Die Nachrichten überschlugen sich: etoy.com klagt gegen eToys.com, nachdem der
erste, damals vom amerikanischen Spielzeughändler eToys.com angezettelte Rechtsstreit,
beigelegt wurde. Kurz darauf war auf den Wirtschaftsseiten zu lesen, dass der ehemalige
Börsenliebling eToys Inc. vor dem "Aus" steht. In einem Gespräch mit
politik-digital erklärt ZAI, Pressesprecher der Künstlergruppe etoy, warum sie gegen den
Online-Händler klagen und ob der Community eine Neuauflage des legendären Toywar von
1999/2000 bevorsteht.

politik-digital: eToys Inc. entlässt 293
Mitarbeiter von noch 300 Mitarbeitern. Welchen Sinn hat für euch eine Klage gegen ein
Unternehmen, das am Boden liegt?

ZAI: Es geht nicht um die Firma eToys.com. Wir nehmen nicht Rache und versuchen
da noch etwas rauszuholen. Es ist einfach so, dass wir seitdem das Verfahren eToys Inc.
vs. etoy im Februar 2000 niedergelegt wurde unendlich viel Geld und Nerven verbraucht
haben. Der Kampf um das Markenterrain lief nämlich weiter, und zwar auf einer Ebene, die
leider nicht direkt visualisierbar oder in den Medien darstellbar ist. Von
Trademark-Streitigkeiten hört man ja insgesamt sehr wenig, weil es so kompliziert ist.
Fakt ist, dass wir es nicht zulassen werden, dass unser Playground "Culture,
Entertainment & Art" rechtlich von eToys zugemauert wird. Das einzige
realistische und legale Tool, um eToys (oder die zukünftigen Besitzer der eToys Marken)
dazu zu bringen, unsere Rechte anzuerkennen, ist diese Klage. Sie musste logischerweise
vor einer Übernahme eingereicht werden und zwar in maximaler Härte. Und so haben am 23.
Januar 259 etoy.SHAREHOLDER in einer ausserordentlichen Online-General-Versammlung der
etoy. Venture-Capital group den Entschluss gefasst die etoy.LAWYERS in den USA zu
beauftragen das zu tun, was sie für wirkungsvoll halten. Man kann unmöglich behaupten
etoy habe diesen Konflikt gesucht. Im Gegenteil.

politik-digital:Welche Gefahr geht denn jetzt noch
von eToys aus?

ZAI: eToys hat damals überstürzt eine Firma aufgebaut und einiges nicht
erledigt und bedacht, beispielsweise den Namen. Dann dachten die: "jeder hat seinen
Preis" und als sie gemerkt haben, dass wir nicht käuflich sind, haben sie geklagt.
Das ganze Verfahren lief auf niedriger Gerichtsebene, nicht mal auf Federal-Ebene und
eToys hätte bei höheren Instanzen auch keine Chancen gehabt, denn die Marke etoy gehört
ihnen nicht. Als sie dann schliesslich einlenken mussten, haben eToys sich etwas Neues
ausgedacht: Die haben einfach eine Firma gekauft, die kein Mensch kannte: etnatoys. Und
etnatoys hat dann rückwirkend als etoys Markenrechte beantragt, für 1990. Damit hätten
sie dann die älteren Rechte. Insgesamt gehören denen jetzt über diesen Umweg ungefähr
25 Trademarks. Es wird im Moment viel über uns geredet: wir hätten keine Ideen mehr und
würden eine Neuauflage probieren, wollten uns ins Gespräch bringen und die Zeit für uns
sei abgelaufen. Ich möchte klarstellen, dass es uns wirklich um das rechtliche Problem
und unseren Namen geht.

politik-digital: Warum habt ihr dann nicht schon
früher geklagt?

corporate etoy team
corporate etoy

ZAI: Wir wollten damals, als der Streit losging ja nur unseren Markt abdecken und
die Freiheit haben in einem vernünftigen Mass das tun zu können, was man Expansion
nennt. Nichts Übertriebenes. Und wir waren uns ziemlich sicher, aus dem Lawsuit gut
rauszugehen. Ok, im aller schlimmsten Fall hätten wir eToys den brand genommen. Aber
damals hingen noch sehr viele Jobs an der Firma, die wären dann gefährdet gewesen. Jetzt
muss die Firma wohl verkauft werden und der Brand wird übernommen. Jobs stehen keine mehr
auf dem Spiel maximal das Geld von Kreditoren. Es ist aber ganz sicher, dass sich jemand
für die eToy-Brands interessiert. Mit 10 Millionen Bookmarks und Millionen von Kunden,
die bei aller Erbärmlichkeit der eToys Buchhaltung am Markennamen hängen. Es ist ganz
sicher, dass jemand unter dem Namen eToys.com nächste Weihnachten Spielzeug verkaufen
wird.

politik-digital: Befürchtet ihr wirklich, dass man
noch mal versucht gegen euch vorzugehen, obwohl etoy.com inzwischen eine geschützte Marke
ist?

ZAI:Wie gesagt: es ist ganz sicher, dass jemand unter dem Namen www.eToys.com
nächste Weihnachten Spielzeug verkaufen wird. Dieser "Jemand" wird mit
Sicherheit viel dafür bezahlen. Das Potential ist riesengross, auch wenn das eToys
Konzept in der herkömmlichen Form nicht aufgegangen ist und viele Investoren ihr Geld
verlohren haben. Immerhin wurden via eToys.com für mehr als 130 Million Dollar Toys
verkauft in den letzten 4 Monaten. Und wie fast alle die viel bezahlen fuer etwas werden
auch diese Leute das Maximum haben wollen. Was für Gründe gäbe es sonsts für Goldman,
Sachs & Co. eine friedliche aber einschränkende Lösung auszuschlagen? Keine. Es ist
offensichtlich, dass ihnen dieser Prozess mehr Mühe bereiten wird als Gespräche mit
etoy. Doch sie wollen gewinnen und die Brands zu einem maximalen Preis verkaufen.
Wichtiges Detail dabei: ein Brand mit "Priority" ist viel mehr wert als einer
ohne. Der Weg zur "Priority" wird versperrt von etoy seit jeher. Nur durch den
agressiven und unsauberen Etna Toys – Move haben sie eine Chance "Priority" zu
erlangen. Schaffen sie dies, würden unsere Markenvorrechte (unser Schutz) kollabieren.
Die Einspruchsfrist gegen diese Machenschaften ist am 10 Januar 2001 abgelaufen nachdem
unsere Anwälte wiederholt eine Verlängerungen dieser Frist erwirkt haben um Raum für
Verhandlungen zu schaffen.

politik-digital: Habt ihr für so ein Verfahren
noch Geld übrig?

ZAI: Wir mögen es nicht, Jahr für Jahr 100.000$ für einen Konflikt auszugeben
den wir nicht geschaffen haben. Wir suchten eine friedliche Lösung und wurden abgewiesen.
Wir sind nicht bereit dafür zu bezahlen und unsere Projekte endlos verzögern zu lassen.
Die juristischen Kosten konnten wir bisher immer decken. Wir haben ja auch Rückendeckung
und können mit zum Beispiel mit unserem gerade angelaufenen Buch die Bedeutung unserer
Auseinandersetzung zeigen. Wir haben auch Leute im Hintergrund, die uns in Notfällen
unterstützen. Allerdings gibt eToys pro Tag immer noch mehr aus, als wir insgesamt seit
17 Monaten aufgewandt haben.

politik-digital: Seit wann habt ihr eure Marke in
den USA geschützt?

ZAI: Beantragt haben wir die Marke etoy schon 1997, registriert wurde sie erst
im Dezember 2000. Diese Wartezeit ist allerdings für ausländische Unternehmen völlig
normal. Wir haben viel Geld in diese Marke gesteckt. Das sollte zeigen, was für eine
wichtige Rolle sie in unserem Kunst-Konzept einnimmt.

politik-digital: Warum ist der Name etoy so
wichtig?

ZAI: Das liegt am Konzept von etoy. Wir sind seit 1994 eine Gruppe von Leuten
die sich in wechselnder Formation als Firma organisiert und nichts anderes als Kultur und
Excitement produziert – so wie andere Firmen Konsumguter herstellen. Unsere einzelnen
Namen sind unwichtig und wir produzieren keine Stars. Wir verkaufen nichts anderes als
Anteile an diesem kulturellen Prozess für den sich 2096 etoy.INVESTOREN und viele Fans
interessieren. Das Funktionieren des "etoy.BUSINESS-PLAN", d.h. das Überleben
von etoy bedingt eine starke und klar festgelegte Identität, um die mediale Verwässerung
von etoy zu verhindern. Das Relevante an einer Marke ist doch, dass sie öffentlich
wahrgenommen wird und dem Konsumenten eine bestimmte Qualitäts-Norm und Kontinuität
garantiert. etoy wird seit 1994, eToys seit 1997 als Marke wahrgenommen. Schützen liessen
wir uns 1997 was im Jahr 2000, nach dem üblichen Verfahren, in den USA definitiv
anerkannt wurde.

politik-digital: Wird es jetzt zu einem Toywar II
kommen?

ZAI: Wir wollen den Toywar nicht wiederholen. Wir wären doch ganz anders
vorgegangen. Es ist ja nicht so, dass wir in einem Jahr dumm geworden wären und nicht
mehr wüssten wie man so was anzettelt. Wir haben diesmal die Culture Community nicht
aufgefordert für uns zu kämpfen sondern hauptsächlich mit unseren Stakeholdern
gesprochen. Die Community wurde erst vergangene Woche offiziell informiert, als sich
vermehrt Leute meldeten und sich Missinterpretationen abzeichneten.

politik-digital: Welche Rolle hat etoy beim Werde-
oder Niedergang von eToys Inc. gespielt?

ZAI: Wir sind ein Symptom des Problems von eToys. Die hatten im Kern das
Internet nicht begriffen. eToys hatte zwar enorm viel Geld, war an der Börse in
Hochzeiten 8 Milliarden Dollar wert, hatten aber keine Ahnung. Die haben sich völlig
selbst überschätzt. Wie auch der Kampf gegen uns bewies. Die ganze Firma war auf den
brand, den griffigen Namen aufgebaut. Und wer das wusste, wusste auch wie wacklig die
Sache eigentlich war. eToys hätte bei seiner Gründung 1996/97 die Markenlage besser
checken sollen.

politik-digital: An der Geschichte von eToys sieht
man, wie irrational Märkte, vor allem Aktienmärkte sind. Ihr habt ja auch Shares
ausgegeben, die euch mitfinanzieren. Sind eure Shares der gleichen irrationalen
Unsicherheit ausgesetzt?

ZAI:Wir sind besser abgesichert, weil wir anders funktionieren. Wir sind eine
Glaubensfrage und nicht so marktabhängig. Die an uns gerichteten Erwartungen sind anders.
Unsere stakeholder wollen ja nicht dauernd irgendwelche Dinge sehen, die können auch mal
abwarten. Die emotionale Komponente gibt es aber auch bei uns, das hat der Toywar gezeigt.
Ohne Shares, ohne das Geld aus den Shares hätten wir den nicht durchgehalten. Darüber
hinaus sind unsere Shares ein Kunstprodukt. Die werden immer wieder von Kunstsammlungen
gekauft und haben so noch einen langfristigen

politik-digital:Trotzdem können auch eure
Kunst-Aktien fallen, wenn irgendwann eure Aktionen nachlassen. Was ist als nächstes
geplant?

ZAI:Wir können nicht ständig irgendwelche Riesenprojekte à la Toywar stemmen.
Zur Zeit konzentrieren wir uns auf firmenspezifische Themen. Wir wollen bessere und reale
Formen der Partizipation entwickeln, den Shareholder-Gedanken stärken. Dazu gehörten
Abstimmungen, Konferenzen und so weiter. Wir wollen prinzipiell keine Kunst produzieren,
die an Individuen hängt. Die Kunst und die Identität gilt für alle.

politik-digital:War der Toywar ein Krieg? Oder ein
Spiel? Oder eine Performance?

ZAI:Von allem etwas. Zunächst war es von der Gegenseite aus Krieg. Wir wollten
weder verbissen werden und Krieg führen, noch wollten wir aufgeben. Wir wollten uns
verteidigen. Und das taten wir spielerisch, was den Übergang zur Performance markiert. Es
gab ja bei der Aktion ein klares "entertainment value". Die Leute fanden es
amüsant und hatten Spass auf unseren Seiten. Dabei sind Emotionen entstanden, die
Netzkunst so gemeinhin nicht schafft.

politik-digital:Stichwort Netzkunst: welche Rolle
spielt das Netz bei euch?

ZAI:Unser Kunstanspruch ist es, viele Ebenen zueinander zu bringen. Deswegen ist
unsere Hauptbasis das Netz, weil dort so viel zusammen fließt: Text, Bild, Film Musik,
soziale Elemente und Services.

Wir wollen auf keinen Fall in einem Reservat sitzen, wo Kunst drauf steht und die Leute
Sonntags mal vorbei schauen.

politik-digital:Zum Schluss: in einem Spiel, in dem
alles um Namen geht, woher kommt euer Name etoy?

ZAI:Den haben wir generiert. Wir haben, als wir an unserer Corporate Identity
gebastelt haben gemerkt, dass wir einen guten Namen brauchen. Wir haben dann eine Woche
lang alle Buchstaben und Silben gesammelt, die wir gut fanden. Diese wurden verarbeitet
von einem Script. Die etoy-Mitglieder saßen dann an den verschiedenen Orten vorm Computer
und das Script fütterte Ergebnisse in einen EIRC-Chat. Als der Name "etoy"
erschien, haben wir alle unabhängig voneinander gestoppt. Etoy hat das e, aber ohne den
Hype, weil es ein Wort ist. Der Name funktioniert wie ein neues Wort, dass noch nicht
beladen war. Und kurz ist es auch.


politik-digital:
Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Carolin Welzel