Eine Einleitung in einen komplexen Gegenstand

Schon 1973 veröffentlichte Daniel Bell seine
Thesen vom Leben in einer “postindustriellen Gesellschaft”. Im Bereich der Wirtschaft vollzog sich ein Übergang von der güterproduzierenden zur Dienstleistungsgesellschaft. Damals zeigten sich tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen, die seit den 90er Jahren mit dem Begriff der “Wissensgesellschaft” gekennzeichnet werden. Die Begriffe wurden gewählt, um die gewachsene Bedeutung von “Wissen” als ein weiterer Produktionsfaktor neben Boden, Arbeit und Kapital zu erfassen. Wissen wird zu handelbaren Ware – Wissensarbeit zu unserem täglichen Brot. Aber Wissen ist auch ein öffentliches Gut, dass für alle frei zugänglich sein muss, will er oder sie in einer ausdifferenzierten und komplexen Gesellschaft überleben. Wissen ist speicherbar, sei es auf käuflichen Datenträgern oder in Form von geteilten Erlebnissen, die von Generation zu Generation kostenlos mitgeteilt werden.

Doch was ist das wirklich Neue? Schließlich galt noch in jeder Gesellschaft, dass Wissen Macht ist.

“Der Wissensraum ist so groß und im Prinzip frei wie nie, für den einzelnen kann er aber so klein bzw. kontrolliert werden, wie ebenfalls nie zuvor”, sagte der Konstanzer Medienwissenschaftler Rainer Kuhlen auf der letztjährigen Konferenz “Gut zu Wissen” der Heinrich-Böll-Stiftung im Interview mit
politik-digital.

Neue Informationstechnologien (IT) – vornehmlich das globale Internet – strukturieren Unternehmen, das Privatleben, aber auch die Politik neu. Die informationstechnologische Revolution schafft neue Handlungs- und Bewegungsspielräume, die die Wirtschaft z.T. radikal geändert haben: eCommerce, eBusiness. Innerhalb der Politik wird viel von eGovernment, eDemocracy oder eSociety gesprochen.

Wenn die oben genannte These von Rainer Kuhlen zutrifft, wird der Zugang zur Ressource in der entstehenden Wissensgesellschaft zur zentralen gesellschaftlichen Frage. Welches Wissen wird wie Nachgefragt und unter welchen Konditionen angeboten? Denn schon zu Zeiten der Industriegesellschaft war der Zugang zu den Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital von entscheidender Bedeutung. Daran scheint sich nichts grundlegendes geändert zu haben. Vielmehr kommt ein neuer Faktor hinzu und verändert das Verhältnis der Produktionsfaktoren untereinander.

Folgerichtig stellt die Konferenz
“WissensWert” die Frage nach dem Zugang zur Ressource Wissen aus unterschiedlichen Perspektiven: wirtschaftliche, rechtliche und politische Aspekte kommen auf der Konferenz zur Sprache.

Im Zusammenhang damit steht die zentrale Fragestellung, wie das Verhältnis Staat-Bürgerinnen in der aufkommenden Wissensgesellschaft geregelt ist. Neben dem bekannten Schreckensbild des “gläsernen Menschen” steht das positive Leitbild des “gläsernen Staates”. Welche Informationen braucht der mündige Bürger vom Staat, um seinen demokratischen Pflichten nachzukommen?

Bisher war es aufgrund der in Deutschlands Amtsstuben herrschenden Verschwiegenheit und Geheimniskrämerei kaum möglich, Einblick in Akten zu erhalten. Im Informationsfreiheitsgesetz (IFG) soll nun geregelt werden, dass Jedermann/frau unter Wahrung des Datenschutzes ein Recht auf Auskunft hat. Dass dieses Recht, dass bisher nur in vier Bundesländer eingeführt wurde, bisher kaum genutzt wird, liegt schlicht an seiner geringen öffentlichen Bekanntheit. Die Wichtigkeit eines offenen Informationszuganges für ein funktionierendes demokratisches System und einer aufgeklärten Öffentlichkeit kann nicht genug betont werden. Das
Interview mit Manfred Redelfs beleuchtet die Bedeutung des IFG aus der Perspektive des Journalismus und zeigt die praktischen Folgen.

Doch warum hat Deutschland immer noch kein IFG? Diesen Mangel beleuchtet der
Artikel von Mortimer Treichel.

Ein anderes Spannungsfeld liegt in dem schnellen Wachstum des Wissensangebotes, dass zu einer Informationsflut und dem Problem der Verarbeitung dieses Überangebotes führt. Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Wissensmanagement aus der Perspektive der Wirtschaftswissenschaften. Im
Interview mit Prof. Dr. Gerd Walger von der Privat-Universität Witten-Herdecke umschreibt er seinen Lösungsansatz mit dem Begriff des “Vergessensmanagement”.

Gerade da die Konturen ebenso wie der Begriff der Wissensgesellschaft noch unscharf und uneindeutig sind, ist es wichtig, den Weg Deutschlands in das Informationszeitalter mittels rechtlicher Grundlagen vorzugeben. Andererseits bedarf es der Suche nach Lösungspotentialen für die Spannungen zwischen der zunehmenden Kommerzialisierung und Verwertung von Wissen und der Bewahrung des öffentlichen Reichtums von Wissen.