Im April 2000 gründeten fünf Studenten aus Aachen democracy online 2day, beworben als größte deutschsprachige Politik-Community. Die Mitglieder diskutieren dort über aktuelle Themen, stellen Umfragen und können sich in einer der Parteien organisieren, die wiederum alle vier Monate zur Wahl des Internetkanzlers antreten. Die Hoffnung der Betreiber war, dass durch den spielerischen Charakter wieder mehr junge Menschen für Politik interessiert und begeistert werden könnten. Die steigenden Benutzerzahlen gaben ihnen Recht.

Im Sommer 2000, kurz nach der ersten Kanzlerwahl fielen plötzlich etliche rechte Mitglieder bei
dol2day auf. Bei der Sonntagsfrage bekamen Republikaner und NPD zusammen über 10% und in den Diskussionen tauchten vermehrt Accounts auf, die rassistische Thesen verbreiteten und den Nationalen Widerstand feierten. Dahinter steckte ein Aufruf zum Einstieg bei dol2day auf den Seiten des „Nationalen Info-Telefones“.

Die Betreiber von dol2day, Redaktion genannt, reagierten mit Sperrung der auffälligen Accounts und ihrer Vertrauten. Da die Gesperrten sich sofort neu anmeldeten bzw. schon vorher zusätzliche Accounts angelegt hatten, half diese Aktion allerdings nicht weiter und führte zur Überforderung der Redakteure. Deshalb beschloss die Redaktion nach einigen Wochen, ein aus Dolern bestehendes Gremium einzusetzen, welches über die Sperrung von Accounts entscheiden sollte.

Im September 2000 wurde die erste nationale Partei gegründet, die FUN (Freiheitlich – Unabhängig – Deutsch), die sich als Sammelbecken für Patrioten und Nationale verstand. Innerhalb kurzer Zeit wurde die FUN zu einer der größten Parteien und machte in den folgenden Monaten immer wieder durch provokante Texte und Aktionen, wie „Tag der Befreiung“, sowie auffällige Mitglieder auf sich aufmerksam. Den meisten anderen Parteien war sie ein Dorn im Auge. Eine Zusammenarbeit wurde kategorisch ausgeschlossen.

Auch außerhalb von dol2day fiel die FUN negativ auf. Kaum ein Interview in dem die Redakteure nicht darauf angesprochen wurden. Im Mai und Juni 2003 spitzte sich die Situation zu, die FUN, und damit auch dol2day, wurden in mehreren Verfassungsschutzberichten erwähnt. Statt Rücksicht auf die Auswirkungen auf dol2day zu nehmen, feierten die Betroffen die Erwähnung als Erfolg. Diese Umstände haben die Betreiber dazu veranlasst, die gesamte Partei FUN zu löschen. Zudem wurden beide im Bericht genannten Mitglieder gesperrt. Die ehemaligen FUN-Mitglieder und deren Sympathisanten nahmen das natürlich nicht einfach hin, sondern protestierten in Form von massiven Spamaktionen. Manche Foren waren tagelang nicht benutzbar. Für jeden gesperrten Account kamen zwei neue dazu. Bereits früher waren zwei kleine, noch extremere rechte Parteien gesperrt worden. Doch vergleichbare Protestaktionen gab es damals nicht.

Nachdem die erste Erregung verflogen war, trafen sich Vertreter der Nationalen mit der Redaktion. Diese ließ unter Auflagen die Gründung einer neuen nationalen Partei zu, die ausdrücklich keine Nachfolgepartei sein durfte. Nach kurzer Zeit war die FREUNDE (Freiheitlich – Unabhängig – Deutsch) gegründet, eine ähnliche Startseite, größtenteils dieselben Mitglieder und auch diese war bald die mitgliederstärkste Partei bei Dol. Nach kurzer Zeit schien wieder alles wie zuvor. Die Doler, die sich über das deutliche Zeichen der Redaktion in Form der Löschung gefreut hatten und sie unterstützen, fühlten sich desillusioniert.

Nur eineinhalb Jahren später hatte die FREUNDE die Situation wieder auf die Spitze getrieben. Ständige Provokationen und fehlende Einsicht hatten die Geduld der Redaktion erschöpft. Als nun während des Wahlkampfes im Oktober 2004 Wahlkampfbanner mit Sonnenrad geschaltet wurden und der Kanzlerkandidat durch fragwürdige, rechtsextreme Profiltexte auffiel, zog die Redaktion die Notbremse, sperrte den Kandidaten und löschte erneut die Partei. Wieder gab es ähnliche Protestaktionen wie bei der ersten Löschung, allerdings in geringerem Umfang. Durch konsequentes Durchgreifen der Redaktion und temporäre Sperrung der Neuanmeldung bekam man diese jedoch rasch in den Griff. Eine weitere Neugründung der Partei wurde zudem kategorisch ausgeschlossen, da die Betroffenen ihre zweite Chance nicht genutzt hatten und keine Spur Lernbereitschaft zu erkennen war.

Die Partei war nun zwar weg, doch die verantwortlichen Mitglieder größtenteils noch da. Eigentlich sollte sich das Gremium um Doler kümmern, die gegen die Regeln verstoßen und strafbare Inhalte verbreiten, aber durch immer neue Regeln war daraus inzwischen eine bürokratische und fast handlungsunfähige Justizsimulation geworden. Mitte Januar wurden Moderatoren eingeführt, eine Handvoll ausgewählter Doler, die unter anderem Meinungen und Umfragen unsichtbar machen und Provokateure für einige Stunden am Posten hindern können. Inwiefern dies auch positive Auswirkungen in Bezug auf die Reduzierung rechtsextremer Äußerungen haben wird, muss sich allerdings noch zeigen.

Die Community wurde durch das Thema sehr gespalten. Die Sympathisanten kritisierten deutlich die Löschung. Zum Teil setzten sie durch Austritt aus dem Förderverein die Redaktion unter Druck. Andere begrüßten die Schritte als längst überfällig. Sie traten in den Förderverein ein und hofften auf weitere Sanktionen der Redaktion gegenüber den rechtsextremen Accounts. Diese wiederum stellen sich als seriöse Rechte, Nationale oder Opfer einer politisch einseitigen Redaktion und Verleumdungen linker Doler dar. Eine weitere Gruppe lehnt zwar die Äußerungen ab, hält aber aus Gründen der Meinungsfreiheit Löschungen von Parteien für die falsche Lösung.

Die Betreiber haben stets betont, sie würden sich nicht beeinflussen lassen. Trotz aller Kritik von innen und außen und negativen Auswirkungen der FUN wollten sie allen nicht strafbaren Meinungen einen Platz bei dol2day einräumen. Deshalb warteten sie sehr lange, bis sie den Schritt der Parteilöschung gingen, da von Seiten der FUN einfach kein Entgegenkommen und keine Rücksichtnahme auf die Plattform zu spüren war. Um dennoch keine (legale) politische Richtung komplett auszuschließen, ließen sie wieder eine neue nationale Partei zu. Doch die weiterhin fehlende Einsicht und der dadurch bedingte hohe Arbeitsaufwand der Redaktion machten eine erneute Löschung schließlich unumgänglich. Aufgrund der früheren Erfahrungen wurde diese nun auch konsequent durchgezogen. Das Vorgehen scheint Erfolg zu haben. Die Beschwerden bei der Redaktion wegen rechtsextremer Doler sind deutlich zurückgegangen.

Effektiv gegen Rechtsextremismus bei dol2day können nur die Betreiber vorgehen. Alle Maßnahmen haben lediglich zur Verbesserung geführt, eine wirkliche Lösung des Problems ist auch nach fünf Jahren noch nicht gefunden.

Die Autorin ist Mitglied von ‘democracy online 2day’

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