Internationales Problem
(1. Juni 2006) Kurz vor Beginn der
Fifa-WM in Deutschland sind sich Sicherheitsexperten und Politik über die Gefahr, die von Hooligans ausgeht, uneins. Angesichts immer wiederkehrender Berichte von und über gewalttätige Hooligans in In- und Ausland stellt sich die Frage, wie aktiv die Szene im WM-Jahr ist. politik-digital.de hat sich die Szene im Netz angeschaut.

Übergriffe auf gegnerische Fans, Polizisten oder unbeteiligte Dritte in Dresden, Halle/Saale, Hamburg oder in Berlin lassen für die WM im eigenen Lande Böses befürchten. Vorfälle wie die am Rande der Oberliga-Partie zwischen dem BFC Dynamo Berlin und dem 1. FC Union Berlin im Mai dieses Jahres sind insbesondere in deutschen Amateurligen keine Seltenheit: In der 75. Spielminute stürmten Anhänger des BFC das Feld und belagerten anschließend den Fan-Block der mitgereisten „Eisernen“. Es folgten wilde Schlägereien, bis die Ordnungskräfte von Heimverein und Polizei nach einer Viertelstunde die Gewalt in den Griff bekamen. Beide Clubs und ihre Anhänger verbindet eine lange Rivalität, die bereits des Öfteren in Gewalt ausartete.

Internationales Problem

Das Fußballereignis des Jahres bietet Hooligans aus ganz Europa eine Bühne, um zu demonstrieren, woher die härtesten Schläger kommen. Glaubt man den entsprechenden Foren im Internet, gelten die osteuropäischen Hooligans bereits im Vorfeld als Favoriten.
Video-Clips, die im Internet als Gratisdownload feilgeboten werden, dokumentieren die Brutalität, mit der die Hooligans vorgehen. 2005 bekam dies auch Hooligans im Norden Deutschlands zu spüren, als sie in einer verabredeten Massenschlägerei gegen die Hooligans von Lech Poznan unterlagen. In den Online-Foren der deutschen Hooliganszene herrscht Respekt vor den Nachbarn. In einem Forum der Hooligangruppe „Ultras“ wird sogar ein Ranking der schlimmsten Hooligans bei der WM angeboten. Während britische und deutsche Hooligans weitgehend behördlich registriert sind und mit Stadion- bzw. Ausreiseverboten rechnen müssen, ist die Hooligan-Problematik in Osteuropa erst spät erkannt worden, so dass hier kaum mit
Reisebeschränkungen zu rechnen ist.

Blühende Landschaften

Durch das Internet begünstigt und fast aller Rivalitäten zum Trotz hat sich längst eine lebendige und internationalisierte Hooliganszene etabliert. Das polnische Hooligan-Fanzine „Der Grenzgänger“ etwa findet mit seinen Berichten und Fotoserien von Auseinandersetzungen polnischer Ultras auch jenseits der Grenze reißenden Absatz, wie die Lobeshymnen im Gästebuch der Homepage belegen. Über den Internet-Versandhandel hat sich um die so genannte „3. Halbzeit“ bereits ein lukrativer Markt entwickelt, wo der Käufer mit Textilien, Accessoirs, Filmen und Musik alles erwerben kann, was das Hooligan-Herz begehrt.

Tummelplatz für Rechtsextreme

Immer wieder stößt man dabei auch auf Produkte, die mal mehr und mal weniger offen mit Fremdenfeindlichkeit spielen. So kann beispielsweise ein T-Shirt mit diskriminierendem Aufdruck oder ein Fußball-Sampler gekauft werden, auf dem einschlägig bekannte rechtsextremistische Bands zu hören sind. Dass die Welt in ihren Augen nicht zu „Gast bei Freunden“ (
wm2006.deutschland.de) ist, legt neben dem Titel dieses Albums „… Zu Gast bei uns“ auch das Cover nahe, auf dem ein Springerstiefel und ein blutbefleckter Fußball zu sehen sind.

Antisemitische Parolen auch in der Kurve

Auch in den Stadien fallen rechtsextreme Hooligans immer wieder durch antisemitische Parolen und Plakate auf. So etwa geschehen im
Dezember 2005 als Anhänger des FC Energie Cottbuss ein großflächiges Plakat mit der Aufschrift „Jude“ empor hielten, in der das „D“ dem Wappen des Gegners Dynamo Dresden entsprach. Auch in Italien kam es zum Eklat, als es im Januar dieses Jahres Hooligans des AS Rom auf einem
Plakat ihre Gegner aus Livorno mit den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten in Verbindung brachten.

Rechte Propaganda zur WM

Dieses rechtsextreme Potential unter Fußballanhängern erkennt in Deutschland auch die NPD und geht mit Demo-Aufrufen und Plakat-Kampagnen auf Stimmenfang. Die rechtsextreme Partei solidarisiert sich ausgerechnet mit dem Team aus Iran, dessen Staatspräsident Ahmadinejad zuletzt mit antisemitischer Vernichtungsrhetorik für Schlagzeilen sorgte. Auch das eigene Nationalteam wird von der NPD politisiert. Den WM-Planer mit der Aufschrift „Weiß. Nicht nur eine Trikotfarbe! Für eine echte
NATIONAL-Mannschaft!“ musste die Partei zurückziehen, nachdem der Deutsche Fußballbund und der Spieler Patrick Owomoyela dagegen geklagt hatten. Das auf dem NPD-WM-Planer abgebildete Trikot trug die Owomoyela fest zugewiesene Nummer 25. Auch der Nachfolger des WM-Planers macht keinen Hehl aus dem rassistischen Weltbild der Partei. Von den elf abgebildeten Strich-Männchen im deutschen Dress ist ein Spieler weiß gezeichnet, die übrigen in schwarz, braun, gelb und rot. Beschriftet ist das Werk mit der Frage: „Nationalelf 2010?“

Wie ernst sind die Befürchtungen gewalttätiger Übergriffe während der WM zu nehmen? Panikmache oder längst schon Realität, wie Ex-Regierungssprecher
Heye verkündete? In jedem Fall ist die Gleichsetzung von Hooligans und Rechtsextremisten undifferenziert und falsch. Zwar gibt es immer wieder Verbindungen der beiden Gruppierungen, doch in erster Linie handelt es sich bei Hooligans um zumeist junge Männer, die den Adrenalin-Kick suchen, meistens aber Politik und ihren „Sport“ trennen und mit Rechtsextremismus nicht in Zusammenhang gebracht werden wollen, wie die Diskussionen im WM-Forum eines Fanclubs nahe legen will. Häufig ist die Rivalität der Vereinsanhänger so groß, dass an ein Bündnis entlang nationalistischer oder ethnischer Kriterien nicht zu denken ist.

Selbst wenn es während der Weltmeisterschaft zu den befürchteten Auseinandersetzungen rivalisierender Hooligan-Fraktionen kommen sollte, ist davon auszugehen, dass sich die Gewalt weder in den Stadien noch in den Innenstädten entlädt. Dafür spricht neben den getätigten Sicherheitsmaßnahmen vor allem die
Erfahrung, dass sich Hooligans lieber abseits der Öffentlichkeit raufen, wo sie Platz haben.