das aber kaum statt.
Als Fazit der Veranstaltung kann stehen, dass die Evolution der neuen Medien viele Veränderungen in allen politischen und gesellschaftlichen Bereichen mit sich gebracht hat und bringt. Auch dass die Zukunft sicherlich noch einige Revolutionen durch das Internet katalysieren wird. Die Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit will dem Themengebiet treu bleiben und die Veranstaltung im kommenden Jahr fortsetzen.
Weitere Informationen zur Konferenz finden sich auf der Internetseite der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit unter: http://smr12.fnst.org/