Parteiseiten im Internet aktivieren Aktivisten, nicht mehr, nicht weniger – zu diesem Schluss kam die amerikanische Politikwissenschaftlerin Pippa Norris. Offensichtlich hält das die deutschen Parteien nicht davon ab, massive Internetpräsenz in Wahlkämpfen zu zeigen. Was bieten die Parteien im Landtagswahlkampf 2006 in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin?

 

Die Landtagswahlen in Berlin und die in Mecklenburg-Vorpommern stehen unter anderen Vorzeichen als bisher. Zum Beispiel, weil sie als erste wirkliche Testwahlen nach der Bundestagswahl gelten: Zwar lagen auch die Wahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt im März 2006 nach der Bundestagswahl, allerdings konnte man da noch nicht von einer Stimmungsprobe sprechen, weil sich überhaupt noch keine „Stimmung“ eingestellt hatte, so frisch war die Regierung Merkel im Amt. Jedoch unken auch diesmal die Demoskopen: Der Sommer war einfach zu gut, die Leute waren mit Fußball beschäftigt und hatten damit praktisch keine Gelegenheit, in sich hineinzuhorchen und Wechselstimmung zu spüren.

Kein Wechsel, das würde für Berlin eine Fortsetzung der rot-roten Koalition bedeuten, die sich bei dieser Wahl erstmals zur Wiederwahl stellen wird. Klaus Wowereit ist dabei bereits jetzt der „gefühlte“ Wahlsieger. Vorherrschende Themen der zu Ende gehenden Legislaturperiode sind die problematische Haushaltslage der Stadt Berlin, die Situation an den Berliner Schulen, Integration und der schwache Arbeitsmarkt. Auch in Mecklenburg-Vorpommern stellt sich eine rot-rote Koalition zur Wiederwahl.

Neu bei der bevorstehenden Wahl ist aber auch, dass die Parteiverbände in beiden Ländern dieses Mal ohne unterstützende Bundeskampagnen auskommen müssen – die Wahlen hatten bisher parallel zu den Wahlen im Bund stattgefunden, die durch die vorgezogenen Neuwahlen nun erst wieder 2009 anstehen, woraus sich folgende Kettenreaktion ergibt: Wo keine bundesweite Wahl, da keine bundesweiten Kampagnen und da auch keine gesteigerte Medienaufmerksamkeit für Politisches. Und – so steht es insbesondere mit dem Blick nach Rechts zu befürchten: Wo keine parallele Bundestagwahl, da eine desaströs niedrige Wahlbeteiligung. Das gilt vielleicht nicht so sehr für das politisch bewegte Berlin – für Mecklenburg-Vorpommern aber umso mehr.

Wer nutzt die Angebote politischer Parteien im Netz?

15, vielleicht 20 Jahre ist es her, da konnten die Moderatoren großer Samstag-Abend-Galas mit einem ernst in die Kamera gesprochenen „Hallo-ja-genau-sie-meine-ich,-sie auf-dem-braunen-Sofa,-nun-gucken-sie-mal-nicht-so-blöd“ noch so manchem einen Schrecken einjagen: Durchaus im Rahmen des Vorstellbaren, dass der charmante Mann, den ich dort im Fernsehen sehe, seinerseits sieht, mit wem er es auf der anderen Seite der Mattscheibe zu tun hat. Heute bringt man als Talkmaster diese Nummer nicht mal mehr im Kinderfernsehen glaubhaft rüber, aber als Medienmacher hat man heute trotzdem ziemlich klar auf dem Schirm, wer wann einschaltet. Marktforschung heißt das Zauberwort dazu und Mediaplanung lautet die Antwort der Werbebranche auf dieses Nachfragespektrum.

Wie sieht es aber mit der Mediaplanung im Internet aus? Lange stand zu befürchten, das dieser Bereich völlig vernachlässigt wurde, getreu nach dem Motto: Internet ist so günstig, da machen wir einfach mal alles was geht und das wird dann schon passen. Im Internet ist im Gegensatz zum Fernsehen nicht die Ressource Sendezeit knapp, sondern die Ressource Aufmerksamkeit und (Wähler-)Interesse.

Wer schon einmal zu Wahlkampfzeiten ein Praktikum bei einer Partei gemacht hat und sich wechselnden Namen in die wöchentlichen Chat mit dem Abgeordneten seines Wahlkreisesoder – schlimmer noch – mit dem Fraktionsvorsitzenden des Bundes- oder Landesverbandes seiner Partei eingeloggt hat, ahnt bereits, was Politikwissenschaftler in vielen Studien gezeigt haben: Das Internet, genauer gesagt die Angebote politischer Parteien im Netz, erreichen mit Nichten den unentschiedenen, mäßig interessierten Wechselwähler. Wer bei Rot, Grün, Schwarz oder Gelb vorbeisurft, weiß genau, was er tut – und in der Regel auch lange vor der Wahl, wen er wählt. So gerät das engagierte Fragenstellen der Parteipraktikanten zum Schaulauf, dessen vorrangige Ziele darin bestehen, dass der eigene Kandidat in der beschaulichen Öffentlichkeit des Netzes kein schlechtes Bild abgibt und auch mal die eine oder andere unbequeme Nachfrage wohlbekannter Quälgeister der (gern auch parteiinternen) Konkurrenz ignorieren kann.

Wie stellen sich die Parteien angesichts dieser Ausgangslage im Internet da?
Lesen Sie weiter im zweiten Teil.