Ein einziger staatlicher Internet-Provider und ein restriktiver Zugang zum Netz – das sind die idealen Voraussetzungen, um unerwünschte Inhalte zu verhindern und die eigene Propaganda zu verbreiten. Kann da der Irak widerstehen?

Im Prinzip eine rein rhetorische Frage: Der Internet Service Provider
Uruklink ist direkt dem irakischen Kultur- und Informationsministerium unterstellt. Hauptnutzer des Internets ist die Regierung sowie regierungsnahe Gruppen. Für alle anderen bleibt das WWW ein Privileg, das nur mit guten Finanzmitteln und den entsprechenden Beziehungen zugänglich ist.
Dennoch ist auf den ersten Blick nicht viel von Propaganda zu sehen, wenn man die Homepage von Uruklink aufruft. Die Seite besteht im Wesentlichen aus Links zu Regierungsseiten, staatlichen Nachrichtenagenturen und Pressediensten sowie Bildungseinrichtungen und Interessengruppen.Taucht man jedoch in die Inhalte dieser verlinkten Seiten ein, wird schnell deutlich, dass irak-kritische Stimmen hier nicht zugelassen sind. Zwar scheint der Ton, verglichen mit den bekannten Reden im Fernsehen, relativ gemäßigt, doch die Feinde sind leicht auszumachen: die USA und der Zionismus.

Auf den Seiten der Nachrichten- und Presseagenturen findet man selbstverständlich die aktuellsten Stellungnahmen des Präsidenten, die mit Kritik an dem Verhalten der Amerikaner nicht geizen. Aber auch an Stellen, wo man es weniger erwartet, wie etwa dem Tourism Board oder Frauen- und Jugendlichenvereinigungen, werden die „imperialistischen Bestrebungen“ der USA und die Bedrohung durch den Zionismus angeklagt. Allerdings sind diese Botschaften meist geschickt verpackt – man wirbt um Verständnis für die schwierige Situation des irakischen Volkes, stellt die Ungerechtigkeit der Behandlung dar, nutzt Argumente, die auch die Kriegsgegner in Europa (und der Welt) gerne verwenden. Nur selten wird auf den englischsprachigen Seiten Gebrauch von demagogischen Formulierungen gemacht, die die Besucher vielleicht abschrecken könnten.

Auffällig ist dagegen auf allen Seiten das Fehlen von weitergehenden Interaktions-möglichkeiten. Zwar ist es möglich, E-Mails zu schreiben, aber Foren, in denen ein
Meinungsaustausch stattfinden könnte, gibt es hier (natürlich) nicht. Wer also abweichende Meinungen verkünden will, muss auf Tricks zurückgreifen. Oft gelingt das nicht, aber gelegentlich wird eine Seite gekapert, um gegenteilige Inhalte zu verbreiten. Am 23. Februar ist dies mit der Homepage des irakischen
Satellitenfernsehens, das pikanterweise bei der Iraqi News Agency sowie der Tageszeitung „Iraq Daily“ verlinkt ist, gelungen. Statt des angekündigten Live-Streams sind Aufrufe zu finden, die Saddam Hussein als Lügner, Mörder und Kidnapper darstellt. Urheber dieser Nachricht schien ein Unternehmen namens
TechTrainingInAudio.com zu sein. Beim Aufruf der „Sister Site“ landete man auf einer obskuren Seite in Florida, die offensichtlich erst einen Tag vorher erstellt worden war. Wie lange es dauert, bis solches Treiben von den Betreibern der ursprünglichen Seite unterbunden wird, ist schwer zu sagen. Gelegentlich braucht es Tage, bis die unerwünschten Inhalte wieder beseitigt sind. Bis heute ist die Seite immer noch gehackt.

Im vorliegenden Beispiel ist das zwar interessant, leider aber wenig seriös. Den Menschen im Irak wäre sicher mehr mit ernsthaften Inhalten und vor allem Kommunikationsmöglichkeiten geholfen. Doch selbst das ist zweifelhaft, denn abgesehen vom begrenzten Zugang zum Internet wird natürlich auch ein Monitoring der Seiteninhalte und des E-Mail-Verkehrs durch die Regierung durchgeführt. Und solange diese interne Zensur nicht abgestellt ist, wird das Internet für den Irak weiterhin eine willkommen Propagandamaschine bleiben.

Erschienen am 13.3.2003