Was die öffentliche Hand beschafft – vom Bleistift bis zum Panzer – beschafft sie nach festgelegten Regeln. Im Projekt NIK werden diese auf ihre Nachhaltigkeitspotenziale überprüft und neue Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt.

“Es geht ja auch noch wie früher”, meinte der parlamentarische Staatssekretär des BMBF Wolf-Michael Catenhusen während seiner Eröffnungsrede zum 2. Expertenforum im Projekt NIK am 16. Mai 2002 in Berlin. “Wie früher” ging es noch, als sein Mikrophon ausfiel. “Wie früher” geht es jedoch nicht mehr in der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT). Die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung der Branche macht auch hier eine verstärkte Orientierung an Umweltanforderungen nötig. Wie in vielen Brachen ist Nachhaltigkeit das Schlagwort. Eingebunden in die Strategie
Nachhaltigkeit der Bundesregierung wurde das
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) beauftragt, mit Hilfe der Roadmaptechnik Innovationspfade und Handlungsoptionen für nachhaltige Entwicklung und nachhaltiges Wirtschaften in der Informationsgesellschaft aufzuzeigen. Das Roadmapping soll erprobt und exemplarischee Roadmaps entworfen werden. Im Rahmen der Veranstaltung wurden erste Entwürfe und Umsetzungsstrategien zur Nachhaltigkeit in der IKT vorgestellt, Erfahrungen referiert und mit Experten diskutiert.

Herausforderungen des 21. Jahrhunderts

Zwei zentrale Herausforderungen des 21. Jahrhunderts lauten “Informationsgesellschaft” und “Nachhaltige Entwicklung”. Es gilt, beide Komplexe zu verknüpfen und innovative Möglichkeiten in der IKT zu finden und grundlegende ökologische Herausforderungen und soziale Ungleichgewichte so zu integrieren, dass die Chancen einer zukunftsfähigen Entwicklungsperspektive für alle Staaten und Menschen weltweit und dauerhaft gewahrt und verbessert werden. Die Roadmapping-Technik soll dabei das Mittel zum Zweck sein. Mit ihrer Hilfe können Leitplanken für eine zukunftsfähige, d.h. auf ökonomische, ökologische und soziale Belange abgestimmte Entwicklung, Fertigung und Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK-Technologie) erarbeitet werden. Das Roadmapping gilt als international modernste Methode in Entscheidungs- und Strategiefindungsprozessen. Daher gilt ihre Anwendung in diesem Prozess als reizvoll und spannend. Eine Aufgabe des
NIK-Projektes ist dementsprechend, die Anwendbarkeit, Effektivität und Praktikabilität von Roadmapping zu untersuchen.

Der Schwerpunkt der 1. Expertenkonferenz im Projekt NIK im November 2001 lag im Dialog mit Akteuren aus Politik und Wirtschaft. Das Rahmenkonzept wurde vorgestellt und allgemeine Handlungsfelder, vordringlich bewertete Handlungsfelder, Fokusthemen, Themenschwerpunkte, Fokusgruppen und Verfahrensweisen abgestimmt. In anschließend parallel arbeitenden Fokusgruppen werden ausgewählte Themenschwerpunkte und Fokusthemen präzisiert.

Öffentliche Beschaffung als Fokusthema

Eines dieser Fokusthemen ist die “Öffentliche Beschaffung”. Hier soll der öffentliche Beschaffungsprozess unter Nachhaltigkeitskriterien aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. Vier Punkte stehen dabei im Mittelpunkt:

  1. Die Aufnahme produktbezogener Aspekte der Nachhaltigkeit aus dem Bereich der Ökonomie, Ökologie und Soziokultur in Ausschreibungen unter Beachtung der geltenden Richtlinien. Berücksichtigung ökologischer Aspekte ist heute bereits möglich. Schwieriger ist die Formulierung sozialer Belange, da diese produktunabhängig sind und Diskriminierung anderer darstellen (Beispiel: Mindestanteil von 50% Frauen in gehobener Position). Der Bereich der Ökonomie wird bereits einbezogen, allerdings muss Wertebasis eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, anstatt einer reinen Kostenbetrachtung sein.
  2. Der Wandel von einer Produktions- zur einer Informationsgesellschaft bedingt neue Anforderungen nach Mobilität und Erreichbarkeit. Geeignete Techniken hierfür müssen Nachhaltigkeitsgesichtspunkten entsprechen. Die so formulierten Produktanforderungen können als technische Spezifikation in Ausschreibungen einbezogen werden und Eingang in die Beschaffung finden.
  3. Die nachhaltigere Gestaltung des Beschaffungsvorganges durch Zusammenfassung aller Kommunikationsformen.
  4. Die Steigerung der Nachhaltigkeit der Verwendung Geräten durch veränderte Beschaffungswege. Hierzu müssen technisch unterstützte Organisationsformen herausgearbeitet werden, um eine verstärkte Wiederverwertbarkeit von Geräten zu gewährleisten.

Probleme ergeben sich durch die fehlende Definition von gewünschten sozialen Faktoren (z.B. vertragliche Verankerung des Anspruches auf Telearbeit), der mangelnden Akzeptanz alternativer Arbeitsformen, ungenügende Kenntnisse über betriebliche Auswirkungen und fehlende technische Möglichkeiten. Es ist noch unklar, mit welchen Umsetzungsstrategien herkömmliches Handeln mit neuen Anforderungen angereichert werden kann. Nachhaltige Beschaffung ist noch nicht Praxis, weshalb es positiver Beispiele und “Treiber” bedarf.

Beispiel: Energieeffiziente Steckernetzteile

Ein konkreter Roadmap-Punkt des Fokusthemas Öffentliche Beschaffung ist der Einsatz energieeffizienter Steckernetzteile. Diese weisen eine Leerlaufleitung von ca. 1-2 Watt auf, im Gegensatz zu herkömmlichen Netzteilen mit einer Leerlaufleistung von ca. 10-20 Watt. Eine Einsparung von ca. 125 GWh pro Jahr wäre so möglich (Basis 2 Mio. Beschäftigte mit jeweils 1,5 Steckernetzteilen. Im Maßnahmenplan dieses Roadmap-Punktes wurde für die kommenden Jahre folgende Etappen formuliert:

2002 Auflistung aller eingesetzten Geräte mit Steckernetzteilen

2003 Erkundung über die Verfügbarkeit energieeffizienter Steckernetzteile

2003 Musterangebote

2004 Preisverhandlungen

2004 Pilotbeschaffung

2007 Erfahrungsberichte / Auswertung

2008 Ausschließliche Beschaffung energieeffizienter Steckernetzteile

Ziele

Die Ziele des NIK-Projektes sind hoch gesteckt und die konkrete Umsetzung steht erst am Anfang. Zahlreiche Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft scheinen momentan noch hochmotiviert und engagiert zu sein. Eine regelrecht jugendliche Begeisterung und tiefe Überzeugung für das Thema Nachhaltigkeit sind zu spüren. “Nachhaltigkeit ist heute längs mehr als Umweltpolitik”, sagte beispielsweise Staatssekretär Catenhusen vom BMBF (Link Interview bei uns) in seiner Rede, und Herr Fidalgo (LG. Phillips Displays) fügte hinzu: “Nachhaltigkeit heißt anders ausgedrückt Wirtschaftlichkeit”.

Es bleibt zu hoffen, dass die Aufbruchstimmung anhält, dass Ergebnisse konkret werden, Taten folgen und, wenn ausreichend roadgemappt wurde, die politische Unterstützung bei der Umsetzung nicht fehlt. Und das Wichtigste ist, dass die Bevölkerung mitmacht – heute können erst 18 Prozent der Bürger mit dem Begriff Nachhaltigkeit etwas anfangen.