Prof. Claus Leggewie untersuchte im Rahmen des TA-Projekts “Analyse netzbasierter Kommunikation unter kulturellen Aspekten” in seiner Studie “Deliberative Demokratie. Regierung durch Diskussion – Steuerung politischer Entscheidungen durch Kommunikationsakte?” die Debatte um “deliberative Politik”.

Der Beitrag resümiert die Debatte um „deliberative Politik“, vor allem in den USA, und bereitet inhaltliche und prozedurale Grundelemente deliberativer Demokratie auf. Besonders herauszustellen ist der Ansatz von Gutmann/Thompson aus dem Jahr 1996, der die Problematik deliberativer Politik in kulturell pluralistischen Gesellschaften thematisiert und eine breite Debatte provoziert hat.

Diskutiert werden die Einwände der “Realisten”, die Deliberation über moralische Streitfragen in liberalen Demokratien für unangebracht respektive für nicht machbar halten, andere Wege der Demokratiereform bevorzugen und in Deliberation höchstens eine (komplementäre) Methode erblicken, ein Verfahren der Beteiligung unter vielen. Die „realistischen“ Einwände sind zum Teil zutreffend, sie können aber das Konzept der deliberativen Demokratie nicht als ganzes widerlegen.

Im nächsten Schritt werden weiterführende Aspekte und Grenzen der Deliberation behandelt und vor allem zwei Probleme detaillierter behandelt, die im Blick auf die mediale Umsetzung in digitalen Medien besonders bedeutsam erscheinen: Kann man „Diskursen“ (also Sprechakten und Kommunikaten) Steuerungswirkungen zusprechen, und wie kann das kontraproduktive Ausufern von „talk“ oder „chat“ durch moderierte Diskussion thematisch abgegrenzter Agenden beschnitten werden. Im Ergebnis können deliberative Politik-Konzepte Ansprüche „kritischer Bürger“ nach mehr Partizipation befriedigen und sind interaktive Medien für eine „Kommunikation unter Abwesenden“ besonders geeignet. Deliberation ist somit kein neues theoretisches Fundament liberaler, repräsentativer Demokratien, wohl aber eine wesentliche Ergänzung demokratischer Praxis. Dies hat Folgen für eine Policy-Analyse und Politikberatung, die sich aus dem Korsett positivistischer Methoden und elitenorientierter Expertise befreien möchte und an die „hot spots“ demokratischer Kontestation zurückkehrt.

Für die politische Kommunikation im Internet hat dies weitreichende Folgen: eine Umstellung von den meist angestrebten massenmedialen Formaten (elektronische Demokratie) zu kleinen und nachhaltigen Formaten „interaktiver Demokratie“, die das spezifische Potenzial der digitalen IuK-Technologien, – individualisierte Massenkommunikation – nutzen und kreativ ausgestalten.

Das Netz wird vor allem mit der Organisation virtueller Bürgerkonferenzen ein Medium der strukturierten und moderierten Debatte gut informierter Bürger. Angestrebt ist damit eine demokratische Elitenkommunikation, nicht zu verwechseln mit der oberflächlichen Kommunikation selbst ernannter „Infoeliten“ oder der abgeschotteten Elitendiskurse von Experten und Funktionseliten.

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