Abschluss des UN-Weltinformationsgipfels in Genf: Regierungen beschließen Deklaration und Aktionsplan. Die Kompromisse sollen bis Tunis 2005 von der UN zur Lösung vorbereitet werden. Doch neuer Streit deutet sich an.

Die erste Gipfelkonferenz der Vereinten Nationen (UN) zur Informationsgesellschaft (WSIS) wurde am Freitag, den 12.12.2003, beendet – mit einer unverbindlichen
Grundsatzerklärung und einem
Aktionsplan, von dem vor allem die armen Länder profitieren sollen. Neben dem guten Gefühl, auf dem Redemarathon während der drei Gipfeltage eine Sensibilisierung für die Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) herbeigeredet zu haben, soll es auch harte Fakten geben. Daher habe man sich “auf klare Ziele verständigt”, wie der Generalsekretär der International Telecommunication Union (ITU) Yoshio Utsumi auf der Abschlusskonferenz stolz verkündete. Die Hälfte der Weltbevölkerung soll demnach bis zum Jahr 2015 über einen Zugang zu IKT verfügen, versprechen die 176 Staaten im 13-seitigen Aktionsplan.

Was ist ein Erfolg?

Für die ITU, den Ausrichter des Gipfels, ist der Gipfel ein Erfolg. Die Anwesentheit der vielen Teilnehmer – rund 11.000 werden offiziell angegeben, sei allein ein Erfolg, wie Utsumi sagte. “Dass es keine Demonstrationen gegen den Gipfel gegeben hat, ist ein Erfolg für den Multi-Stakeholder Ansatz”, überraschte Utsumi mit eigenwilliger Logik die Presse. Demnach wären die auf dem Gipfel anwesenden Vertreter der Zivilgesellschaft Schuld an fehlenden Gegendemonstrationen, was zum einem nicht stimmt, da es sehr wohl Gegendemonstrationen und Gegenveranstaltungen wie WeSeize gab. Zum anderen haben Anti-Globalisierungsgegner wie Attac erst sehr spät den Gipfel wahrgenommen und keine Massen mobilisieren können. Pascal Couchepin, Bundespräsident des Gastlandes Schweiz, gab der Zivilgesellschaft die Hausaufgabe mit auf den Weg, sie müsse lernen, wie man auf Internationalen Konferenzen zu Kompromissen kommen würde.

Moritz Leuenberger, Leiter der Schweizer Delegation und Bundesrat, führte aus, dass es zahlreiche Befürchtungen vor dem Gipfel gegeben habe, aber dass er mit den gefundenen Kompromissen, der Teilnahme der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft (Multi-Stakeholder) und dem “nicht vorhandenden Gegen-Gipfel” “glücklich und stolz” sei.

Erfolgsmodell Outsourcing

Dem konnte Nitin Desai, Beauftragter von UN-Generalsekretär Kofi Annan für den Gipfel, nur zustimmend beipflichten. “Am Ende hat alles funktioniert”, sagte er. Auch zeigte er sich erfreut, dass die offenen Fragen der Internet-Verwaltung (ICANN oder ITU) und des digitalen Solidaritätsfonds zur klärenden Vorbereitung an den Generalsekretär der UN delegiert wurden. “Am Anfang gab es nichts zu besprechen” sagte Desai. Nun sei die Wirtschaft dialogbereit, um über Fragen der Internet Governance zu sprechen. Denn “vor zwei Jahren wollte die Wirtschaft gar nicht darüber sprechen”, ergänzte Couchepin. So misst man auf diplomatischer Ebene Erfolge. Allerdings trübt die Aussage von Richard D. McCormick, Vorsitzender der International Chamber of Commerce (ICC), die Freude über diesen Erfolg. Er erklärte, dass der Begriff “Internet Governance” ein Widerspruch in sich sei und das gegenwärte Modell “sehr gut funktioniert”. Die Wirtschaft wird sich also ihr Modell – sprich die ICANN – nicht ohne Widerstand wegnehmen lassen.

Couchepin gab zu, dass der digitale Solidaritätsfond – von Afrika gefordert und besonders von der EU und Deutschland bekämpft, “die Dialogpartner getrennt hat”. Doch ITU Chef-Diplomat Utsumi brachte es in seiner sachlichen Art auf den Punkt: “Nicht alle teilnehmenden Regierungen sind mit dem Kompromiss 100-prozentig zufrieden, aber ich glaube, sie sind mehr oder weniger zufrieden.”

Der Beauftragte Kofi Annans belehrte unverbesserliche Kritiker der Ergebnisse des Gipfels mit der Aussage eines erfahrenen Gipfelfuchses: “Ich mache das jetzt seit zehn Jahren. Auf jeder Konferenz wird über Geld gesprochen, aber noch nie wurde ein Scheck ausgestellt.”

Gastgeber 2005: Tunesien

Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel, denn in zwei Jahren wird in Tunis die zweite Phase des “sommet mondial sur la societe information” (SMSI) stattfinden, um eine UN-Charta zur “digitalen Solidarität” zu verabschieden. Nicht alle sind glücklich mit der Entscheidung, den Gipfel in Tunesien abzuhalten. Tunesische Menschrechtsgruppen wie die Tunisian League for Human Rights berichteten in Genf von Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit in ihrem Land. Couchepin gab auf der Abschlusskonferenz zu, dass “Fortschritte in Tunesien in Fragen der Menschenrechte erreicht werden müssen”, aber dass es ihm nicht zustehen würde, ein Mitgliedsland der UN zu beurteilen. Desai versicherte, dass “in Tunesien die selben Standards gelten werden wie überall auf der Welt, egal ob es New York, Genf oder Tunis” sei.

Ein weiteres Konfliktthema kündigt sich an. Wie aus deutschen Regierungskreisen zu erfahren war, sei man mit der Organisation und Durchführung der Vorbereitungskonferenzen (PrepCom) seitens der ITU nicht zufrieden gewesen. Sie seinen schlecht organisiert und nicht erfolgreich moderiert worden. Utsumi gab zu, dass es statt der drei geplanten Konferenzen am Ende sechs gegeben habe und die UN “einen effizienteren Vorbereitungsmodus suche”. Auf Nachfrage der Presse verdeutlichte er, dass die Vorbereitungskonferenzen mit der rasanten Entwicklung der IKT nicht mithalten würden, “da die Diskussionen zu langsam sind”. Ein Mitarbeiter Utsumis ergänzte gegenüber politik-digital.de, dass an den Einsatz von Cyber-Konferenzen gedacht würde. Deutsche Regierungskreise wünschen sich aber vielmehr eine von der ITU unabhängige Vorbereitung des zweiten Gipfels 2005 in Tunesien. Hier deutet sich hinter den Türen der UN ein Machtkampf um die Austragung der nächsten Vorbereitungskonferenzen ab. Bleibt nur die Hoffnung, die ein deutscher Regierungsvertreter äußerte: “Wichtig ist, dass der ganze Prozess nach Genf jetzt nicht wieder einschläft.”

Zuerst erschienen bei
gipfelthemen.de am 17.12.2003

 


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