(Artikel) Wie der französische Internet-Wahlkampf auf Neulinge in der dreidimensionalen Simulation Second Life wirkt und wie schwer es fällt, dort mit anderen zu diskutieren, hat Tim Geelhaar im Selbstversuch ausprobiert. Sein Hauptproblem: Gähnende Leere und schubsende Aufpasser.

Mein Selbstversuch in Sachen Frankreich-Wahlkampf in Second Life brachte eine gewisse Ernüchterung mit sich. Für den ungeübten Neuling ist die politische Meinungsäußerung bei Second Life eher ein nachrangiges Problem. Zuerst einmal will der Umgang mit seiner eigenen dreidimensionalen Figur erlernt sein, bevor man überhaupt an Kommunikation mit anderen denken kann. Außerdem waren nur selten Gäste in den Vertretungen der französischen Politiker. Auch boten sich leere Arenen dar, sofern solche Orte überhaupt konstruiert worden waren: Der Auftritt der sozialistischen Kandidatin Ségolène Royal ähnelt einer 3D-Litfasssäule für die eigenen Internetseiten.

Bei Sarkozy waren zwar Leute vom Team anwesend, wirkten aber eher wie Aufpasser, die zum Schubsen neigen. Wer auf der Suche nach der Ile Sarkozy, also dem Grundstück des Kandidaten ist, kann leicht auf eine andere Insel in Second Life gelangen. Auf dieser steht das von Sarkozy für Frankreich angedachte Ministerium für nationale Sicherheit bereits in Form einer mittelalterlichen Burg bereits – und wartet am Eingang mit einem Hochdruckreiniger der Marke Kärcher auf seine Besucher. Sarkozy hatte angesichts von Jugendkriminalität in Frankreichs Vorstädten mit der Bemerkung für Aufsehen und Aufruhr gesorgt, man solle die Banlieues mit dem Kärcher reinigen. Kein Wunder also, wenn gerade Sarkozys Wahlmannschaft jede kritische Stimme von vornherein unterbinden will.

Politik in Second Life mag vorerst durch den Reiz des Neuen locken. Das könnte auch Aufmerksamkeit derer wecken, die sich nicht für Politik interessieren. Da auch im wirklichen Leben nur selten der Inhalt an vorderster Stelle steht, könnte vielleicht die Verlagerung der Politik ins Virtuelle eine Art Politikperformance bieten, die wieder mehr Menschen anzieht. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass nur diejenigen auf das Angebot der Politik eingehen, die auch sonst bereit sind, sich in Blogs und auf Internetseiten zu informieren.